„Haus der Länder“ mit Plakette„Ort der Demokratiegeschichte“ ausgezeichnet

Königstein (gs) – Die Villa Rothschild wurde am Ende des 19. Jahrhunderts als Sommerresidenz der Bankiersfamilie Rothschild erbaut. Die Nationalsozialisten entzogen später der jüdischen Familie das Eigentum - in den Nachkriegsjahren 1948 und 1949 diente das Gebäude als Tagungshaus von Gremien des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Bizone) und der westdeutschen Ministerpräsidenten. Aus dieser Zeit stammt auch die Bezeichnung des Gebäudes als „Haus der Länder“. Im Zweiten Weltkrieg unversehrt geblieben, übernahm das Land Hessen die Villa und nutzte sie während der Sitzungszeit als Tagungshaus, weswegen viele der grundlegenden Entscheidungen für das spätere Grundgesetz in Königstein vorbereitet wurden – aus diesem Grund gilt die Villa Rothschild auch als „Wiege des Grundgesetzes“. Seit den frühen 1950er Jahren wird das in einem wunderschönen Park gelegene Haus mit seinen Konferenzräumen als exklusives Hotel genutzt – nach einer zwischenzeitlichen Umbenennung in „Sonnenhof“ trägt das Haus erst seit 2007 wieder seinen ursprünglichen Namen „Villa Rothschild“.

Das Projekt

Am vergangenen Donnerstag wurde das geschichtsträchtige Haus mit der Plakette „Ort der Demokratiegeschichte“ ausgezeichnet. Die Plakette wird deutschlandweit von der Arbeitsgemeinschaft (AG) „Orte der Demokratiegeschichte“ verliehen und bezeichnet Orte, an denen sich die „Geschichte kristallisiert“ – wozu nun auch die Villa Rothschild zu zählen ist. Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist es, die Wahrnehmung der deutschen Demokratie- und Freiheitsgeschichte lokal, regional und deutschlandweit zu fördern und auf diesem Weg demokratische Teilhabe und Zivilcourage anzuregen.

Seit 2020 ist die Stadt Königstein Mitglied in dem Projekt, welches von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien finanziert wird. Mit der Durchführung ist die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte in Weimar und Mainz betraut.

Königstein: Ort der Demokratiegeschichte

In Königstein wurden in den Jahren nach Beendigung des zweiten Weltkrieges entscheidende Weichen zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland gestellt. In der Villa Rothschild, dem damaligen Haus der Länder, fand am 24. März 1949 eine bedeutende Konferenz der elf Ministerpräsidenten der Westzonen und unter Teilnahme von Ernst Reuter als Berliner Bürgermeister zur Verabschiedung des Grundgesetzes statt. Damit jedoch nicht genug der Geschichte: auch der ebenfalls in der Villa Rothschild verabschiedete „Königsteiner Schlüssel“ hat bis heute weitreichende Konsequenzen für das föderale System der Bundesrepublik. Er regelt die Kostenverteilung zwischen dem Bund und den Ländern bei gemeinsamen Finanzierungsprojekten und trägt bis heute den Titel der Stadt.

Verleihung der Plakette

Die Verleihung der Plakette fand im Vorfeld einer Veranstaltung der Montagsgesellschaft aus Frankfurt statt, die sich der Pflege des „Bürgerdialogs“ verschrieben hat und ihre Gäste gerne an diesem geschichtsträchtigen Ort zum Dialog bittet. Vor den ehrwürdigen Türen der Villa Rothschild trafen sich am vergangenen Donnerstag Bürgermeister Leonhard Helm. Dr. Stefan Söhngen (Pressesprecher der Montagsgesellschaft), Torsten Kunze, hessischer Generalstaatsanwalt und Dirk Schäfer (General Manager Falkenstein Grand und Villa Rothschild), um der Übergabe der Plakette den gebührenden Rahmen zu verleihen.

Dr. Stefan Söhngen merkte im Rahmen der Verleihung an, dass die Auszeichnung der Villa Rothschild zu einem „Ort der Demokratiegeschichte“ einen hohen Stellenwert besitze und zukünftig die Historie des Hauses sichtbarer machen werde. Auch Generalstaatsanwalt Torsten Kunze zeigte sich erfreut über die Ehrung, die dem Gebäude zuteil werde. An diesem Ort, so führte er aus, sei Geschichte geschrieben worden, die nun stärker in den Fokus der Stadt rücken werde. Bürgermeister Leonhard Helm bestätigte, dass das Thema „Demokratiegeschichte“ seit vielen Jahren ein Thema in Königstein sei und man aus diesem Grund auch Mitglied des Vereins „Orte der Demokratiegeschichte“ geworden sei. Dass sich die Stadt dem Demokratiegedanken verpflichtet fühle, werde auch an der Verleihung des Eugen Kogon-Preises deutlich, der seit 2002 jährlich vergeben werde. Die Stadt, so Helm weiter, fühle sich ihrem demokratischen Erbe verpflichtet, was nun auch an der Verleihung der Plakette sichtbar werde. Dirk Schäfer zeigte sich stolz über die Auszeichnung des Hauses und merkte an, dass er überzeugt sei, dass die Villa Rothschild die Würdigung, die mit der Verleihung der Plakette einhergeht, ganz sicher verdient habe.

Demokratiegeschichte erlebbar machen

Die bei der Verleihung der Plakette erstellten Bild und Tonaufnahmen werden Eingang in ein Projekt finden, das deutschlandweit die „Orte der Demokratiegeschichte“ verzeichnet und medial vernetzt. Anlässlich des 175jährigen Geburtstages der Paulskirche in Frankfurt am Main wurde das Projekt geboren, die Demokratiegeschichte Deutschlands in einer Dauerausstellung medial zu präsentieren und in diesem Zusammenhang den Bürgerinnen und Bürgern einen Besuch derjenigen ausgezeichneten Orte zu ermöglichen, die ihr besonderes Interesse geweckt haben. Im Rahmen dieses Gesamtprojektes wird auch Königstein mit der Villa Rothschild künftig vertreten sein. „Die Orte mit Demokratiegeschichte werden sich verbinden und Königstein wird zukünftig ein Teil der Planungen zu diesem umfangreichen Projekt sein“, freut sich Stadtarchivarin Dr. Alexandra König, die ebenfalls an der Verleihung der Plakette teilnahm. „Das Projekt soll die Orte, die aktuell auf einer virtuellen Landkarte verzeichnet sind, mit der Realität verknüpfen, um Demokratiegeschichte erlebbarer zu machen.“

Für die Villa Rothschild bedeutet dies, dass zukünftig direkt neben dem Eingang zum Hotel die Plakette die Aufmerksamkeit der Gäste und Besucher auf sich ziehen und daran erinnern wird, dass in diesem Haus 1948 und 1949 die Weichen zur Demokratisierung Deutschlands nach dem Krieg gestellt wurden.

Torsten Kunze (Hessischer Generalstaatsanwalt) (2.v.links) überreichte die Plakette an Bürgermeister Leonhard Helm (2. v. rechts) und Dirk Schäfer (General Manager Falkenstein Grand und Villa Rothschild) (rechts). Dr. Stefan Söhngen (Montagsgesellschaft) (links) würdigte die Demokratiegeschichte der Villa Rothschild.Foto: Scholl

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