Königstein (efx) – Königstein im Taunus ist ein geschichtsträchtiger Ort! Nicht nur, dass in der Villa Rothschild, dem ehemaligen „Haus der Länder“, 1948/1949 der Parlamentarische Rat, der Wirtschaftsrat der Bizone und die westdeutschen Ministerpräsidenten tagten, auch die Festung Königstein ist als Ort europäischer Demokratiegeschichte anzuerkennen. Denn nach dem Scheitern der kurzlebigen Mainzer Republik im Jahre 1793 saßen viele Anhänger der Demokratie, die sogenannten „Klubisten“, in der Festung Königstein in Zwangshaft. „Terra Incognita“ als gemeinnütziger Verein mit Sitz in Königstein, widmet sich vor allem der Organisation sinfonischer Konzerte. Bereits seit 2014 organisiert der Verein im Haus der Begegnung große Sinfoniekonzerte, die nun im Rahmen der europäischen Historie der Region sowie im Hinblick auf den mit dem ersten Konzert zeitlich zusammenfallenden Tag der Deutschen Einheit, diesem wichtigen Thema gewidmet werden. Durch die Königsteiner Europakonzerte soll eine Brücke zwischen den Nationen geschlagen werden und das musikalische Programm die Zuhörer zum Austausch über Europa anregen. Die Konzerte werden grundsätzlich moderiert, so dass das Publikum dezidiert die Biografie der einzelnen Komponisten, aber auch die Inhalte und Hintergründe der Musikbeiträge und deren Verbindung zum Thema Europa miterlebt. Bebildert über eine Leinwand und passend ergänzt durch eine Buchvorstellung „Festung Königstein Ort europäischer Demokratiegeschichte“, bot das eigens für die Europakonzerte ins Leben gerufene Königsteiner Europaorchester unter der Leitung von Hans-Jürgen Richter im Haus der Begegnung nun einen musikalischen Hörgenuss der besonderen Art und begeisterte das Publikum. Mit Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Es-Dur Nr. 5 griff das Orchester einen Komponisten auf, der vor 200 Jahren für die Sache der „Freiheit und Republik“ stand, und stellte diesen republikanischen Ansatz Mozarts Sinfonie C-Dur Nr.34 gegenüber, der für das „Ancien Régime“ stand und dies verteidigte. Ergänzt durch die Vorstellung des ersten Königsteiner Kulturkalenders (konzipiert als „ewiger Kalender“ mit Bildern europäischer Städte des 16. Jahrhunderts), der künftig in der Buchhandlung Millennium käuflich erwerbbar ist, konnte Christoph Schlott, Vorsitzender von Terra Incognita, das erste Königsteiner Europakonzert mit zahlreichen Gästen feiern. Knut Günther, Gründungsmitglied des Vereins zur Förderung der Tafelkultur, kennt Christoph Schlott: „Uns verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft und das Thema interessiert mich sehr.“ Er selbst weiß, wie es ist mit neuen Ideen zu starten, hat er doch im Mai 1988 den Verein zur Förderung der Tafelkultur gegründet, um dem im nationalsozialistischen Regime zweckentfremdeten Frankfurter Kochkunstmuseum wieder die wünschenswerte Publizität zu verschaffen. Für Christoph Schlott ist „der Tag der Deutschen Einheit ein europäisches Ereignis.“
Die Wiedervereinigung Deutschlands ist für ihn „der Beginn einer Staatenveränderung. Wir haben einen Zusammenschluss in Freiheit erfahren, während andere Veränderungen Europas, wie beispielsweise in Estland, Georgien oder Weißrussland durch Trennung entstanden.“ So ist er auch glücklich über das „Felix Germania“, das glückliche Deutschland, das nun im Rahmen des ersten Konzerts von Musikern der Jungen Philharmonie Marburg ergänzt durch freischaffende Musikerinnen und Musiker des Rhein-Main-Gebietes seine Ehrerbietung fand.
