Königstein (el) – Er gehört zu Europas alter Garde des modernen Jazz und feierte am Dienstag dieser Woche seinen 70. Geburtstag. Janusz Maria Stefanski ist aber vor allem eines: Jung im Herzen geblieben. Das liege daran, dass er ebenso wie die jungen Leute, die er im Rahmen seines Lehrauftrages an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz unterrichte, vom Miteinander der Generationen profitiere. Der Jubilar, der gerne modische Hüte trägt, war selbst an seinem Ehrentag nicht davon abzuhalten, seiner Passion – dem Unterrichten – nachzugehen.
Die Geschichte des polnischen Ausnahme-Jazz-Musikers begann dort, wo die Prägung am stärksten ist: in der Familie. Und hier sei auch ausschlaggebend gewesen, sagt er rückblickend, dass er aus einer sehr musikalischen Familie stamme. Schon der Großvater sei Dirigent gewesen, die Mutter habe Klavier gespielt und sowohl er als auch seine drei Geschwister hätten schon in frühen Jahren eine musikalische Ausbildung genossen. Deswegen sei es wichtig, so Stefanski, dass Kinder bereits in jungen Jahren ein Gespür für die Musik bekommen, weswegen er in seinem späteren Leben im eigenen Musikinstitut in Königstein unter anderem die Musikalische Früherziehung angeboten habe.
Doch zunächst gilt der Blick erneut der Vergangenheit des gebürtigen Krakauers, der sich als Jugendlicher danach sehnte, irgendwann mal die Möglichkeit zu haben, öffentlich zu spielen und aufzutreten. Das Klavier war dabei seine erste Leidenschaft, dem noch eine zweite folgen sollte: das Schlagzeug. Diese Wahl begründet der heute in Frankfurt lebende Künstler mit seiner temperamentvollen Art, die geradezu nach einem solchen Instrument verlange. Ein „Timekeeper“ zu sein, erfordere neben Rhythmusgefühl Disziplin, Power, musikalische Unabhängigkeit und Koordination. Im Umkehrschluss könnten diejenigen, denen es an Koordination mangele, diese durch das Schlagzeugspielen schulen, sodass beide Gehirnhälften trainiert werden. Ein weiterer Faktor, der nicht zu vernachlässigen ist: Jungen Menschen gibt dieses Instrument die Chance, sich mal so richtig auszutoben.
Im Alter von 17 Jahren war Janusz Stefanski schon auf dem besten Weg, ein anerkannter Musiker in Krakau zu werden. Parallel zum Studium von Klavier und Schlagzeug an der Hochschule für Musik in Krakau spielte er in einem Jazz-Quartett in seiner Heimatstadt und hatte die Ehre, eine bekannte Sängerin der damaligen Zeit musikalisch zu begleiten.
Im Zuge der 70er-Jahre entwickelte sich Stefanski zu einer der Größen in der Jazzszene Europas, was ihm wiederum so manchen Auftrag einbrachte, unter anderem intontierte er drei Filme, darunter ein Krimi.
1981 wurde er für das bekannte „Vienna Art Orchestra“ engagiert und alsdann durch ganz Europa auf Tournee geschickt. Zuvor hatte er berufsbedingt ganze fünf Monate auf einem Kreuzfahrt-Schiff verbracht. Als es dann an der Zeit war, mit dem Orchestra auf Tournee zu gehen, traf Stefanski eine Entscheidung, die seiner Familie – seiner Frau und seinen beiden Töchtern – eine neue Richtung geben würde. Man entschied sich dazu, für die Dauer der Europa-Tournee ein Apartment in Frankfurt zu mieten, sodass sich die Familienmitglieder zwischendurch auch sehen konnten. Was keiner ahnen konnte: Der am im Dezember 1981 ausgerufene Ausnahmezustand in seiner Heimat Polen würde auch seine Zukunft nachhaltig beeinflussen.
Aus Sicherheitsgründen und Angst davor, nach der Rückkehr in sein Heimatland Polen nicht mehr nach Resteuropa reisen zu können, beschloss man – bis auf zwei Koffer und die Musikinstrumente – alles Hab und Gut in der alten Heimat zurückzulassen und ein neues Leben in Deutschland zu beginnen. Das habe sich anfangs alles andere als leicht entpuppt, entsinnt sich Stefanski an die Zeit des Bangens und Hoffens, die auf diesen Entschluss folgte.
