Königstein (as) – Huldigungen des Taunus-Idylls, die Hassliebe zu den Kaltwasserkuren von Dr. Georg Pingler, Begegnungen mit prominenten Kurgästen und eine spektakuläre Flucht in dichtem Schnee – die aktuelle Ausstellung „Des Taunus schönste Blume – Friedrich Stoltze und sein Königstein“ im Königsteiner Rathaus beschreibt auf Leinwänden und in Vitrinen mit Originalbriefen die lebenslange Verbindung des Frankfurter Heimat- und Mundartdichters zur Burgstadt.
Mit elf Jahren kam Stoltze (1816–1891) bei der berühmt gewordenen (und von Pferdestärken ermöglichten) Raddampferfahrt über die neu gebaute Königsteiner Chaussee erstmals in den Taunusort, mit 16 Jahren unternahm er Tagesmärsche von Frankfurt nach Königstein und in den Taunus – von denen auch einige seiner ersten Gedichte zeugen –, ehe er sich ab 1859 mehr als 30 Jahre hintereinander und oft für mehrere Wochen am Stück im Kurort erholte, das letzte Mal 1890, nur wenige Monate vor seinem Tod.
Von den Besuchen des damals schon prominenten Gastes und Herausgebers der freiheitlichen Satire-Wochenschrift „Frankfurter Latern“ und von den Geschichten und Anekdötchen, die Stoltze zu Füßen der Königsteiner Burg erlebte und selbst schrieb – davon erzählt die Ausstellung, die Petra Breitkreuz, langjährige Leiterin des Stoltze-Museums der Frankfurter Sparkasse, am vergangenen Donnerstagabend gemeinsam mit den Repräsentanten der Stadt eröffnete. Und die gleich mit einer Überraschung aufwartete: Die Probeausgabe der „Latern“, erschienen am 24. August 1860, entstand während eines Aufenthalts in der Kurstadt, insofern müsste sie eigentlich den Namen „Königsteiner Latern“ tragen, so Petra Breitkreuz. Als Geschenk für ihre Gastgeber und Ergänzung für das Königsteiner Stadtarchiv hatte sie gleich vier Bände mit Faksimiles sämtlicher Ausgaben der Satireschrift mitgebracht.
Ermöglicht hatten die Ausstellung, zu der auch ein schönes Begleitheft vorliegt und die mindestens bis zum 25. Mai – bei Erfolg länger – im Rathaus zu sehen sein wird, auch Professor Winfried und Helga Hofmann aus Schneidhain mit ihrer Königsteiner Stiftung. Diese fördert zahlreiche kulturelle und soziale Projekte, unterstützt auch das mittlerweile in der Goldenen Waage in der Altstadt beheimatete Stoltze-Museums bei Neuanschaffungen. „Es war eine Idee von Leonhard Helm, der vor Jahren eine Stoltze-Ausstellung in Königstein angeregt hat, und Frau Breitkreuz hat es aufgegriffen“, beschrieb Hofmann seine (kulturelle) Vermittlerrolle fast schon bescheiden.
Gar bis zum 31. März 2026 wird eine fast identische Sonderausstellung im Stoltze-Museum zu sehen sein, allerdings in etwas abgespeckter Form, denn in der Königsteiner Ausstellung wurde in zusätzlichen Vitrinen und speziellen Kapiteln, etwa einem „Verzeichnis der anwesenden Kurfremden“ im Jahr 1885 in Bad Königstein mit dem rumänischen Königspaar an erster Stelle, ein eigener, direkter Bezug ergänzt. „Wir haben damit versucht, mit den Persönlichkeiten und Menschen, denen Stoltze begegnete, zusätzliche Aspekte einzubringen“, erklärte Königsteins Stadtarchivarin Dr. Alexandra König.
