Halloween-Auftakt: Auf der Burg tanzen die Monster – Die Stadt schläft ruhig

Toller Anblick: So sieht die Burg an den Halloween-Eventtagen aus. Foto: Wolfgang Riedel

Königstein (kw) – Freitagabend in Königstein, kurz vor halb sieben. Die Dämmerung bricht langsam über die Burgstadt hinein. Und es ist verdammt ruhig, fast schon menschenleer in der Stadtmitte rund um die Gerhard-Pingler-Straße, freie Parkplätze sind auf den ersten Blick zu sehen. Ein normaler Freitagabend in den Herbstferien eben. Doch irgendwas ist anders: Die Burgruine ist in Blau, Lila und Rot getaucht, Nebelschwaden sorgen für einen doppelten Effekt der Beleuchtung und lassen ein Bild entstehen, das man so nicht kennt von Königsteins Wahrzeichen.

Es verschafft sofort einen völlig anderen Eindruck, als man es von der neuen Heimat der Finsternis erwartet hätte. Denn das ist der Werbeslogan der Macher des Frankenstein Halloween-Festivals, das in wenigen Minuten seine Premiere feiern wird: „The new home of darkness“. Gerade an dieser martialischen Werbesprache – die natürlich die durchaus weltumspannende Halloween-Community erreichen soll – hatten sich die Diskussionen in Königstein um das Für und Wider dieses Events in der beschaulichen Kurstadt entzündet.

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das zeigt sich in der Stadt – und wird sich auch später im Zentrum der Finsternis auf der Burg bewahrheiten. Die zum Teil monstermäßig daherkommenden Gäste – Verkleiden gehört an Halloween dazu –, die aus den ersten Pendelbussen in der Adelheidstraße aussteigen, werden von den Ordnern fast unsichtbar in den Kurpark dirigiert, wo der erste – und einzige – Merchandise-Stand aufgebaut ist. Von Lärm und Chaos ist keine Spur, das Verkehrskonzept der Halloween Veranstaltung GmbH mit Park&Ride vom Waldparkplatz des Opel-Zoos (sonntags Procter&Gamble) ist fürs Erste aufgegangen, was sich auch an den beiden kommenden Tagen des Auftaktwochenendes bestätigen wird.

Allerdings, diese Zahl nennt Organisator Ralph Eberhardt später auf der Burg, sind an diesem ersten Abend auch nur rund 1.000 Halloween-Fans zur Premiere gekommen, etwas weniger als erwartet und deutlich weniger als auf Burg Frankenstein, wo es zum eher schwachen Auftakt im vergangenen Jahr rund 1.600 gewesen sind. Die Zahl wird Königstein einen Tag später erreichen, bei Kinder-Halloween am Sonntag sind es nochmal knapp 1.400 Gäste. Bis zu 2.200 wären möglich je Veranstaltungstag, der kommende Samstag dürfte die erste ausverkaufte Veranstaltung werden. „Wir sind damit sehr zufrieden. Es wäre auch vermessen gewesen, die Zahlen von Frankenstein anzulegen“, sagt Eberhardt. Und: „Wir müssen jetzt die Limburger abholen, die Bensheimer kommen nicht mehr.“ Stolz ist er, dass er dafür schon Gäste aus Australien und Kanada begrüßen durfte und dass auch Königsteiner Unterkünfte wie das Hotel Königshof und das Kohnstamm bereits Halloween-Besucher beherbergen konnten.

Unter den ersten Gästen sind aber auch Rheingauer: Heike und Marcel Dengler aus Eltville sind seit den 1990er Jahren treue Besucher von Frankenstein Halloween im Odenwald und jetzt „sehr gespannt, wie es auf Burg Königstein aussieht“. Er wurde ob seiner stattlichen Körpergröße Marcel wurde ob seiner stattlichen Körpergröße fast schon einmal vom Veranstalter als Frankenstein gecastet, Heike erzählt, dass sie den Töchtern das Klingeln an fremden Haustüren an Halloween sogar verboten hat. Und sie sind mittleren Alters – und fallen damit überhaupt nicht aus der Reihe. Die Altersspanne der Besucher liegt gut verteilt zwischen 18 und mindestens 60 Jahren, die Faszination des Sich-Gruselns und für Filmgestalten wie Freddy Krüger, Pennywise, Hellraiser, Frankenstein oder allgemein für Vampire ist eben zeitlos und sprengt Altersgrenzen. Typische junge Party-People, die beim Burgfest längst dominieren, sind bei Eintrittspreisen von mindestens 40 Euro ohnehin nicht die Halloween-Zielgruppe.

