„Die Ruine ist die Freundin vom Ruin“ – Stadtführung mit Hermann Groß

Hermann Groß umringt von seinen neugierigen, der Kälte trotzenden Zuhörern.

Foto: Krüger

Königstein (sk) – 20 Gäste lauschten am vergangenen Samstag den unterhaltsamen Geschichten von Hermann Groß, der in seiner Stadtführung einen aufschlussreichen Bogen spannte von der Entwicklung des Kurwesens in Königstein über den Umbau des Luxemburger Schlosses und die Historie der Nassauer bis zum Abzug der Franzosen von der Festungsruine und der heutigen Bedeutung Königsteins als heilklimatischer Kurort.

Diese Auszeichnung verdankt Königstein übrigens der herausragenden medizinischen Kompetenz von zurzeit sechs ansässigen Kliniken, berichtete der Stadtführer. Angefangen habe alles mit Dr. Georg Pingler, der mit seinen Kaltwasseranwendungen in Königstein die Therapien des wegbereitenden Vincenz Prießnitz neu belebte. Er habe mal Zeichnungen von den Kaltwassermethoden gesehen und erst viel später erkannt, dass es sich dabei nicht um Karikaturen, sondern um die tatsächlich gelebte Praxis handelte, erzählte Hermann Groß belustigt. Neben der Wasserkur war Königstein auch für seine Luftkur bekannt. Durch die Tuberkulose-Therapien des Mediziners Peter Dettweiler in der Falkensteiner Lungenheilanstalt erlangte Königstein sogar internationalen Ruhm. „Die Dettweilerschen Cognacmärsche waren seinerzeit sehr bekannt“, schmunzelte Hermann Groß über die damals medizinisch verordneten Cognacgläschen zur Unterstützung und Erheiterung der Frischluft-Bewegung. Vermögende Frankfurter Bürger reisten um die Mitte des 19. Jahrhunderts gerne nach Königstein.

So auch die Bankiersfamilie Borgnis, die weiträumige Grundstücksflächen erwarb, um darauf ihre Sommerresidenz zu errichten. Im damals modernen Schweizer Stil erbaut, entsprach die Villa Borgnis genau dem seinerzeitigen Wunsch nach einem schweizerischen Ambiente. „Nicht umsonst nannte man Königstein das St. Moritz im Taunus“, amüsierte sich Hermann Groß. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass sich der Herzog Adolph von Nassau und insbesondere seine Frau Adelheid in Königstein sehr wohl fühlten und das ehemals von den Mainzer Kurfürsten als Amtshaus genutzte Luxemburger Schloss zu ihrer Sommerresidenz umbauten.

Die Bezeichnung „Luxemburger Schloss“ trage das Gebäude aber erst seitdem Herzog Adolph von Nassau im Jahr 1890 zum Großherzog von Luxemburg ernannt wurde, klärte der Stadtführer seine Zuhörer auf. Heute ist das Amtsgericht von Königstein im Luxemburger Schloss untergebracht. „Obgleich die Herzogin Adelheid das Schloss hauptsächlich bewohnt hatte und den Königsteiner Bürgern eine gute und großzügige Unterstützerin war, widmete die Stadt Königstein nur ihrem Mann, dem Herzog Adolph von Nassau, ein Denkmal“, deckte Hermann Groß leicht provokant diesen Missstand auf.

Trotz Kälte und Glätte wanderte die Gruppe unverzagt und den vereisten Wegen zum Trotz den Burgweg zur Festungsruine hinauf, wohl ahnend oder fahrlässig verdrängend, dass sich der spätere Abstieg als eine größere Herausforderung darstellen werde. Hermann Groß erklärte seinen Zuhörern, wie sich die ehemals mittelalterliche kleine Burg nach und nach zu einer großen Festung entwickelte.

Fast 400 Soldaten waren dort untergebracht, während Königstein selbst etwa im 17. Jahrhundert nur knapp 500 Einwohner zählte. Belustigt berichtete Hermann Groß von mancherlei Verbindungen zwischen Soldaten und jungen Stadtbewohnerinnen, die darauf schließen lassen, dass schon damals Privates nicht immer leicht von Dienstlichem zu trennen war.

Die Burgmauern zeigen an einigen Stellen deutlich das Mauerwerk im Fischgrätverband. Daraus schließen Historiker, dass die Burgmauern etwa im 12. Jahrhundert entstanden sein müssen. Großes Bedauern zeigte der Stadtführer allerdings mit Blick auf die wuchernden Bäume und rankenden Pflanzen, die entsprechend ihrer Naturgewalt die Burgmauern über kurz oder lang überwuchern und das Königsteiner Wahrzeichen dem Blickfeld seiner Bürger entziehen werden, sollte man dem Pflanzenbewuchs keinen Einhalt gebieten. „Aber wie heißt es doch so schön“, gab Hermann Groß eines seiner beliebten Wortspiele zum Besten: „Ruine ist die Freundin vom Ruin“.

Der mit Augenzwinkern dekorierte, originelle Verweis auf die enge und doch zugleich ruinöse Verbindung der Stadt Königstein mit ihrer Burg offenbarte – zwar als Wortspiel getarnt – den immens großen finanziellen Aufwand, den die Aufrechterhaltung der Burg verursacht.

Unbeschadet trotz der vereisten Wege, aber mit deutlich schnelleren der eisigen Kälte geschuldeten Schritten verließen die Zuhörer die Burgruine, sicher alle in dem Bewusstsein, etwas dazugelernt zu haben.



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