Dein Stein für Nepal – Schüler bauen Schulen der Solidarität

Die Lehrer Thomas Brinkmann (li.) und Christine Bosch (re.) hoffen zusammen mit den Mitgliedern des Amguri Projektes setzen mit ihrer Aktion ein Zeichen, damit die Hilfe schnell im Erdbebengebiet ankommt. Foto: Kasper

Köngstein/Bhandar – Es ist erschütternd. 40 Schulen sind vom Erdbeben zerstört. Tausende Kinder in der Provinz Bhandar, im bergigen Nepal, können nicht mehr zur Schule gehen. Seit 25 Jahren sammeln Schüler, Lehrer und Freunde der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden, um den Kindern in dem armen Bergdistrikt Bhandar in Nepal die Möglichkeit zum Schulbesuch zu eröffnen. Sie veranstalten Basare, organisieren Sponsoren-Rallyes und schicken regelmäßig Teams ins Projektgebiet zur Begleitung und Ermutigung. Vor 25 Jahren gab es dort keine Schulen – nun gehen alle Kinder bis zur 5. Klasse in die Schule. Ein großer Erfolg. Mit Hilfe des Projektes ‚Kinder-von-Bhandar‘, nun ein Teil von Childaid Network, wurden 30 Schulen gebaut. Derzeit werden 40 Schulen mit über 6.000 Schülern und Schülerinnen gefördert. Doch das Erdbeben vom 25. April hat die meisten dieser Schulen so zerstört, dass an regulären Unterricht nicht mehr zu denken ist. „Das Erdbeben hat alles, wofür wir uns eingesetzt haben, platt gemacht“, meint Malte, Schüler der 7. Klasse der Helene-Lange-Schule, „wofür haben wir da gespart, wofür sind wir geradelt, wofür haben wir Sponsoren gesucht, hatte das alles keinen Sinn?“

Trotz aller Wut, Betroffenheit und Trauer, die 600 Schüler der Helene-Lange-Schule sind nicht in der Verzweiflung versunken. Sie legten ihr Taschengeld zusammen, sie fragten die Lehrer um Hilfe, sie organisierten einen Benefiztheaterabend. Innerhalb von wenigen Tagen kamen so fast 6.000 Euro zusammen. „Doch was sind 6.000 Euro, wenn ein Klassenraum 10.000 Euro kostet und mehr als hundert davon nun vom Erdbeben zerlegt wurden“, klagt Malte weiter. „Den ganzen Wiederaufbau können wir doch nie schaffen.“

Svenja Appuhn, die stellvertretende Vorsitzende des Kreisschülerrates im Hochtaunuskreis, hat diese Verzweiflung angerührt. Sie meint: „Es gibt 26.000 Schüler im Hochtaunuskreis. Wenn jeder einen Euro gibt, dann haben wir schon genug zusammen, um zwei bis drei Klassenräume zu bauen. Und vielleicht helfen die Lehrer und die Eltern ja auch mit.“ So entstand die Aktion „Dein Stein für Nepal“ als Solidaritätsaktion von Schülern für Schüler.

Die Idee ist einfach: Schülerinnen und Schüler der Schule verkaufen Spielzeugziegelsteine. Die Schüler spenden dafür, was sie sich vom Taschengeld leisten können, einen Euro oder auch mehr. Sie signieren den Stein. Und im Foyer der Schule entsteht mit all diesen Steinen eine Schule der Solidarität. Klein, aber ein starkes Signal: „Wir lassen uns von den Naturgewalten den Schneid nicht abkaufen“, so Svenja, aktiv und engagiert. Ihr nimmt man ab, dass sie sich nicht so leicht unterbuttern lässt – und tatsächlich: sie verbreitete diese Idee im ganzen Kreis und viele Schulen machen mit.

Als erste von zehn Schulen des Hochtaunuskreises hat das Taunusgymnasium Königstein, genauer das Amguri-Projekt des Taunusgymnasiums, eine Entwicklungshilfe-AG der Schule, die Spendenaktion „Dein Stein für Nepal” aufgegriffen. Sie entwarfen Plakate. Sie verhandelten mit der Schulleitung. Sie bestellten die Steine. Sie mobilisierten die Presse, den Rundfunk und fragten auch beim Fernsehen an.

