Königstein
(el) – Es war ein Neujahrsempfang der Königsteiner SPD, der diesmal in einem etwas anderen Gewand daherkam und nicht allein deswegen auf große Resonanz – auch bei den Mitgliedern der anderen im Stadtparlament vertretenen Fraktionen – stieß. Rund um einen in der Farbe Rot eingedeckten Stehtisch hatte SPD-Ortsvereinsvorsitzende Dr. Ilja-Kristin Seewald zwei weitere „Power-Frauen“ versammelt. Zu ihrer Rechten die evangelische Pfarrerin Katharina Stoodt-Neuschäfer der Immanuelgemeinde und zu ihrer Linken die Kreisbeigeordnete Katrin Hechler. „Es liegt an diesen beiden Personen, dass das Haus so voll ist“, stellte die SPD-Ortsvereinsvorsitzende bescheiden fest und das obwohl es in den Reihen der SPD durchaus Grund für Optimismus gibt: Nicht ohne Stolz darf man Nachwuchs aus den eigenen Reihen vermelden in Form der Jusos, die sich in Königstein neu gegründet haben und auch beim Empfang präsent waren.
Zuwanderung und Integration – vor diesem Hintergrund wollte man auch eine Diskussion mit den beiden Gastsprecherinnen einläuten, die den Blick auch auf die aktuelle Perspektive vor Ort lenken sollte. Denn Königstein steht am 9. Februar vor einer wichtigen Aufgabe: Es gilt, zusätzliche 25 Flüchtlinge in der Kurstadt aufzunehmen. In der jüngsten Vergangenheit war die Unterbringung der Neuankömmlinge immer wieder diskutiert worden. Sogar einen Aufruf nach Verfügungstellung von privatem Wohnraum hatte man bei der Stadt lanciert. Allerdings stellt sich die Wirklichkeit anders dar. Dieser Weg wird nicht gangbar sein, da unbezahlbar. Eine viel diskutierte Variante ist die Unterbringung Am Kaltenborn. Und bis dort ein Modulbau errichtet werden kann, wie es der Hochtaunuskreis bereits praktiziert, werden die neuen Flüchtlinge dann wohl auf dem ehemaligen Gasselink-Gelände untergebracht, auf jenem Areal, das als neues Betriebshofs-Domizil seit geraumer Zeit diskutiert wird und Pläne hierfür doch immer wieder nicht zur Realisierung und kamen, was letzten Endes zum großen Teil mit den städtischen Finanzen begründet werden dürfte.
Doch zurück zum Neujahrsempfang und dem sich daraus ergebenden Novum, eine spannende Diskussion, die auch viele ethische und philosophische Fragen aufwarf. Vor 14 Jahren habe sich bereits Alt-Bundespräsident Johannes Rau mit der Frage beschäftigt, wie Menschen unterschiedlicher Kulturen in Deutschland gemeinsam leben könnten. Seine Schlussfolgerung: Dazu bedürfe es einer gemeinsamen Vorstellung und klarer Grundwerte. Gedankengänge, die heute aktueller denn je erscheinen und Eingang in unsere „Willkommens-Kultur“ finden sollten, sagt Pfarrerin Stoodt-Neuschäfer, die dem Freundeskreis Asyl vorsitzt, der sich aus vielen engagierten Bürgern und auch städtischen Mitarbeitern zusammensetzt, um viele Aspekte rund um die Aufnahme der Flüchtlinge besser koordinieren zu können. Und genau aus dieser Erfahrung heraus, die bereits im Umgang mit den bereits über 20 in Königstein residierenden Asylbewerbern gemacht wurde, machte Stoodt-Neuschäfer bewusst einen Abstecher in das Deutschland der 70er-Jahre, als man viele Gastarbeiter, beispielsweise aus Italien, aufgenommen habe. Damals habe sie als junge Frau die Aufgabe gehabt, im Rahmen ihrer „Konfi-Freizeit“ diese Gastarbeiter zu interviewen. Und schon damals habe sie das zu Tage gefördert, was heute schnell mal über die Asyldebatte vergessen werde: Die Neuankömmlinge, denen noch mehr folgen würden, müssten vorrangig unter dem „Aspekt Mensch“ gesehen werden, die Heimat wollen und Nachbarn brauchen, die sie herzlich aufnehmen.
