Der Schinderhannes: Wie er lebte und sein Unwesen trieb

Dr. Dr. Mark Scheibe ist Spezialist in Sachen „Leben und Wirken des Schinderhannes“, beschäftigt er sich doch bereits seiner Studentenzeit mit dem altbekannten Halunken, der den Taunus gerne als Rückzugsort nach seinen Beutezügen nutzte.

Königstein (efx) – Wer kennt ihn nicht? Den Schinderhannes, alias Johannes Bückler, geboren Ende des 18.Jahrhunderts bei Nastätten im Taunus? Das Leben des deutschen Räubers, dem heute mindestens 211 Straftaten nachgewiesen werden können, fesselt Dr. Dr. Mark Scheibe, wissenschaftlichen Leiter der Stiftung Historische Kommission für die Rheinlande 1789 bis 1815, Zeit seines Lebens. In der Historie des Mittelalters bewandert, weiß er, dass früher zunächst einmal „alle bösen Buben ‚Schinderhannes‘ genannt wurden.“ Der wahre, brutale Schinderhannes, der raubte, Schutzgelder erpresste und bisweilen den Tod seiner Opfer billigend in Kauf nahm, entstammte dieser Gruppe Halunken. Später entwickelte sich „der erfundene Mythos des Schinderhannes, wie man ihn gerne gehabt hätte“, weiß Dr.Dr. Scheibe. Er orientierte sich bei seinen historischen Untersuchungen ausschließlich an den zeitgenössischen Ermittlungsakten und möchte nicht den romantisch verklärten Räuber im Sinne der Curd Jürgens Verfilmung im Jahre 1958 zeigen. Zwischen 1993 bis 2000 noch während seiner Studentenzeit, drehte er gemeinsam mit einigen Mitstreitern und im Rahmen eines Studentenprojekts einen möglichst originalgetreuen „Schinderhannes“-Film. Dieser Film entstand seinerzeit in Königstein und Umgebung, Freunde, Bekannte und Weggefährten Scheibes agierten darin, nicht zuletzt aus Kostengründen als Schauspieler. Der Film wurde im Jahre 2000 im Haus der Begegnung unter großem Beifall uraufgeführt. Mittlerweile besitzt er in Königstein und Umgebung Kultcharakter, bietet er doch so einiges an Lokalkolorit. Dies weiß auch die Kolpingfamilie und lud alle Geschichtsfreunde zur Filmvorführung „Der Schinderhannes“ ins katholische Gemeindehaus Königstein. Auch Dr. Dr. Mark Scheibe war persönlich vor Ort und unterstützte die Veranstaltung. Neugierig auf das Leben des Räubers, das schauspielerische Talent der Laiendarsteller und die Landschaftsaufnahmen Königsteins, füllten sich die zur Verfügung gestellten Sitzplätze rasch. Scheibe, der als Jurist in seiner Dissertation die Rechtsprechung zu Zeiten des Schinderhannes unter die Lupe nahm, präsentierte sein Werk und begrüßte gemeinsam mit Manfred Colloseus, dem ersten Vorsitzenden der Kolpingfamilie Königstein, alle Gäste. Dabei verglich er seine Recherchen mit einem, wie er sagt „Puzzlespiel“, das über die letzten 25 Jahre ausgewertet und damit tiefes Wissen geschaffen hat. Mit den Worten „ich freue mich, wenn Sie nach dem Film noch ein paar Fragen haben“, übergab er das Wort an Manfred Colloseus, der allen Helfern dankte und um eine Spende für Scheibes Stiftung warb.