Am Tag der Aktion wurden die Eltern und Schüler morgens vom Hessischen Rundfunk auf den Tag eingestimmt. Während die Elterntaxis sich durch den morgendlichen Stau quälten, stellte Hr1-Reporter Aydogan Makasci die kreative Aktion allen Zuhörern in Hessen vor. Das motivierte. Als dann 20 Schülerinnen und Schüler mit den kleinen Ziegelsteinen durch alle Klassen zogen, bekamen sie eine sehr positive Resonanz. Fast jeder der 1.200 Schüler und Schülerinnen der Schule machte mit. Alle waren bereit, sich zu engagieren, um den Grundstock für den Wiederaufbau einer Patenschule in Nepal zu schaffen. Natürlich unterstützte auch das Lehrerkollegium die Aktion großzügig. Die Bausteine in Spielzeuggröße wurden für einen Mindestpreis von 1 Euro angeboten – doch die allermeisten spendeten deutlich mehr. Schnell füllten sich die Spendendosen. Eine Klasse spendete fast 200 Euro, und insgesamt kamen schon am ersten Tag mehr als 3.300 Euro zusammen. Inzwischen hat sich der Betrag auf über 4.000 Euro erhöht.

Etwas holpriger war der Bau der ‚Schule der Solidarität‘ aus den Steinen im Foyer. Das Bauteam war dem Ansturm der vielen Steinespender kaum gewachsen, und so musste die Bauzeit um einen Tag verlängert werden, damit alle persönlich signierten Steine auch einen guten Platz im Mauerwerk der Schule der Solidarität finden konnten. Es brauchte ein wenig Übung, um die Mauern auch stabil zu errichten – schließlich sollte das Gebäude ja auch „erdbebensicher“ werden. Eine Gruppe von vier Schülerinnen übte sich darin, den Mörtel anzurühren und entwickelte schrittweise gute Fähigkeiten.. „Habt ihr denn keinen Unterricht?“, fragte sie Dr. Martin Kasper von der Stiftung Childaid Network, als er das Bauwerk fotografisch dokumentieren wollte. „Doch, aber man muss die richtigen Prioritäten setzen“, war die verblüffende Antwort „wir wollen, dass auch die Schüler und Schülerinnen in Nepal bald wieder Unterricht haben können“, meinte Josephine stellvertretend für das Bauteam.

Innerhalb von zwei Tagen entstand so ein Zeichen der Solidarität, das nicht nur das Team im fernen Nepal ermutigte, sondern auch in der Schule viel Begeisterung auslöste. „Ich freue mich sehr, dass sich Schüler und Lehrerkollegen von der Not der Schüler in Nepal haben anrühren lassen“, meinte Thomas Brinkmann, der verantwortliche Lehrer der Amguri AG.

Und Christine Bosch, seine Kollegin, betonte, dass sie selten so viel Engagement und Breitenwirkung bei einer recht spontanen Schüleraktion erlebt habe. Svenja Appuhn denkt gleich weiter: „Ich bin sicher, dass der Erfolg ein großer Ansporn für andere an der Aktion teilnehmende Schulen ist. Wir wünschen uns, dass noch viele weitere Schulen sich entscheiden, die Aktion auch an der eigenen Schule umzusetzen.”

Malte war beeindruckt, aber immer noch nicht überzeugt. „Ist das nicht alles ein Tropfen auf den heißen Stein? Und was ist, wenn das nächste Erdbeben kommt?“ Dr. Martin Kasper, ehrenamtlicher Vorstand von Childaid Network, versucht ihn umzustimmen: „Die Hilfsbereitschaft für Nepal ist überwältigend. In nur einer Woche haben wir bei Childaid Network mit euren Aktionen und den Spenden von vielen über 100.000 Euro eingesammelt. Das ist großartig. Im Vergleich zu den Herausforderungen des Wiederaufbaus erscheint das immer noch gering. Doch wir setzen darauf, dass unsere Spendenfonds von der Regierung in Deutschland vervierfacht werden und wir auch von den internationalen Fonds in Nepal zusätzliche Beiträge gewinnen können. Damit kann der Wiederaufbau gelingen. Unser Ziel ist es, in den nächsten zwei bis drei Jahren alle Schulen zu reparieren oder erdbebensicher neu aufzubauen.“ „Cool“ meint daraufhin Malte, „dann hat sich unser Einsatz ja doch gelohnt.“



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