Königstein (as) – Ernst Welteke hat viel erlebt und gesehen. Er hatte als Mitglied der hessischen Landesregierung unter Hans Eichel mit den drei SPD-Größen Willy Brandt, Herbert Wehner und Helmut Schmidt persönlich zu tun, er wurde Präsident der Hessischen Landeszentralbank und später der Deutschen Bundesbank. Vom Landmaschinenmechaniker zum Diplom-Volkswirt und wichtigsten Banker in Deutschland. Eine SPD-Karriere aus dem Bilderbuch geprägt vom Aufstiegsversprechen durch Bildung. Aber, das darf auch gesagt werden, Ernst Welteke legte sein Amt im Jahr 2004 wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen im Zuge der sogenannten Adlon-Affäre um Vorteilsannahme nieder.
Die Genossen im Taunus haben dem gebürtigen Nordhessen aus Korbach, der seine politische Karriere 1972 als Kreisvorsitzender der SPD im Hochtaunuskreis begonnen hatte, das längst verziehen. Er ist einer von ihnen, „mit Herz und Seele Sozialdemokrat“, wie ihn die Parteifreunde, Landtagsmitglied Elke Barth, der aktuelle Hochtaunus-Vorsitzende Stephan Wetzel (insofern ein indirekter Welteke-Nachfolger) und die Königsteiner SPD-Chefin Tina Blome am Sonntag bei einer adventlichen Feierstunde im Kohnstamm in Königstein würdigten. Einer, der bei Wind und Wetter mit am Wahlkampfstand steht und dessen Ratschlag viel Wert ist, bei großen Parteikollegen wie Torsten Schäfer-Gümbel und bei etwas kleineren wie eben Tina Blome, die Welteke vor vier Jahren bei einer Adventsfeier kennenlernen durfte. Er ist eine sozialdemokratische Instanz seit 60 Jahren.
Viel gesehen, viel erlebt, viel zu sagen – aber immer noch zu überraschen. Denn dass Ernst Welteke am Sonntag die Willy-Brandt-Medaille – die höchste Auszeichnung, die die SPD ihren Mitgliedern verleiht, die sich um die Sozialdemokratie in besonderer Weise verdient gemacht haben – überreichen würde, das hatten die Hochtaunus- und die Königsteiner SPD geschickt eingefädelt. Die Überraschung war perfekt. „Wir haben dicht gehalten“, freute sich Tina Blome in ihrer Würdigung an einem besonderen Ort. Die Klinik Dr. Kohnstamm war das Haus eines Sozialdemokraten und eines Stadtverordneten der SPD Königstein, der nicht nur das Freibad ermöglichte, sondern auch Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner und Gerdt von Bassewitz behandelte.
„Dass ich die Medaille in der sozialdemokratischen Hochburg Königstein verliehen bekomme, hätte ich mir nicht erträumen lassen“, sorgte der bestens aufgelegte Ernst Welteke in seiner Rede für Amüsement bei den rund 25 geladenen SPD-Honoratioren. Er sprach von seinen Erinnerungen an viele Genossen, die nicht mehr leben, und von dem „Fixpunkt“ Willy Brandt. Der Friedens-Nobelpreisträger sei derjenige gewesen, „der viele von uns geprägt hat, wegen dem viele in die Partei eingetreten sind“. Und er hatte schöne Anekdoten auf Lager, dass Willy Brandt am Ende eines langen Wahlkampftages mit mehreren Auftritten, und nachdem sein Referent Günter Guillaume (der DDR-Spion) den Auftritt im Taunus schon absagen wollte, auf gewissen Druck Weltekes doch noch Station in Oberursel machte und dort noch eine Stunde redete. „Alle waren begeistert.“
Und er richtete auch einen Blick auf die Zukunft. Zur Bundestagswahl: Die SPD müsse es besser schaffen, ihre Erfolge in der Regierung trotz gescheiterter Ampel-Koalition deutlicher herauszustellen. Und international – wichtig für einen Mann, der immer noch seine Kontakte zum gemäßigten Teil des russischen Bankwesens aufrechterhält: Das Schwarz-Weiß-Denken müsse aufhören: „Ich verstehe nicht, dass es uns nicht gelingt in diesem Land, Demonstrationen auf die Straße zu bringen, die pro Israel und pro Palästina sind.“
Neben vielen Wegbegleitern aus der sozialdemokratischen Partei gratulierte auch Königsteins Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko: „Sie sind ein Ausdruck von Beständigkeit. Ihr Einsatz ist unbezahlbar.“ Die CDU-Politikerin sagte vor dem Hintergrund, dass jetzt bald alle wieder in den Wahlkampfmodus umschalten, auch: „Ein Dialog über Parteigrenzen hinweg ist ein unschätzbarer Wert und sendet auch ein Signal an die Bürger. Extremistische Parteien dürfen keine Option sein.“
Zwei Ehrungen für 50 Jahre
Bei der Adventsfeier des Ortsvereins wurden auch zwei verdiente Mitglieder mit der silbernen Ehrennadel für 50-jährige Parteizugehörigkeit geehrt: Gudrun Fabig und Volkwart Schmid. Gudrun Fabig war neun Jahre Ortsbeiratsmitglied und Vorsitzende des Schneidhainer SPD-Ortsbezirks, den es in den 70er Jahren noch gab. Danach musste sie Familie und Beruf Vorrang geben, ihr Sohn Holger ist im Übrigen wirtschafts-, finanz- und klimapolitischer Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Mutter fand aber dennoch immer die Zeit, bei Veranstaltungen und Wahlkämpfen mit Rat und Tat mitzuhelfen.
Bei Volkwart Schmid wurde auf der Feier das Kuriosum festgestellt, dass er, wie Ernst Welteke, in Korbach geboren ist. Dort hatten sich die politischen Wege aber noch nicht gekreuzt. Er erzählte durchaus unterhaltsam seine Lebensgeschichte „Warum ich Sozialdemokrat geworden bin“. Als IG-Metaller habe er schon sehr früh alle politischen Entwicklungen aufgesogen. Schon als Schüler sei er ein Suchender gewesen nach einem tieferen Verständnis. Er habe sich damit beschäftigt, wie Menschen politische Krisen bewältigten. Soziale Gerechtigkeit und das Eintreten für die Arbeitnehmer nannte Vokwart Schmid als „wichtigsten Maßstab meine Handelns“. Seine Suche führte ihn in den Schoß der SPD: „Anpacken ist eine Form der Antwort auf Krisen, durch die Sozialdemokratie ist es auch geschehen.“