In einer Ära, in der es noch so etwas wie einen „Eisernen Vorhang“ gab und die Geheimdienste sehr aktiv waren, habe man sich nicht getraut, einen Antrag auf Asyl in Deutschland zu stellen, was wiederum weitere Schwierigkeiten und Einschränkungen nach sich zog. Da er als Künstler mit einem Dienst-Ausweis nach Deutschland eingereist war, habe er zunächst einen Fremdenpass ausgestellt bekommen, in dem noch nicht mal ein Heimatland gestanden habe, was ihm natürlich auch zu schaffen gemacht habe.
Auch in der neuen Heimat hatten ihn die Probleme fest im Griff: „Ich musste nachweisen, dass ich die Mittel habe, um hier zu leben, was natürlich als freischaffender Musiker nicht einfach ist“, erinnert sich der 2003 mit dem Hessischen Jazzpreis Ausgezeichnete, der sich dabei selbst auch noch blockierte, denn der Schock der ersten Monate in Deutschland saß tief. Schließlich habe man nicht geplant, hier zu bleiben, hatte sogar schon in der damaligen Zeit als Luxus geltende Artikel wie Schokolade und Kaffee als Mitbringsel für die polnischen Verwandten eingekauft.
Über einen Schulfreund landete die Familie schließlich in Königstein und hier fasste sie auch dank Edgar Jürgens, einem Fan von Stefanski schon seit den 70er-Jahren, Fuß, sodass sie bis 1996 in der Limburger Straße sowohl eine Galerie als auch ein Musikinstitut betreiben konnte. Schon nach der Eröffnung des Musikinstituts im Jahre 1987 stellte sich heraus, dass Stefanski allein nicht alle Anfragen nach Klavier- und Schlagzeugunterricht sowie Musikalischer Früherziehung würde bewältigen können. Er engagierte Studenten, die ihm aushalfen. „Die Musikalische Früherziehung ist so wichtig, egal ob jemand musikalisch ist oder nicht. Die Seele entwickelt sich im Umgang mit der Musik, und das hilft bei der Bildung der Persönlichkeit“, weiß Stefanski zu berichten, der in seiner 45-jährigen Musikerlaufbahn über 70 LPs und CDs eingespielt hat und dessen großer Traum es ist, unter seinem eigenen Namen eine CD aufzunehmen.
So lange es die Kraft zulasse, wolle er weiter Musik machen, sagt er und bekam nach einem schweren Autounfall erstmals zu spüren, was es bedeutet, nicht spielen zu können. Eine Schulterverletzung zwang ihn damals zu einer mehrmonatigen Pause. Seit 2009 ist er nun Honorarprofessor an der Gutenberg Uni und unterrichtet hier Schlagzeug, Combo und Rhythmus-Theorie, was ihm nach wie vor sehr viel Spaß mache. Das Arbeiten mit den jungen Menschen stelle eine Bereicherung für seine eigene künstlerische Entwicklung dar, die zeitlebens andauere: „Mir kommen während des Unterrichtes Ideen, die ich früher nicht hatte. Die Studenten inspirieren mich.“
Am 30. Juni, 19.30 Uhr, wird man Janusz Maria Stefanski im Rahmen eines Open-Air-Konzertes im Frankfurter Palmengarten anlässlich der 25-jährigen Partnerschaft zwischen Frankfurt und Krakau live erleben können. Aber auch sonst ist er viel unterwegs und bereitet den Weg für den Nachwuchs in seiner Branche. Nur so könnte die Generationen-Hürde überwunden werden – indem die älteren Musiker ihr Können an die Jüngeren weitergeben.
„Ich mache weiter und das hält mich jung“, folgert das Geburtstagskind. In diesem Sinne steht in seinem ausgefüllten Terminkalender auch nicht an erster Stelle eine große Party anlässlich seines runden Geburtstages, sondern vielmehr eine Erinnerung an den großen Jazz-Talente-Wettbewerb in Polen, bei dem er in Kürze neben einem Amerikaner und einem Kanadier in der Jury sitzen wird, um aus 60 weltweiten Kandidaten die aussichtsreichsten zehn auszuwählen.