Die Stiftung Historische Kommission für die Rheinlande unterstützt unter anderem auch junge Wissenschaftler, die die Zeit der Französischen Revolution, in die auch die Überfälle des Schinderhannes fallen, noch intensiver beleuchten. Aus diesem Grund zauberten Mark Scheibe und Manfred Colloseus während ihrer Begrüßung einen historischen Napoleon Zweispitz hervor, der kurzerhand als Spendenbox eingesetzt wurde. Die Spenden des Abends sollen einer jungen Studentin zufließen, die in ihrer Magisterarbeit das Leben der in der Festung Königstein gefangenen Jakobiner Mönche wissenschaftlich aufarbeitet. Wie die Idee, einen Film über den Schinderhannes zu drehen, in die Tat umgesetzt wurde, erläutert Colloseus folgendermaßen „Die Fäden zum Filmdreh wurden seinerzeit über Hermann-Josef Lenerz gespannt.“ Lenerz, beruflich fest im Rathaus verankert, Colloseus und Scheibe trafen auf einer Sitzung des Kultur- und Jugendausschusses aufeinander, in der Scheibe von seinen Plänen berichtete. Diese überzeugten den städtischen Mitarbeiter und brachten eine finanzielle Spende Königsteins ein. Förderungen des Main-Taunus-Kreises und der Kulturstiftung des Landes Rheinland-Pfalz kamen hinzu. Somit konnte man schließlich das Gros der für den Film notwendigen Sachkosten decken. Hermann-Josef Lenerz weiß noch gut: „Knapp 200 Leute haben hier mitgemacht. Dr. Scheibe hat recherchiert, die Stadt hat finanziell unterstützt.“ Mit einer typischen „Räuberszene“ beginnt der Film. Eine Bande Männer teilt auf einem alten Holzfass die gerade erbeuteten Münzen auf die Anzahl der Halunken aus.

Dabei belächelt man den jungen, knabenhaft aussehenden Johannes Bückler, nicht wissend, dass dieser von Frankfurt bis Kassel sein Unwesen treibt. „Schinderhannes hat sich unauffällig gekleidet, um nicht aufzufallen“, erklärt Dr. Mark Scheibe. Während die Raubzüge des Schinderhannes gerne im Rheinland Pfälzischen, beispielsweise in Simmern, Kirn oder Herrstein stattfanden, nutzte der gerissene Gauner den Taunus als Rückzugsort. Hier tarnte sich Bückler gemeinsam mit seiner Frau Juliana Bläsius als Krämer Ofenloch und zog mit einem Leiterwagen durch die Ortschaften, um Krüge, Apfelwein oder Kleinwaren zu verkaufen. Sein Ziel, irgendwann einmal ehrlich zu werden, verwirft er dabei immer wieder. Denn sobald Ganoven seinen Weg kreuzen, schließt er sich diesen an. Seine lebensfrohe Art und der Umgang mit Frau und Freunden, machen ihn zu einem angesehenen und beliebten Leitbild im Räuber-Milieu. So gelingt ihm aufgrund vieler Sympathisanten immer wieder die Flucht vor Verfolgung und Kerker. Amüsiert verfolgen die Zuschauer eine Verfolgungsszene, gedreht bei Bauer Schmitt in Schneidhain, in der man nicht nur den Hof, sondern auch die Schneidhainer Apfeläcker erkennt. Die vielen Kleinstaaten halfen Schinderhannes auf der Flucht.

Die Verfolgung eines Verbrechers musste nämlich an der Grenze zum nächsten Kleinstaat abgebrochen werden, weil dort andere Gesetze galten. Anton Keil, Professor und Kriminalist, verfolgte Johannes Buckel. Am 31. Mai 1802 wurde Schinderhannes zufällig im Hintertaunus aufgespürt. Man wusste zunächst nicht, welcher Ganove den Ermittlern ins Netz gegangen war. Erst später entlarvte man den gefürchteten Räuber. In Mainz, das zur damaligen Zeit von den Franzosen belagert war, wurde Schinderhannes mit seinen Komplizen verurteilt. Der Film endet mit dem Prozess, der Verurteilung und dem Tod Bücklers durch das Fallbeil, das Scheibe höchstpersönlich zusammengebaut hatte. Die Verurteilung von Bückler und 19 seiner Gefolgsleute zum Tode wurde am 20. November 1803 verkündet. Das Publikum war nicht nur von der Authentizität des Films begeistert, sondern auch vom schauspielerischen Talent der Laiendarsteller.



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