Königstein (efx) – Eine Demokratie braucht Menschen, die kritische Fragen stellen, die aufstehen und ihre Meinung vertreten, andere aber auch zu Wort kommen lassen, zuhören und aufgrund fairer Regeln eine Lösung finden! Diese elementaren Bausteine sollten so früh wie möglich erlernt werden, um ein gesundes Miteinander und eine demokratische Lebensweise zu ermöglichen. Aus diesem Grund ergriff Johannes Rau, ehemaliger deutscher Bundespräsident, bereits 2001 die Initiative zu einem bundesweiten Wettbewerb, der den Namen „Jugend debattiert“ tragen sollte und erklärte sich bereit, dessen Schirmherrschaft zu übernehmen. Als „Bundeswettbewerb Jugend debattiert“ wurde das Projekt 2002 in Berlin aus der Taufe gehoben. Seither nehmen deutschlandweit Schulen an dem Wettbewerb teil, so auch im Taunus und Hochtaunus. „Wir sind eine zertifizierte „Jugend debattiert“ Schule“, weiß Gerhard Spitz, der als Schulkoordinator der Bischof-Neumann-Schule für den Wettbewerb verantwortlich ist.
Er erklärt, dass es an allen Jugend debattiert Schulen speziell ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer gibt, die das Debattieren mit den Schülerinnen und Schülern im Rahmen einer Unterrichtsreihe erlernen und professionalisieren. Ingo Meinikmann ist Lehrer am Taunusgymnasium und als Regionalkoordinator für die Organisation des Verbunds Königstein zuständig. Wenn viele Klassen einer Schule am Wettbewerb teilnehmen, erklärt er, „werden zunächst Klassensieger ermittelt, die dann im Schulwettbewerb gegeneinander antreten.“ Wer im Finale des Schulwettbewerbs Platz eins oder zwei erreicht, ist für die nächste Wettbewerbsstufe qualifiziert, den Regionalwettbewerb. Der Regionalwettbewerb fand in diesem Jahr in der Bühnenhalle der Bischof-Neumann-Schule statt.
Bis auf den letzten Platz drängten sich interessierte Schülerinnen und Schüler der Bischof-Neumann-Schule, des Taunusgymnasiums und der Eichendorffschule aus Kelkheim auf den Plätzen. Unter Aufsicht der professionellen Jury mussten sich zunächst in der Altersstufe I, also den Jahrgängen der Mittelstufe, Christina Herold vom Taunusgymnasium, Tim Bremer, Schüler der Eichendorffschule, Roberto Mutter und Finn Käfer, beide von der Bischof-Neumann-Schule, der Frage stellen: „Sollen Bußgelder für die Verschmutzung des öffentlichen Raumes angehoben werden?“ Debattiert wird dabei immer nach dem Muster zwei gegen zwei, also zwei Schüler sprechen sich für das Gefragte aus („pro“), zwei antworten mit „Nein“ („contra“) und sprechen sich gegen die Maßnahme aus. In ihrer Debatte betrachteten die Schüler die Entscheidungsfrage von verschiedenen Sichtweisen, wobei die geforderten Regeln des Wettbewerbs von allen Teilnehmern eingehalten wurden. So entwickelte sich ein faires und dennoch spannendes Turnier, das Christina Herold als Erstplatzierte und Finn Käfer als Zweitplatzierter für sich entschieden. Ingo Meinikmann, Gerhard Spitz und alle Jurymitglieder beurteilten die Stärken der Diskussionsteilnehmer anhand der von Jugend debattiert vorgegebenen vier Kriterien. Die Kriterien Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft helfen die unterschiedlichen Stärken der Redner herauszufinden. Dabei bleibt eine Wertung, welche Position in der Debatte eingenommen wurde, unberücksichtigt.
Im Anschluss stellten sich vier Vertreter der Oberstufe (Altersstufe II) der Frage: „Soll in Innenstädten das Betteln verboten werden?“ Jenny Wolny vom Taunusgymnasium, Nina Ahlmann und Luisa Mansky von der Eichendorffschule sowie Thomas Gantz als Schüler der Bischof-Neumannn-Schule, lieferten sich eine lebhafte Debatte. In der Eröffnungsrunde beantwortete jeder Teilnehmer die Streitfrage aus seiner Sicht. Alle nutzten ihre zweiminütige Redezeit und brachten ihre Ansichten zum Thema vor. In der folgenden zwölfminütigen Aussprache brachten die Teilnehmer weitergehende Argumente vor, die sie miteinander abglichen, bevor dann in der Schlussrunde nochmals alle Positionen zusammengefasst wurden. Die Einhaltung der festgesetzten Redezeiten wird von Zeitwächtern durch Klingelzeichen überwacht. Die Teilnehmer der Oberstufe begründeten ihre Standpunkte mit fundiertem Wissen und punkteten mit entsprechenden Fakten aus Studien, die zur Lösungsfindung dienten. So erörterte man die Aspekte, ob die Mehrzahl der Bettler osteuropäischen Bettlerbanden angehören, ob sie aggressiv zu Werke gehen oder wie man Bettler über soziale Hilfen von der Straße holen könnte. Dabei betonten Jenny Wolny und Thomas Gantz die Beweggründe, die hinter dem Betteln stehen. Luisa Mansky und Nina Ahlmann nahmen sich des Arguments an, dass erst ein Bettelverbot Menschen aus dem Teufelskreis des Bettelns befreien kann. Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass bettelnden Menschen durch individuelle Anteilnahme neue Chancen eröffnet werden sollten.
Dafür sollten sie, nach Auffassung der Debattierenden, erst einmal von der Straße geholt werden. Erfreulich wertet Gerhard Spitz, dass „mitunter auch stille Schüler das Debattieren für sich entdecken.“ Dies ermöglicht eine stärkere und selbstbewusstere Teilnahme im Unterricht. Freie Ansprachen und ein ungezwungener Meinungsaustausch im Sinne des respektvollen Miteinanders fördern den Unterricht und bieten den Kindern und Jugendlichen beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft. Gerade aus diesen Gründen ist der Wettbewerb so wichtig. Im diesjährigen Regionalentscheid in der Altersstufe II debattierte sich Thomas Gantz auf Platz eins. Nina Ahlmann belegte Platz zwei. Die jeweils ersten beiden Platzierungen der beiden Altersklassen werden am 30. März im Taunusgymnasium ihr Debattiertalent im Landesvergleich noch einmal unter Beweis stellen. Gegen Ende der Veranstaltung gratulierte Ingo Meinikmann allen Teilnehmern und dankte den Schülern für ihr Engagement und Interesse. Auch lobte er die gute Zusammenarbeit zwischen den Schulen und Organisatoren, was ihn freudig auf den bevorstehenden Landesentscheid blicken lässt.
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