Weihnachten, wie es früher einmal war…

Der Weihnachtsbogen, von Ernst Roos aus Falkenstein hergestellt, stellt den eigentlichen Sinn des Christenfestes in den Vordergrund. Foto: Scholl

Königstein (gs) – Weihnachten und der Heilige Abend stehen bevor, wir bemühen uns, für unsere Lieben die richtigen Geschenke zu finden, machen uns Gedanken um das Fünf-Gänge-Weihnachts-Menü und wie wir es wohl schaffen, das Krippenspiel des Juniors im Zeitplan unterzubringen. Wenn wir die Generation unserer Großeltern und Eltern fragen, wie Weihnachten eigentlich früher einmal war, dann begegnet uns oft der Ausruf „viel ruhiger und besinnlicher“. Diese spontane Aussage beinhaltet oft eine große Wehmut, als ob uns in ihren Augen etwas verloren gegangen wäre. Es stellt sich nun natürlich die Frage: „Haben wir tatsächlich etwas ‚verloren‘?“

Blicken wir zurück auf die Jahre 1930 bis 1945. Königstein war damals auch schon eine kleine Stadt, mit vielen inhabergeführten Geschäften und einem regen Stadtleben. Die heutigen Ortsteile jedoch waren eher landwirtschaftlich geprägt. Damals wohnte die gesamte Familie unter einem Dach und viele waren Selbstversorger. Alle halfen in der Landwirtschaft mit, was bedeutete, dass dort auch im Winter Tiere versorgt und z.B. gefüttert oder gemolken werden mussten. Jeder, auch die Kinder, hatte seine Aufgabe und es blieb nicht viel Zeit und Muße, um sich im Vorfeld über Weihnachten Gedanken zu machen.

Großeltern erinnern sich an Weihnachten in früherer Zeit eher als ein unspektakuläres, aber nicht weniger schönes Fest. Am Weihnachtstag wurde die gute Stube am Morgen abgeschlossen und Erwachsene schmückten den Weihnachtsbaum am Tag vor Weihnachten. Die Mutter und Oma werkelten in der Küche, um Plätzchen und Kuchen zu backen und natürlich einen saftigen Weihnachtsbraten im Ofen zu schmoren. Der Tag war betriebsam und erst am Abend kam die Familie zu Ruhe, um den Heiligen Abend im Kreis der Familie zu feiern. Von dem Moment, an dem Ruhe im Haus einkehrte, fing für die Kinder der Weihnachtsabend an. Dieser Abend ist es, an den sich ältere Semester liebevoll erinnern. Der Abend begann traditionell mit dem Kirchgang, der die Menschen auf einen besinnlichen Abend einstimmte. Wieder in die warme Stube heimgekehrt, setzte sich die Familie zum Essen gemeinsam an den großen Tisch und freute sich über ein Weihnachtsessen, das, gemessen an den damaligen Verhältnissen, auch meistens ein besonders „gutes“ war.

Es gab einen schönen Braten und oft hausgemachte Klöße, auf die sich die Kinder besonders freuten. Mit jeder Minute stieg die Spannung bei den Kindern und nach dem Essen warteten sie sehnsüchtig auf das Klingeln des Weihnachtsglöckchens, um dann mit erwartungsvollem Blick das Wohnzimmer betreten zu dürfen. Der erstmalige Anblick des liebevoll mit Kerzen, Strohsternen oder Kugeln und manchmal mit Lametta geschmückten, glänzenden Weihnachtsbaumes war ein Moment, der vielen älteren Menschen auch heute noch als Erstes in Erinnerung kommt, fragt man sie nach ihren Eindrücken vom Weihnachtsabend. Der Glanz der Kerzen, der Duft von Plätzchen und Tannengrün haben sich tief in den Erinnerungen ihren Platz erhalten. Natürlich bekamen die Kinder auch Geschenke, jedoch waren diese eher nützlicher Natur. Auf dem Gabentisch lagen Kleider, Jacken und auch einmal neue Winterschuhe oder ein schönes Mäntelchen. Spielzeug bekamen die Kinder auch, jedoch war es nicht immer neu. Vielmehr wurden Kaufläden mit neuen Waren oder Puppenstuben mit neuen Möbeln bestückt oder die Puppen (die seltsamerweise im Oktober verschwanden) bekamen neue Kleider. Weihnachten war ein Fest der ganzen Familie.