Stoltze, der abwechselnd in Privathäusern und im um 1850 eröffneten Hotel „Zum Löwen“ (später Hotel de Lion, ab 1880 Hotel Pfaff) am Ort des frühere Kapuzinerklosters wohnte, war beileibe kein einfacher Gast. Mit zunehmendem Alter beschwerte er sich über den Krach der Handwerker und als Republikaner natürlich über die preußische Militärmusik, die häufig aufspielte. Auch Pingler, der ihm mit seinen Kaltwasserkuren im Prießnitzerbad im unteren Billtal jahrelang geholfen hatte (1880 schrieb er in der Latern: „Wie Mancher kam auf Krücken an – Kaum Mancher auf dem Hund: – Kaum war ein Mondverflossen – so tanzt er heim, begossen – Begossen und gesund“ bekam in einem seiner letzten Briefe sein Fett ab: „Mit dem ganz gedankenlosen Pingler ist nichts anzufangen.“ Aber die Liebe für den Taunus und sein Königstein ließ ihn immer wieder zurückkehren, auch wenn einer der ersten Besuche dramatisch verlaufen war.
Im Winter 1859/60 versuchte Stoltze, seine Schlaflosigkeit und innere Unruhe in Königstein auszukurieren, dafür musste er aber nach langer Zeit wieder die freie Reichsstadt Frankfurt verlassen. Bereits seit sieben Jahren war er steckbrieflich im Großherzogtum Hessen-Darmstadt gesucht, weil er einem befreundeten Autor geholfen hatte, ein Druckerzeugnis in Umlauf zu bringen, das die Obrigkeit kritisierte, was nach Scheitern der ersten deutschen Demokratie 1849 strengstens verboten war. Er musste damit rechnen, vom Herzogtum Nassau, in dem Königstein lag, ausgeliefert zu werden, nachdem er als Kurgast entdeckt worden war. Unter Hausarrest stehend, wohnte er mit seiner Frau Marie und dem erst wenige Tage alten, in Königstein geborenen Sohn Hermann im Haus von Gottfried Grandpierre (heute befindet sich hier die Filiale der Deutschen Bank) gegenüber dem Hotel de Lion. Dann die Heldentat: In einer eiskalten Februarnacht schaffte es die Gattin, den Offenbacher Wachpolizisten mit Cognac im Apfelwein zu betäuben, ihr kränkelnder Gatte stieg in Nachtkleid und Pantoffeln eine an der Hauswand abgestellte Leiter hinunter, landete im knietiefen Schnee und schaffte es auf Umwegen durch die Stadt – die in der Ausstellung dargestellt sind – zu der am Hintereingang des Hotel de Lions wartenden Fluchtkutsche, die ihn ins sichere Frankfurt beförderte.
Die Geschichte trug Petra Breitkreuz im schönsten Frankfurterisch vor, fast genauso dürfte es geklungen haben, wenn Stoltze einst selbst von dieser glücklich ausgegangenen Kriminalgeschichte erzählte. Wer mehr von ihr hören möchte: Die Kuratorin ist am 14. Mai ab 19 Uhr in der Stadtbibliothek bei einer Lesung zur Ausstellung zu hören. Ende Mai (Termin folgt) wird es zudem eine Führung auf Stoltzes Spuren durch Königstein geben.
Auch Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko freute sich über ihre erste Ausstellungseröffnung, damit sei im Rathaus „ein anderes Leben eingezogen“. Für Stirnrunzeln bei dem einen oder anderen Gast sorgte allerdings ihre Aussage, dass solche Ausstellungen in diesem Raum nur deshalb möglich sind und bleiben werden, weil die Stadt auf einen schon länger geplanten Aufzug im Rathaus verzichtet habe. Die Barrierefreiheit werde auf andere Weise hergestellt. Wenn Fahrstühle zu Stoltzes Zeit bereits zur erwartbaren Ausstattung gehört hätten, dann hätte der sich über solche Königsteiner Umstände bestimmt höchst satirisch ausgelassen.