Helme klirrten, Schwerter sangen: Ritterturnier entführt Königstein ins Mittelalter

Auf dem Ritterturnier wurde an zwei Tagen gekämpft, gefeiert, getrunken und zwischendurch das „Werkzeug“ geschärft, damit die Kämpfe weitergehen konnten.Fotos: Natalie Diehl

Königstein (nd) – Am vergangenen Samstag und Sonntag fand auf der Burgruine Königstein wieder das beliebte Ritterturnier statt, und das bereits zum 25. Mal. Der Mittelaltermarkt, der von den „Rittern von Königstein“ ausgerichtet wird, ist mittlerweile weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und hat sich zu einem wahren Publikumsmagneten entwickelt. Bereits am Samstag waren Hunderte von Besuchern zur Burgruine gepilgert, um der historischen Veranstaltung beizuwohnen. Nachmittags musste die Burg aufgrund des Gewitters, das durch ganz Hessen zog, kurzfristig geräumt werden. Nachdem es rund eine Stunde in Strömen geregnet hatte, wurde weitergefeiert.

Württemberger Ritter seit 21 Jahren dabei

Natürlich durfte sowohl samstags als auch sonntags das eigentliche Turnier nicht fehlen. Angeführt von den Spielleuten der Band „Tarranis“ marschierten der Vorstand der Ritter von Königstein und das Burgfräulein, Ihre Lieblichkeit Málva I., feierlich ein. Perfekt gewandet waren natürlich auch die 1. Vorsitzende der Ritter, Doris Süßbrich, und die 2. Vorsitzende, Anke Dyhringer. Nun konnte es auf der Unteren Festwiese rundgehen. Die Württemberger Ritter gaben sich, bereits zum 21. Mal, die Ehre und präsentierten ihr „Turney“. Nach Raufereien des Fußvolkes traten die Ritter Eberhard von Württemberg, Sigmund von Ottenburg, Anselm von Justingen und Philipp von Falkenstein in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Ihre stolzen und perfekt trainierten Rösser waren in den Wappenfarben der Ritter gekleidet. „Philipp von Falkenstein meint, Eberhard sei der Ritterehre nicht würdig!“, rief einer der Herolde in Richtung der mit Besuchern gefüllten Hänge. Eberhard ritt daher an den Händen gefesselt ein – sehr zur Belustigung der Zuschauer. Letztlich durfte Eberhard dann aber doch am Turnier teilnehmen. Die Disziplinen standen denen im Mittelalter in nichts nach. Zu Pferde einen Kohlkopf oder gar einen Apfel spalten und mit einer Lanze ein Holzschild treffen – kein Problem. Die größte Herausforderung war jedoch das Rolandreiten. Dabei müssen die Arme des Rolands, einer Holzfigur, getroffen werden. Die Schwierigkeit ist, dass die Figur sich bei einem Treffer dreht. Am anderen Arm des Rolands baumelte eine brennende Metallkugel, von der es galt, nicht getroffen zu werden. Auch das meisterten die Ritter und ihre Pferde mit Bravour. Ein großes Vergnügen für Groß und Klein. Zum 25. Jubiläum der mittelalterlichen Veranstaltung präsentierten die Württemberger Ritter am Samstagabend eine beeindruckende Feuershow. Für die jüngeren Besucher war die Kinderschlacht der „Freien Fränkischen Pilgerschaft“ ein besonderer Spaß, auch wenn sie samstags wegen des Unwetters leider ausfallen musste. „Uns gefällt es hier sehr gut – es ist sehr, sehr schön – schade ist allerdings, dass es nur für Familien mit zwei Kindern und zwei Erwachsenen eine Familienkarte gibt – das ist für Alleinerziehende nicht schön“, erzählte Besucher Martin Konder, der mit seiner Tochter gekommen war. Er habe aber Verständnis, dass die Eintrittskarte ihren Preis hat.

Historische Klänge und mittelalterliches Marktleben

Neben dem Turniergeschehen genossen die Besucher die historischen Klänge der Bands „Die Zeitreisenden“ aus Limburg, „Tarranis“ aus der Wetterau und „Unvermeydbar“ aus Kassel. Marktsackpfeife, Drehleier, Laute und Schlagwerk versetzten die Zuhörer in längst vergangene Zeiten – die Spielfreude und Lebenslust waren geradezu mitreißend. Die Leckereien, die man auf dem Ritterturnier naschen konnte, waren ebenfalls verlockend – darunter Goldlocken, Baumstritzel, Lángos und natürlich Met.