Und dann geht es hinein in das sagenumwobene Halloween-Monsterspektakel. Wobei man sich auch ohne den direkten Monsterkontakt bestens unterhalten kann. Denn die große Festwiese ist „monsterfrei“, wie es heißt – Vampire, Werwölfe und Zombies sind nur beim spektakulären Intro um 19 Uhr auf der Videowand zu sehen. Show-Tänze zu „Thriller“, „Das Monster lebt“ oder der Puppentanz wechseln sich auf der Bühne ab, geben einen Vorgeschmack auf die Maskierungen und Kostüme; ansonsten lässt man sich hier Würste im Brötchen, Pulled-Pork-Burger oder auch überbackene Brote schmecken oder schaut beim Schmuckdesigner vorbei, der Ketten und Ringe im thematisch passenden Design anbietet. Die Verpflegung samt Rundum-Versorgung im VIP-Zelt stemmt der Veranstalter am neuen Standort nicht mehr selbst, sondern hat sie erstmals in die Hände von zwei professionellen Catering-Unternehmen gegeben, was sich auch an den Preisen ein Stück weit abbildet. Ein Großteil des Magistrats der Stadt Königstein hat es sich hier zunächst einmal gemütlich gemacht – natürlich will man sich ein Bild vom neuen Event auf der Burg machen, das gekommen ist, um bis zu fünf Jahre zu bleiben, was aber noch unter einem Vorbehalt seitens der Politik steht. Bis hierher sei es „ wenig gruselig“, lautet das erste Urteil, das aber noch vor dem Aufstieg in den oberen Teil der Burg, in die „Scarezones“, nur ein vorläufiges sein kann.

Erschrecken ja, Horror nein

Dort halten sich rund 115 Monsterdarsteller auf, die es darauf abgesehen haben, auf unterschiedliche Art die Nerven der Besucher zu testen – ob durch tiefe Blicke in die Augen, durch langsame Annäherung, die in einem Moment des Erschreckens kulminiert, oder auch durch spontane, überfallartige „Attacken“. Die Hexen und Clowns, die in Horrorfilmen ja ihre besondere Bedeutung haben, sind zur Eingewöhnung noch eher zurückhaltende Geschöpfe; hier bleibt Zeit für Selfies und Fotos mit Masken mit viel Kunstblut und geschwungenen Äxten. Aber schon im Wald der Werwölfe sollte man sich vorsehen. Die Gestaltwandler kommen aus dem Verborgenen und greifen ihren „Opfern“ auch mal von hinten in die Haare. Wohl dem, dessen Frisur an diesem Abend sitzt! Richtig körperlich wird es bei den Vogelscheuchen: Sie ziehen mehr oder minder Freiwillige auch mal zu Boden und bewerfen sie mit Stroh. Das Lachen zeigt aber, dass es genau das ist, worauf sich die Kenner eingestellt haben. Man erlebt hier mehr eine Grusel-Gaudi als echten Horror. Und immer wieder lassen die beiden Kettensägenmänner mit ihren blutrünstigen Gesichtern die Sägen aufkreischen und scheuchen mit ihren – natürlich arretierten – Sägeblättern die Menschen vor sich her.

Nicht einfach ist es, dem Blick der Vampire standzuhalten, die in der Schlossküche ihr eigenes „Festmahl“ zubereiten und ihre Opfer quasi willenlos machen. In den von Burg Frankenstein berühmt-berüchtigten Sarg wird aber nur derjenige gelegt, der hierfür auch freiwillig über die Absperrung steigt. Und gut, dass alle mit einem Lachen der Todesfalle entkommen. „Es war cool“, sagt der 19-jährige Jannik aus Oberursel. Aber die Hammerschläge, die das Zunageln des Sargs darstellen, seien im Inneren schon heftig laut gewesen.