Um die Integration zu erleichtern, die ja auch in Königstein durch den Ausländerbeirat Königstein und dessen Vorsitzende Maryam Javaherian vorangetrieben wird, hat der Freundeskreis Asyl gute Erfahrungen mit dem „Mentorenprinzip“ gemacht. Auch Katrin Hechler hält viel von diesem Modell, das Ängste überwindet, die ersten Schritte in einem fremden Land allein gehen zu müssen. Die 13 Städte und Gemeinden im Hochtaunuskreis hätten bereits viele Menschen aufgenommen und es werden noch mehr. 1.000 Flüchtlinge leben derzeit im Kreis, zum Jahresende werden es doppelt so viele sein. Auf Königstein werden Ende 2015 etwa 150 Asylsuchende verteilt sein. Auch das sollte kein Problem sein, sagt die Kreisbeigeordnete zuversichtlich, denn so groß und unverhältnismäßig sei der neuerliche Zuwachs nicht. Schließlich liegt bereits jetzt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund im Hochtaunuskreis bei 15 Prozent. Dazu sollte man nicht alle Ängste auf die Flüchtlinge projizieren, so Hechler, die vor allem auch von viel Hilfsbereitschaft im Hochtaunuskreis berichten konnte. Und auch über einen weiteren Aspekt sollte man sich im Klaren sein: Diese Menschen suchen eine Heimat und für viele von ihnen wird Deutschland keine Zwischenstation bleiben, sie werden hier leben.
Die Aufnahme der Flüchtlinge muss natürlich auch finanziert werden und hier sind die Hilfen vom Land nicht gerade großzügig und das obwohl das Land die Hilfen um 15 Prozent erhöht habe. Aber bei einer Leistung von derzeit 7,70 Euro pro Person und Tag, um Dinge wie Warmwasser, Strom und Gesundheitskosten decken zu können, ist das wahrscheinlich eher der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, der hier nicht wirklich weiterhilft. Auch die soziale Betreuung gilt es zu bewerkstelligen.
Hier sei die Stadt Königstein, auch durch das Mitwirken des Freundeskreises Asyl, gut aufgestellt. Gibt es diesbezüglich Wünsche? Die vertrauensvolle Kommunikation in die Stadt hinein muss stimmen, da sind sich alle einig. Auf diese Weise können viele wichtige Kontakte aufgebaut und intensiviert werden. Im Grunde müsste es so etwas wie ein kommunales „rotes Telefon“ für die Asylbewerber geben, regte die Pfarrerin an, die angesichts der am 9. Februar zu erwartenden Neuankömmlinge interessierte Bürger dazu aufruft, sich als „Paten“ zu engagieren. Laut Horst-Günther Falkenhahn, der diese Aufgabe seitens des Freundeskreises Asyl koordiniert, würden vor allem noch Männer gesucht, die so etwas übernehmen könnten, da sich unter den Asylsuchenden neben Familien auch einige junge muslimische Männer befänden. Zwei bis drei Stunden in der Woche müssten diese „Lotsen in das Leben“ dafür aufwenden, damit der Sprung hinein in unsere Kultur ein wenig leichter wird. Dies ist vor allem auch vor dem Hintergrund des sozialen Gefälles im Hochtaunuskreis ein wichtiger Auftrag.
Um uns herum wird diskutiert, was noch verkraftbar in puncto Asylaufnahme ist. Muss befürchtet werden, dass im Hochtaunuskreis die Stimmung kippt? Pfarrerin Stoodt-Neuschäfer glaubt das nicht und setzt weiterhin auf das Patensystem vor Ort und Deutschunterricht als wichtige Faktoren für eine gelungene Integration. Ein weiterer wichtiger Punkt: Auch jene Menschen im Hochtaunuskreis, die sozial schwach seien, dürften über die Asylbewerber-Problematik nicht vergessen werden, sagt Hechler. Man dürfe den Blick auf alle nicht verlieren, das mache eine gute Sozialpolitik aus. Die Kreisbeigeordnete sieht in dem Ganzen auch eine Riesenchance, voneinander lernen und profitieren zu können und hat beobachtet, dass man hier vor allem von unseren Kindern lernen könne, die so etwas mitunter unverkrampfter und lockerer hinbekämen als wir selbst. Ängste müssten also abgebaut und nicht geschürt werden, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Menschen annehmen, die anders sind als man selbst. Darum geht es. Intoleranz könne nur dort wachsen, wo es nicht gelinge, Ängste und Vorurteile abzubauen. Eine erste, wichtige Anleitung hierzu ist in unserem Glauben verankert. Im Neuen Testament werde der christliche Wert aufgerufen, Fremde willkommen zu heißen. Und dafür gibt es bereits in Königstein viele positive Beispiele. So spielen seit Mitte des Jahres einige Asylbewerber Fußball in Schneidhain, sie halfen beim Königsteiner Burgfest mit und sind beim Burgfestumzug mitgelaufen.
Alle zu einem gemeinsamen Fest einzuladen, auch dies habe sich als hervorragender „Eisbrecher“ erwiesen, sagt die Pfarrerin. Auch ein „Asylcafé“ als Treffpunkt gebe es bereits. „Einiges klappt schon gut in Königstein, wir brauchen Akzeptanz“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Villmer und Freiherr Alexander von Bethmann (FDP) fasst zusammen: „Wichtig ist, was wir selber tun.“