Im Kurpark hatten verschiedene Lagergruppen ihre mittelalterlichen Zelte aufgeschlagen. An langen Holztafeln (ohne Plastikflaschen), ganz in Felle und Leinen gehüllt, trotzten sie sowohl Regen als auch Hitze. Zu den größten Gruppen gehörte die „Freie Fränkische Pilgerschaft“. Was vor über zehn Jahren mit drei Mittelalterfreunden begann, mauserte sich zu einer Lagergruppe von inzwischen zwanzig Personen. Daher ist die Plane, unter der die Reenactors ihre Tafel aufbauen, mittlerweile über zehn Meter lang. So fanden auch Schutz suchende Passanten und Reporter bei ihnen Unterschlupf. „Es ist nicht das erste Unwetter, das wir erleben“, erklärte Hauptmann „Walli“ gelassen.

Kerzenziehen und Naturseife

Ein Höhepunkt für viele Besucher war das Bummeln an den mittelalterlichen Ständen. Töpferware, handgeschmiedete Schaukampfwaffen sowie authentische Ledertaschen waren nur einige Dinge, die angeboten wurden. Altes Handwerk konnte man ebenfalls bewundern. Scherenschleifer Jan Oberländer hatte seinen Stand vor der alten Schlossküche aufgebaut. Er lernte sein Handwerk von einem alten Schweizer Scherenschleifer. Im Jahr 2013 öffnete er einen eigenen Laden in Idstein. Der Stein, an dem er publikumswirksam die Scheren schleift, ist ein großer Sandstein aus dem Main. Oberländer hat ihn von seinem Bruder, der gelernter Steinmetz ist. Das Holzgestell, in dem sich der Stein dreht, hat der Scherenschleifer selbst gebaut. „Es ist noch der gleiche Stein, mit dem ich vor zwölf Jahren angefangen habe“, so Jan Oberländer sichtlich stolz.

Auf der Oberen Festwiese konnte man Steinmetz und Bildhauer „Lapidarius“ Lars Kerzmann bei seiner Arbeit zuschauen. Der Name Lapidarius ist nicht zufällig gewählt – es ist der lateinische Name für den Stein beziehungsweise Steinmetz. Mit Hammer und Eisen bearbeitete er vor den Augen der Zuschauer Stelen mit Tieren, Triskelen und Ginkgoblättern. Auch Feuersteine und handgemeißelte Hausnummern hatte er im Angebot. „Ich fahre seit rund zwanzig Jahren auf Mittelaltermärkte – in Königstein bin ich jetzt zum zwölften Mal“, erklärte Kerzmann.

Gegenüber hatte Seifensieder und Kerzenzieher Andreas Egner mit seiner Frau seinen Stand aufgebaut. Neben herrlich duftenden Seifen, beispielsweise mit Kaffee oder Rosmarin, hatte er ein tolles Angebot für Kinder im Programm. Der Nachwuchs durfte sich selbst eine Kerze ziehen – in Farben nach Wunsch und natürlich mit Glitzer.

Auf ein altes Handwerk wollte Königsteinerin Franziska Pfaff aufmerksam machen. Sie ist gelernte Buchbinderin, wie es auch schon ihr Großvater Helmut Halbach war, der in Königstein noch vielen bekannt ist. Pfaff teilt sich ihre Werkstatt mit ihrer Berufskollegin Claudia Viel. „Es geht uns nicht um Gewinn, sondern darum, dass die Leute den Beruf nicht vergessen“, so Franziska Pfaff, die ihren Stand über der Alten Münze aufgebaut hatte. Leider ist der Beruf inzwischen vom Aussterben bedroht, und so war es besonders schön, dieses alte Handwerk mal wieder vor Augen geführt zu bekommen.

Ebenfalls auf der Oberen Festwiese verkauften Ulrike und Robert Erhard Seifenschalen und handgesiedete Seifen. Beide haben einen weiteren Weg hinter sich gebracht, da sie aus der Nähe von Kaiserslautern kommen. Die Seifen stammen von ihrer Chefin Daniela Fabian aus Weinheim. „Als Seifenstand sind wir zum ersten Mal hier, im Jahr 2001 waren wir schonmal mit einer Küche hier“, erklärte Ulrike Erhard. Nicht nur die Händler waren zufrieden, auch für die Besucher war es ein entspanntes Wochenende im Mittelalter.

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