Der Heilige Abend vermittelte den Menschen Ruhe, Geborgenheit und Wärme. Der Weihnachtsabend verlief damals unaufgeregt und sehr harmonisch. Im Kreis der Familie wurden Weihnachtslieder gesungen und die Kinder waren dazu angehalten, ein Weihnachtsgedicht aufzusagen. Die Menschen hofften, an diesem besonderen Abend das zu finden, was ihnen im Alltag sonst fehlte: Ruhige Stunden im Kreis der Familie. Bedingt durch ihr arbeitsames Leben hatten sie damals nicht viele Möglichkeiten, in Ruhe zusammenzukommen und sich auszutauschen. Für die Kinder stand in der Winterzeit ohnehin das Schlittenfahren – denn damals gab es noch sehr viel Schnee – im Vordergrund. Mit dem Schlitten von Fuchstanz bis zum Schönblick in Falkenstein rodeln zu können, war natürlich ein Erlebnis, auf das sich die Kinder das ganze Jahr freuten. An den Weihnachtsfesten änderte sich auch während der Kriegsjahre nicht sehr viel. Bedauert wurde von den Kindern jedoch die nächtliche Verdunkelung, die dem Weihnachtsabend seinen Charme nahm. Vorher konnten die Kinder, wenn sie von der Kirche nach Hause gingen, in die Wohnzimmer der Menschen blicken und einen Blick auf den leuchtenden Weihnachtsbaum „erhaschen“. Nun war bei Verdunkelung alles zugezogen und die Straßen lagen finster da. Da Königstein durch die Kriegshandlungen nicht direkt betroffen war, gab es auch während der Kriegsjahre durchaus ein Weihnachtsessen, was jedoch ein bisschen „magerer“ ausfiel, da man Lebensmittel zur Versorgung der Mitbürger abzugeben hatte. Die Familien saßen leider nicht vollständig am Weihnachtstisch, da Väter und Brüder teilweise zum Kriegsdienst eingezogen worden waren und nicht bei ihrer Familie sein konnten. Der Gedanke an die Lieben an der Kriegsfront drückte die Weihnachtsfreuden natürlich und die Erinnerungen an diese Jahre sind weniger glücklich. Aber Kinder empfinden diese Veränderungen oft weniger traurig und somit freuten sie sich sehr über die wenigen Gaben, die trotzdem auf dem Weihnachtstisch lagen. Nun waren die wenigen daheim gebliebenen Väter oder Großväter gefragt, die angesichts fehlender käuflicher Waren selbst zu den Handwerkzeugen griffen und nützliche Sachen, aber auch Spielsachen, für ihre Kinder selbst herstellten. Für die Kinder war am Heiligen Abend die Freude umso größer, beschenkt zu werden und manches selbst gedrechselte Spielpferdchen oder selbst genähte Puppenkleid – manchmal aus altem Gardinenstoff – ist auch heute noch erhalten. Mit den Nachkriegsjahren, als mit dem Wiederaufbau langsam wieder Wohlstand in den meisten Teilen Deutschlands einzog, änderten sich auch die Feierlichkeiten zu den Weihnachtstagen. Der zunehmende materielle Wohlstand und die Sicherheit weckten in den Menschen den Wunsch, das Leben nach all den entbehrungsreichen Jahren zu genießen. Wenn wir Babyboomer nun an unsere Kindertage zurückdenken, rücken in unseren Erinnerungen meistens die Geschenke in den Vordergrund. Auf Fotos stehen wir, hübsch angezogen vor einem wunderbar leuchtenden Weihnachtsbaum und freuten uns über die zahlreichen Geschenke, die unter dem Baum lagen. Es gab (neue) Puppenstuben, Rennbahnen, Puppenwagen, große Spielzeugautos, Spiele, Bücher, Fahrräder, usw. Mit dieser Generation wurde Weihnachten sehr viel farbiger und auch kommerzieller. Waren auch die Großeltern noch oft am Heiligen Abend gemeinsam mit der Familie zusammen, so trat doch mehr und mehr die Gemütlichkeit, Ruhe und Besinnlichkeit in den Hintergrund. Im Vordergrund stand nun eine „Weihnachtsfeier“, denn „man konnte es sich ja leisten“.

Manche Traditionen blieben jedoch trotzdem bestehen.

Nicht fehlen durfte der „bunte Teller“. Jener mit Weihnachtsmotiven bedruckte, sternförmige Pappteller, der schon früher mit Nüssen, Äpfeln und Keksen bestückt wurde. Nun wurde er gefüllt mit Keksen, Fondant-Sternen, Geleefrüchten, kleinen Schoko- nikoläusen, Äpfeln, Nüssen und Mandarinen. Wir alle denken sicher gerne an diese alte Tradition zurück und der eine oder andere unter uns gibt sie vielleicht an seine Kinder weiter.

Eine relativ neue Tradition ist übrigens der Adventskranz. Wenn sie ihre Großeltern fragen, werden sie sich nicht daran erinnern können, dass ein Adventskranz im Zimmer stand. Früher gab es sie, wenn überhaupt, nur in den Kirchen. Erst in der Nachkriegszeit fanden sich die ersten Adventskränze auch in den heimischen Stuben. Eigentlich handelt es sich hier um eine Winter- und weniger um eine Weihnachtstradition. Die Menschen begannen, sich auch für die Adventszeit ein festlich geschmücktes Zuhause zu wünschen, wobei der Adventskranz seinen Platz in den Wohnzimmern fand.

Aus dem besinnlichen Familienabend zur Heiligen Nacht wurde also im Laufe der Jahre eine Weihnachtsfeier, die uns heute Tage und Wochen vorher beschäftigt. Vielleicht kann man unter Berücksichtigung dieser Entwicklung verstehen, was unseren Großeltern und Eltern heute fehlt, wenn sie an die Weihnachten „früher“ denken. Ein besonderer Dank gilt Martha Bastian und Maria Roos, deren Erinnerungen diesen Artikel erst möglich machten.



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