Ein fachkompetentes Publikum, in dessen Reihen auch Königsteins Bürgermeister Leonhard Helm zugegen war, der das Konzert sowie die im Wechsel stattfindende, anlassbezogene Moderation Schlotts mit großem Interesse verfolgte. Das Engagement für Europa wird in Königstein groß geschrieben. Die langjährigen Städtepartnerschaften nach Frankreich und Polen, die Verleihung des Eugen-Kogon-Preises oder des Königsteiner Europa-Jugendpreises sind nur einige Beispiele.
Deshalb ist es selbstverständlich, dass auch Wolfgang Riedel vom Förderkreis für Städtepartnerschaft e.V. unter den Gästen ist. Dass durch die Königsteiner Europakonzerte das Haus der Begegnung in der Region ein überregionales Profil in Verbindung mit der Profilierung Königsteins als Europastadt erhält, wünscht sich nicht nur Christoph Schlott. Aus Frankfurt angereist, ist sich Kunst- und Musikliebhaber Dr. Eberhard Natermann sicher „das größte Konzerthaus für klassische Musik von der Größe und Qualität zwischen Frankfurt und Wiesbaden“ in Königstein vorzufinden. Schlott, Natermann und weitere kulturbegeisterte Königsteiner würden in diesem Zusammenhang auch eine Erweiterung der Orchesterbühne nach vorne begrüßen, um die Nutzung des Hauses der Begegnung auch für große Sinfonieorchester möglich zu machen. Der ganz besondere Bezug zu Königstein bietet sich den Gästen dann in der Pause. Die Vorstellung der „Schuhsohlen der Demokraten“ erklärte Knut Günthers zu Beginn der Veranstaltung gestellte Frage: „Wo sind die Schuhsohlen?“ Einhergehend mit der Mainzer Revolution im Jahre 1793 wurden in der Burg Königstein die ersten freien Demokraten, die sich während der Revolution gegen das alte Regime auflehnten, mehrere Jahre gefangen gehalten. Ihrem Marsch und ihrer Auflehnung zur Erinnerung und an die geschichtsträchtige Vergangenheit der Region anspielend, hat nun Paul Kiefer und seine Konditorei „Café Kreiner“ dieses Ereignis aufgegriffen. In der Pause präsentierten die Initiatoren des Abends ein süßes Naschwerk, das tatsächlich einer Stiefelschuhsohle gleicht, aber selbstverständlich viel besser schmeckte. Knut Günther kennt als Insider das Naschwerk bereits und weiß: „Die Mozartkugel war gestern, die köstliche, süße Schuhsohle ist heute!“ In der Tat ist die Schuhsohle geschmacklich eine knusprige Waffel mit Mokkacreme, und es bleibt zu hoffen, dass sie von Kiefer ins feste Sortiment seiner im Café Kreiner angebotenen Köstlichkeiten aufgenommen wird. Der Programmabend rund um das erste Europakonzert wurde sehr positiv angenommen und die Gäste lauschten interessiert den vielen informativen, historischen Ereignissen, die zum einen verbunden mit der Musik, zum anderen mit den damaligen und heutigen Ereignissen verknüpft werden. Auch Stefanie Reul vom Burgverein der Stadt Königstein war unter den Gästen des Abends. Sie und ihre Kolleginnen der Nähstube sind bereits in der Planung für das nächste Burgfest 2017 und da geben ihr die historischen Informationen des Abends wichtige Impulse.
Im Jahr 2018 soll denn auch aufgrund der Ereignisse des Jahres 1793 das Thema „225 Jahre Demokratie in Deutschland“ im nationalen und europäischen Kontext eine Rolle in Königstein spielen. Zu diesem Jubiläum strebt der Verein Terra Incognita e.V. im Einvernehmen mit der Stadt an, die Burgruine zu einer Erinnerungsstätte als „Ort europäischer Demokratiegeschichte“ aufzuarbeiten. Die nächsten Königsteiner Europakonzerte finden am Samstag, 17. Dezember 2016, 19.30 Uhr und Donnerstag, 26. Januar 2017, 19.30 Uhr im HdB statt.