Die Geschichte der Wissenschaft und ihr Quantensprung durch die Zeit

Königstein (el) – Anschauungsunterricht in Sachen Naturwissenschaften gab es im Rahmen des jüngsten Vortrags der Reihe „Königsteiner Forum“ – diesmal überschrieben mit dem Titel „Umbrüche in den Naturwissenschaften“, die für den Referenten Prof. Dr. Friedrich Steinle, der das Ganze aus einer geschichtlichen Perspektive betrachtete, auch immer mit Veränderungen bzw. Entwicklungen in der Gesellschaft einhergehen.

Steinle, dessen Fachgebiet die Wissenschaftsgeschichte ist, nahm seine Zuhörer in der wieder einmal gut gefüllten Empfangshalle der Königsteiner Volksbank mit auf eine Reise durch die Jahrhunderte, die mit einem Mann namens Nikolaus Kopernikus begann. Kopernikus dürfte uns allen, insofern wir eine gute Allgemeinbildung genossen haben, als Begründer eines ganz neuen Weltbildes bekannt sein, das als „Kopernikanische Wende“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Kopernikus, seines Zeichens eigentlich kein Berufsastronom, denn diese gab es im 16. Jahrhundert eigentlich nicht, entwickelte die These, dass nicht die Erde, wie man bislang glaubte, im Mittelpunkt des Kosmos steht, sondern dass sich alle Planeten, auch die Erde, um die Sonne drehen. Kopernikus zweifelte am geozentrischen Weltbild und entwickelte ein mathematisches Schema zur Berechnung von Planetenpositionen. Allerdings sollte sich auch zeigen, so Steinle, dass Kopernikus seinerseits noch stark den antiken Idealen verpflichtet war und nicht unbedingt als Revolutionär angesehen werden kann.

Großen Aufwand in der Recherche von Himmelskörpern betrieb der dänische Adelige Tycho Brahe, der die Astronomie eigentlich als Hobby ansah und den dänischen König überzeugen konnte, auf einer Insel ein Groß-Observatorium einzurichten, um genauere Studien der Planetenbahnen durchzuführen. Johannes Kepler war es, der die Astronomie in ein neues Zeitalter katapultierte. Nach ihm sind die Keplerschen Gesetze benannt – das sind die Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich Planeten um die Sonne bewegen. Mit ihm sei auch eine neue Ära eingeläutet worden, die man als „Neue Astronomie“ oder „Himmels-Physik“ kenne, so der Referent des Abends. Kepler habe viele Berechnungen ganz ohne Rechenhilfe anstellen müssen und kam nach und nach zu dem Schluss, dass die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Grundpostulate in der Astronomie aufgegeben werden sollten. Mit Kepler entfernte man sich von dem Glauben an die Kreisbahn und an die Gleichförmigkeit der Bewegung im Weltall. Insofern sei das bis dahin gültige Sphärenmodell ad acta gelegt worden.

Nach 1609 sei laut Steinle die Welt der Astronomen eine andere gewesen. Wie gesagt, das Sphärenmodell wurde abgeschafft und man einigte sich darauf, dass sich die Planeten in Bahnen durch den leeren Raum bewegen. Und das strukturiert und nicht ganz willkürlich. Weitere Umbrüche sollten in den Naturwissenschaften nicht lange auf sich warten lassen und jedes Mal wurde mit einer Wende in einer bestimmten Sparte auch eine neue Weltanschauung geboren. So ergab sich im späten 18. Jahrhundert auch die chemische Revolution mit Antoine Laurent de Lavoisier als Speerspitze der neueren Chemie. Er war es auch, der die Sprache der Chemie neu anordnete und rational durchstrukturierte sowie eine neue Theorie zur Verbrennung entwickelte.

Steinle, der in Karlsruhe Physik studiert hat und durch wissenschaftshistorische und philosophische Untersuchungen zu den Funktionen naturwissenschaftlicher Experimente bekannt geworden ist, unternahm auch einen Exkurs in die Welt der modernen Physik des 20. Jahrhunderts. Sein Ausgangspunkt: die Entwicklung der Quantentheorie 1913 und der Einzug der Quantenmechanik in die theoretische Physik. Zu den einschneidensten Umbrüchen in den Naturwissenschaften gesellt sich die Entdeckung der kanadischen Forscher Watson und Crick über den Aufbau der DNA. Sie fanden heraus, wie die Erbinformationen in den menschlichen Genen kodiert sind und entwickelten ein Modell, an dem das veranschaulicht wird, das mit einer Doppel-Helix-Struktur versehen ist.

Allgemein, und auch das ist eine Quintessenz des Vortrages, der sich sozusagen seinen Weg quer durch alle wissenschaftlichen Ressorts und Jahrhunderte bahnte, geht die Fortschreibung bestehenden Wissens mit wiederum neuen Fragen einher, die zu neuen Denkmöglichkeiten führen. Mit dem Aussterben der Vertreter von alten Paradigmen verschwanden auch die alten Denkmuster. Mit den Veränderungen und dem Fortschritt machte sich auch die Erkenntnis in der Gesellschaft darüber breit, dass diese neuen Entwicklungen von großem Nutzen für die Menschheit sein können.

Dies wiederum führte auch dazu, dass Einrichtungen jenseits von Klöstern und Domschulen geschaffen wurden, wie wissenschaftliche Akademien und Gesellschaften. Orte, an denen sich Forschungsinteressierte trafen, wie beispielsweise die Royal Society of London. Dazu entwickelte sich eine neue Art des Kommunizierens. Denn die Akademien veröffentlichten eigene wissenschaftliche Schriften. Ein bedeutsamer Umbruch in puncto Wissen fand ebenso durch den Buchdruck statt. Diese Erfindung habe Forscher in die Lage versetzt, ihr Wissen zusammenzubringen und zu vergleichen, so Steinle, der in der extremen Vernetzung, wie sie heute gegeben ist, auch einen anderen Umgang mit Wissen sieht. So könne man heute dank der Digitalisierung alle Daten der Harvard Universitäts-Bibliothek auf zwei Festplatten speichern.



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