Cool für Fans sind auch die Kreaturen im oberen Burghof. Beeindruckend der Teufel mit seinen imposanten Hörnern, der Krampus in seinem Fellkostüm und den scharfen Krallen oder auch die blutverschmierten Gruselpuppen im Dollhouse – nicht alle Puppen eignen sich zum Spielen ...

Nach einer Runde durch die Burg überwiegen die begeisterten Stimmen eindeutig. „Es ist alles toll aufgebaut, wir haben die Burg, die wir vom Mittelaltermarkt eigentlich gut kennen, kaum wiedererkannt“, sagt Julia aus einer Idsteiner Gruppe. Obwohl sie perfekt geschminkt und von den echten Monstern kaum zu unterscheiden ist, sind sie und ihre vier Begleiter Halloween-Neulinge: „Wir sind zum ersten Mal bei der Veranstaltung. Wir haben so gehofft, dass es hierherkommt“, sagt Julia. „Nur meine Strumpfhose ist bei einer Verfolgungsjagd ein wenig ruiniert worden“, lacht ihre Freundin Charlotte. Aber ein bisschen Schwund ist einkalkuliert, das gehört bei einem Vollkontakt-Theater wie Halloween dazu und mindert auch nicht den Spaß.

Vor allem werden viele Besucher davon berichten, dass sie in Königstein und auf der Burg eine gute Zeit verbracht haben. Und das ist schon mal Positivwerbung, zumal die Stadt und die Veranstalter bislang Wort gehalten haben, dass Halloween eine leise und sichere Veranstaltung ist, von der man fast nichts mitbekommt, wenn man sich doch nicht auf die Burg getraut hat …

Erstes Fazit

Auch bei Feuerwehr, Polizei und den Rettungsdiensten sei alles ohne Vorkommnisse verlaufen, fasste Eberhardt das erste Wochenende zusammen. Die Wehr zeigte sich begeistert über die stabile Treppe, die vom Burghof hinab auf die Wiese führte. Eine klare Verbesserung gegenüber den anderen Festen auf der Burg. Die Lärmmessungen mit der Feuerwehr in der Kugelherrnstraße in der Altstadt blieben zu unterschiedlichen Zeiten jeweils unter den Grenzwerten. Erste Verbesserungen bei der Wegführung von der Villa Borgnis zur Burg, die für Ortsfremde nicht einfach ist, wurden bereits am zweiten Tag mit weiteren Hinweisschildern vorgenommen. „Wir sind zu 90 Prozent zufrieden, es gibt nur noch Kleinigkeiten, die wir ändern werden“. Ab der kommenden Woche soll es dann auch wieder Waffeln geben, die auf Frankenstein nie gegangen seien, aber insbesondere bei der Kinder-Halloween-Veranstaltung am Sonntag stark nachgefragt waren. Apropos Kinder: Da es am Sonntag doch vermehrt Kritik von Eltern und die einzige bei der Stadt Königstein vorliegende offizielle Beschwerde gab, dass die (nachmittags wesentlich braveren) Monster und die Dekoration unter anderem mit abgetrennten Köpfen für die Altersempfehlung ab sechs Jahren grenzwertig seien, kommentierte Eberhardt: „Ich kann nur empfehlen, vorher unsere Videos auf Facebook anzuschauen. Das müssen die Eltern selbst einschätzen können, was ihre Kinder vertragen und was nicht.“

Einen Coup wird er am Sonntag landen, wenn er zum Abschluss des zweiten der drei Halloween-Wochenenden zwei Schecks über je 666 Euro überreichen wird. Der erste geht an den Opel-Zoo als Dank für die Parkplätze, der zweite in Form von Fledermaus-Patenschaften des BUND an die Mitglieder des Magistrats. Halloween kann auch Naturschutz – so schnell kann man den Spieß umdrehen.

Karten bei der KuSi

Ein Tipp für potenzielle Besucher: Wer in Königstein wohnt, der sollte sich seine Karten besser bei der Kur- und Stadtinformation im Kurpark besorgen als über das Ticket-Portal, denn dann bleiben die Vorverkaufsgebühren der Stadt erhalten. Übrigens wurden bis vergangenen Freitag bereits 277 Karten bei der KuSi verkauft, wusste Eberhardt zu berichten.

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