Ein Königsteiner als Kontrolleur an der Bergbahn

Königstein
(el) – Was sich Eugen Hisgen überlegt hat und nun schon zum zweiten Mal tun wird, das macht nicht jeder. Genau deshalb ist es eine Geschichte wert. Der Bilanzbuchhalter, der sich seit kurzer Zeit im Ruhestand befindet, hat sich etwas Besonderes überlegt, um seinen eigenen Horizont ein wenig zu erweitern und neue Erfahrungen zu machen. Man kann es aber auch von der pragmatischen Seite aus sehen: Eigentlich wollte er nur skifahren gehen und suchte nach einer Gelegenheit, sich den langen Aufenthalt in den Alpen zu finanzieren. Nach gründlicher Vorab-Recherche, die ihn im Übrigen mit seiner Harley schon mal 2003 ins Inntal geführt hatte, landete er im malerischen Zillertal in Österreich. Getreu der Devise, wenn schon freie Zeit, dann die ganze Zeit im Skigebiet, suchte er nach einer Gelegenheit, drei Monate lang skifahren zu können. Die Sportart selbst habe er erst im Alter von 22 Jahren erlernt, so Hisgen, der einräumte, dass dann natürlich, je älter man sei, auch ein wenig die Angst am Berg mitfahre. Diesen Kreislauf wollte er durchbrechen und hat sich also ein ums andere Mal die Skier angeschnallt. Hieraus wurde eine wahre Leidenschaft, die zur Entscheidung geführt hat, doch mal ein bisschen Dauerurlaub als skifahrender Tourist zu machen. Nachdem er seine Ehefrau von der Idee überzeugt hatte, galt es für ihn, erst mal eine Wohnung auf Zeit zu suchen. Mit einem Mietvertrag in der Tasche bekommt man auch leichter einen Arbeitsvertrag, so die Überlegung, die systematisch in die Tat umgesetzt wurde. Was die Arbeit anging, so habe er keine Vorstellungen gehabt. Das Einzige, was zählte: „Ich wollte nicht in einem Kessel wohnen”, sagt Hisgen und meint damit, dass er ein weites Tal bevorzugt und auf der Suche ganz genau auf dieses Kriterium geachtet hat. In Fügen wurde er nun fündig und das Beste daran: „Von meinem Fenster schaue ich bis ins Inntal rein.” Das war im vergangenen Jahr. Auch bei der Arbeitssuche war taktisches Vorgehen gefragt.

Im Internet durchforstete er Seiten von Anbietern für Saisonarbeit in Österreich. Auch über den Tourismusverband schaute er sich nach einem Domizil um. Nachdem er eine Wohnung gemietet hatte, erkundigte er sich bei der Bergbahn in Fügen, ob diese einen Saisonjob für ihn hätte. Er gab seine Bewerbung ab und fuhr nach Hause, nicht ahnend, dass das Management ihn schon wenige Tage später zum Vorstellungsgespräch einladen würde. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als die 1.000-Kilometer-Strecke hin und zurück zwischen Fügen und seiner Heimat Königstein zweimal binnen einer Woche zurückzulegen. Der Aufwand sollte belohnt werden: Nachdem er den Chefs dort seine Grundidee schilderte und er einen guten Eindruck hinterließ, war er bei der Spieljochbahn engagiert. Mitte Dezember 2016 ging sein Abenteuer auf Zeit los, das in diesem Jahr eine Wiederholung erfahren soll. Denn noch in dieser Woche ist Eugen Hisgen erneut unterwegs ins Zillertal, um hier wieder zum Dienst auf Zeit als Kontrolleur an der Talstation anzutreten. Eine Aufgabe, die ihm mit den netten und engagierten Kollegen zusammen sehr viel Spaß gemacht habe, so der Königsteiner, der auch aufgrund seines markanten, weißen Pferdeschwanzes den Menschen vor Ort aufgefallen ist. So positiv sogar, dass sämtliche Einwohner des Dorfes den Deutschen begrüßen. Ein Grund mehr, hierher zurückzukehren, an einen Ort, an dem die Welt scheinbar noch in Ordnung ist. Der Kontrast zur hektischen Rhein-Main-Region sei ihm schon nach seiner Rückkehr im vergangenen Jahr enorm aufgefallen, berichtet Hisgen. Die Menschen leben dort im Einklang mit der Natur – ein scheinbar einfacheres, zufriedeneres Leben, ganz ohne den Großstadtdschungel, der die Menschen oft zu Getriebenen und Gefangenen der Zeit macht. Wenn er jetzt zum zweiten Mal nach Fügen fährt, gilt es auch aus einem anderen Grund, die Daumen zu drücken. 2016 machte ihm ein Arbeitsunfall das Vorhaben zunichte, in seiner freien Zeit skifahren zu können. Er zog sich einen Haarriss in der Speiche zu, der ihn glücklicherweise nicht am Arbeiten hinderte, allerdings das Aus für den alpinen Traum vom Skifahren bedeutete. So kam es, dass er sich einem anderen Zeitvertreib, dem Wandern, widmete und so die Landschaft entdeckte.

„Es war als würde ich in eine andere Welt eintauchen, wenn ich morgens noch im Dunkeln von meiner Wohnung losgelaufen bin und an Bauernhöfen vorbeikam, bei denen schon Licht brannte, da die Menschen bereits am Arbeiten waren”, schildert Eugen Hisgen nur eine von vielen Erinnerungen, die er mit Fügen verbindet. Wenn er jetzt hierher fährt, und zwar genau am heutigen Donnerstag, dann wartet noch eine andere Tätigkeit auf ihn, auf die er schon ganz gespannt ist: Diesmal arbeitet der Königsteiner nicht nur ausschließlich als Kontrolleur an der Talstation der Bergbahn, sondern auch am Kinderlift. „Ich möchte viel draußen sein”, freut er sich auch schon darauf, die Skier anschnallen zu können.

Eugen Hisgen (Mitte) mit seinen Kollegen von der Bergbahn im Zillertal.

Foto: privat



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