Das raue Geräusch des Lebens – Eva Demski trägt ihren Koffer selbst

Schlagfertig und wortwitzig: Die bekannte Autorin Eva Demski vertritt klare Standpunkte. Foto: Sura

Königstein (aks) – Christine Saarholz, Vorsitzende des Königsteiner Vereins Leselust, war hocherfreut, Eva Demski in der Stadtbibliothek zu begrüßen und zählte deren Auszeichnungen auf. „Kein Nobel und kein Büchner, aber vielleicht bald der Corona-Preis“, so griff die bekannte Autorin schlagfertig in die Eloge ein und bestätigte den zahlreich erschienenen Literatur-Liebhabern Mut, in Zeiten des Coronavirus zu einer Lesung zusammenzukommen. Schließlich sei ihre Lesung am nächsten Tag in Frankfurt schon abgesagt worden.

„Weil es mir Spaß macht“

In Mainz und Freiburg hat sie Germanistik und Philosophie und Kunstgeschichte studiert und lange als Journalistin gearbeitet – das merkt man ihrem Diskurs an, um eine klare Meinungsäußerung ist sie nie verlegen. Das Bücherschreiben als Autorin gehe ihr nicht so locker von der Hand, obwohl es an Stoff nicht mangele. So entstünden viele „Vermeidungsbücher“ wie sie es nennt, auch wenn die „Deadline“ des Verlags immer näher rückt. „Was ist schreiben? Hinter den Toten aufräumen.“ Und wenn ihr das manchmal zu ernst ist und alles abfordert, entstünden ihre so genannten „Vermeidungsbücher“. So schreibe sie über Katzen und Essen, „weil es mir Spaß macht“. „Meine Verspieltheit hat man mir übel genommen.“

Sie wünscht sich an diesem Abend eine „dialogische Lesung“, Fragen dürften auch während der Lesung gestellt werden, und die „Engel, die durch den Raum wandeln“ will sie mit kleinen Zwischenfragen gar nicht sehen.

Den Koffer trug sie immer selbst

Sie liest aus ihrem Buch „Den Koffer trage ich selber“, das kein autobiografisches Buch sei, in dem sie sich selbst beschreiben wolle, sondern die vielen interessanten Menschen, die ihr in ihrem über 70-jährigen Leben begegnet sind. „Eigentlich“ wollte sie, die viele Talente besitzt und auch einen grünen Daumen hat, Sonderschullehrerin werden, „dann Tierärztin, dann Ärztin“ nie Bestatterin, Schauspielerin oder Psychiaterin: „Probleme wiesen den Weg in die Zukunft – und verschwanden wieder“. Die späten 60er-Jahre verbindet sie mit einem Geräusch – „wie Schollen, die aneinander reiben“ oder wie der Choreograf Maurice Béjart „das raue Geräusch des Lebens“ in Tanz umsetzte. Das Abitur beschreibt sie „als das goldene Tor“ als „Entlassungsschein ins Leben“: „Ich hatte es eilig. Ich wickelte mein Leben ab“. Das war 1964, „von der Revolte besonnt“. Den Weg ins Studium beschreibt sie als „Armseligkeit als Abenteuer“, „wir hatten nichts“! „Keine Bruchbude konnte mir etwas anhaben“.

Umgang mit Kritikern

Mit 40 lernte sie ihren Nachbarn, den Literaturpapst und gefürchteten Kritiker Marcel Reich-Ranicki kennen und schätzen. Sie hatte keine Angst vor ihm, schließlich handelte er „zeushaft“ in „seinem eigenen Sonnensystem“. „Teile und herrsche!“ war seine historische Devise. Gegen die Kritik kann man sich weder schützen noch wehren; man muss ihr zum Trutz handeln, und das lässt sie sich nach und nach gefallen.

„Er lobte und tobte“: Was er vielen Autoren nicht verzeihen konnte, war ein Mangel an Ernsthaftigkeit sowie ein Mangel an Unterhaltsamkeit. „Langeweile, das war die Vorhölle“. Alles in allem habe sie es leicht gehabt als Frau, „weil ich die Männerzappeleien nicht mitgemacht habe“. Aber sie gibt zu, dass es Frauen im Kritikergewerbe schwer hätten: „Frauen nimmt man Zickigkeit übel“, so wie Sigrid Löffler im „Literarischen Quartett“, die als Frau von Karasek und Reich-Ranicki beleidigt und diffamiert wurde.

Emotional wird Eva Demski beim Thema RAF (Rote Armee Fraktion), „das war der Wendepunkt“. Sie ist vehement gegen jede Art von Glaubenssätzen: „Die gottlose Religion, die habe ich gehasst“. Hüten müsse man sich vor denen, die zu sich und anderen grausam seien. „Das waren keine Helden“. Das Grauenhafte am Älterwerden, so drückt sie sich aus, sei die Angst um die Dinge, das Mitgefühl für andere, auch für Tiere. So erzählt sie die Anekdote, wie eine Maus in ihrem Küchenschrank lebte, weil sie ihr nichts antun wollte. Ihre Unschuld bewahre sie sich im Grünen: „Ich reduziere mich auf meinen Garten“.

Frankfurt hübsch-hässlich

Viele in der Stadtbibliothek sprechen die Autorin auf Frankfurt an, nachdem sie ein paar Zeilen aus ihrem neuen Buch-Projekt gelesen hat, das sie ihr „anarchistisches Album“ nennt mit Geschichten, Porträts, Interviews. „Nur die Frankfurter denken, dass ich aus Frankfurt bin“. In Königstein gibt es bei der Lesung viele Zeitgenossinnen, die ihr folgen können, wenn sie von „der Frankfurter Amnesie“ spricht, „die vielen Löcher“, sprich Baustellen, als sei da nie etwas gewesen. In Frankfurt denke man, neue Altstadt hin oder her, eben nicht in Ewigkeitswerten... und schon ist er da, der Stoff für ein, nein für viele weitere Bücher.

Eva Demski ist eine Autorin, die sich mit den Menschen um sie herum gern verbindet, am liebsten mit denen, die ihr auf ihrem Weg folgen können. Das waren am Dienstagabend vor allem die (weiblichen) Fans, die ihre Geschichte verstehen konnten und die wilden Sechziger und Siebziger Jahre selbst miterlebt haben.



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