Witzig und bravourös gespielte „Alice im Wunderland“

Szene mit Hutmacher (Lorena Wack) im Vordergrund sowie Alice (Janina Lingner) im Hintergrund. Fotos: privat

Königstein (kw) – Nichts ist zu sehen auf der Bühne des Theaterraums außer des Vorhangs – aber zu hören dafür umso mehr. Die große Theater-AG begann ihr neues Stück „Alice im Wunderland“ mit einem Live-Hörspiel. Vor dem inneren Auge des Publikums erwachte die Welt von Alice zum Leben, einer ganz normalen Jugendlichen, die sich ihrem Alter entsprechend nicht recht für die bevorstehende Familienfeier motivieren kann. Ihrer Mutter und Schwester will sie auch nicht bei den Vorbereitungen helfen. Erst, als Alice auf dem Dachboden der Inhalt eines Schranks auf den Kopf fällt und sie in eine aberwitzige Fantasiewelt abtaucht, öffnet sich der Vorhang und die Schauspielerinnen und Schauspieler nehmen die Bühne ein.

Die Titelheldin Alice, bravourös gespielt von Janina Lingner, hatte es in ihrer Fantasiewelt mit verrückten Wesen zu tun wie etwa einem weißen sprechenden Kaninchen (Katharina Miers), das manisch über die Bühne hoppelte, einer besonders tiefenentspannten Raupe (Tim Schuster), einer Grinsekatze (Georgios Arvanitidis), die immer wieder hinter dem neuen Vorhang des Theaterraums hervorlugte, dem Märzhasen (Madeline Gerock) oder dem verrückten Hutmacher (ausdrucksstark und stimmgewaltig: Lorena Wack).

Alice begegnete einer Gruppe von Fröschen (aus der kleinen Theater-AG: Amelie Löblich, Amelie Wagner, Clara von Hollen, Justus Strehl), gelangte zur Weißen Königin (Mahalet Weldeyes), die mit ihrer Hofdame (Laura Reul) und ihrer Köchin (Madeline Gerock) absurde Gespräche führte. Und dann tauchte die Herzkönigin (beängstigend gut: Henrietta Hammerschmitt) zusammen mit ihrem Herzbuben auf (Frederik Klenke) und ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sie mit Todesurteilen („Kopf ab!“) nicht sparsam umgeht.

Den Klassiker „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll auf die Bühne zu bringen, ist ein ambitioniertes Unterfangen, gilt es dabei doch, eine Fantasiewelt heraufzubeschwören, die auf den ersten Blick nach aufwendigsten Kulissen verlangt. Umso überraschender, wie die große Theater-AG unter Leitung von Stefanie Berg das Problem löste: Statt auf eine Materialschlacht setzte sie auf Minimalismus. Nur wenige Symbole hingen an den schwarzen Vorhängen, etwa ein Pilz oder eine Uhr; mit wenigen Requisiten kam das Bühnenbild aus. Der Rest des Wunderlands entstand durch kreativ gestaltete Kostüme und eine gekonnte Inszenierung, die von beeindruckend professionell agierenden Schauspielern getragen wurde. Und immer wieder durchbrachen kreative Einfälle das klassische Theaterspiel – Pop-Songs (zum Teil live gesungen, wie etwa „Bohemian Rhapsody“), ein selbst produziertes Video, Tanzeinlagen auf der Bühne und im Zuschauerraum. Langweilig wurde es niemals und die Pointen des Nonsens-Werks zündeten am laufenden Band.

Besonders witzig: Die Teeparty-Szene, bei der sich Alice mit Hutmacher, Märzhase und Haselmaus (Laura Reul) in verwirrende Gespräche verwickelten. Anschließend sollte Alice mit Tieren und Menschen, die wie Spielkarten aussahen (Amelie Wagner, Amelie Löblich und Elena Büttner aus der kleinen Theater-AG), Croquet spielen, wobei als Schläger Flamingos dienten. Auch der Auftritt des Weißen Ritters (Georgios Arvanitidis) sorgte für viele Lacher, fiel er doch pausenlos von seinem Schaukelpferd.

Im Schloss der Herzkönigin kam es schließlich zu einer Gerichtsverhandlung, der neben der Königin auch der König vorsaß (Justus Strehl), und bei der der Herzbube beschuldigt wurde, die königlichen Törtchen gestohlen zu haben. Das heillose Chaos, das daraufhin entstand, führte das Stück zu einem weiteren Höhepunkt.

Zum Gesang des Hutmachers, unter dem begeisterten Applaus des Publikums, verbeugten sich die Schauspielerinnen und Schauspieler – und dankten ihrer Regisseurin Stefanie Berg. Auch das Technik-Team (Joachim Wendt, Joshua Lohmann, Tim Eichert, Maximus Nolte) erhielt verdienten Applaus. Ein witziger, absurder Abend neigte sich dem Ende zu, mit eindrucksvollen Szenen, die den Zuschauern noch länger nicht aus dem Kopf gehen werden.

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