Zwei Mammolshainer, ein Australier und alle Besucher sind die Sieger am 1. Mai

(v.l.) Werner Plescher, 1. Vorsitzender des OGV Mammolshain, verkündete die Ergebnisse des Apfelweinkönig-Wettbewerbs, bei dem sich Alex Kilb auf Platz zwei, Uwe Otto als Sieger (Kompagnon Peter Hildmann fehlte) und die Apfelfreunde Auf der Heide als Dritte die Ehrenpreise sicherten. Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko und 1. Stadtrat Jörg Pöschl gratulierten bei der Kultveranstaltung an der OGV-Halle. Foto: Schramm

Mammolshain (as) – Was für ein 1. Mai in Mammolshain: rekordverdächtige Temperaturen von 27 Grad Celsius – wohlgemerkt im Schatten –, volle Sitzreihen beim Apfelblütenfest des Obst- und Gartenbauvereins unten im Tal und ein Ansturm wie noch nie, so zumindest der Eindruck der Freiwilligen Feuerwehr Mammolshain an den Ess- und Getränkeständen oben am Berg auf dem Kranichplatz. Und so ganz nebenbei, könnte man aus lokaler Sicht meinen, fand auch noch ein Radrennen statt. Und zwar nicht irgendeines, sondern das renommierteste Rennen Deutschlands, Eschborn–Frankfurt, das seit der Premiere im Jahr 1962 Mammolshain und dessen steilen Berg in der Straße „Am Steinbruch“ als wichtigste Bühne nutzt. Ein Festtag eben – bei dem Tausende den Ort stürmen – zu Fuß, per Rad, auf Schleichwegen –, da die Zufahrten ab dem frühen Vormittag alle gesperrt sind.

Bevor irgendwelche Entscheidungen auf der Rennstrecke fallen, sind beim OGV zumindest bereits Vorentscheidungen gefallen. Denn die fachkundige Jury, die den Mammolshainer Apfelweinkönig 2025 küren wird, tagt bereits seit dem Mittag in der Scheune des Wiesenhofs – etwas abseits der OGV-Scheune, wo großer Trubel herrscht, denn wo gibt es heute noch eine Bratwurst für 3,50 Euro? „Die Entscheidung ist diesmal sehr eng“, sorgt Johannes Schießer, 2. Vorsitzender des OGV und Mitglied der Jury, schon mal für Spannung. Am Wochenende davor hatte es schon einen Vorentscheid gegeben. 32 der 35 eingereichten Stöffsche-Proben aus dem Taunus, so die regionale Eingrenzung, wurden vom Vorstand mit Schießer, Peter Zirener, dem Schriftführer der Jury, Mike Dawes, Jürgen Petry und Werner Anthes aus Sulzbach angenommen, drei waren schon wegen des Geruchs als untrinkbar aussortiert worden. Mit der ersten der von jedem Teilnehmer eingereichten zwei Flaschen wurden der Alkoholgehalt (der Höchstwert lag bei satten neun Prozent) und die Säure des Ebbelwois gemessen sowie in einer ersten Probe die Entscheidung über die zehn Finalisten gefällt.

Maßgeblich für die Bewertung sind neben dem Geruch auch die Farbe, natürlich der Geschmack und die Harmonie. Das Ganze geschieht absolut anonym – den immer mal zu Gehör gekommenen Verdacht, dass die Mammolshainer ihre Spezis aus dem Ort bevorzugen würden, wischt Schießer weg. „Das ist Unsinn, das geht gar nicht.“ Alle Proben haben seit der Abgabe eine Nummer erhalten, der Name des dazugehörenden privaten Kleinproduzenten liegt der Jury nicht vor.

Am 1. Mai wird die zweite Flasche entkorkt bzw. geöffnet – ganz frisch und ohne Sauerstoff geatmet zu haben, soll die Probe für das Finale sein. Die Jury ist mit den beiden lokalen Keltergrößen Stefan Herberth und Christian Immel noch einmal aufgewertet worden. Man versteht: Apfelwein zu bewerten, ist mehr als nur Geschmackssache, sondern in der Tat eine echte Wissenschaft – die Bewertungsbögen zeigen es deutlich an. 80 Punkte kann ein Stöffsche maximal erreichen, wenn es in allen Belangen den Höchstwert erhält. Das hat noch keiner geschafft, wenn es auch manchmal knapp war. 70 Punkte gelten schon als hervorragend. Die Experten fachsimpeln über den Geschmack, über trockene und halbtrockene Apfelweine, die unter Ebbelwoi-Kennern gerne als „kernig“ oder „fruchtig“ bezeichnet werden. Generell gehe die Tendenz dazu, dass fruchtige, „süffige“ Schoppen bevorzugt werden, die auch Frauen eher mögen, sagt Werner Anthes. Um das zu erreichen, werden verschiedene Sorten Tafeläpfel untergemischt, das sortenreine Stöffsche aus klassischen Kelteräpfeln wie dem Bohnenapfel oder dem Trierer ist offenbar nicht mehr so angesagt.

Und dann um 15 Uhr – die Radprofis haben in der Zwischenzeit zweimal den Mammolshainer Berg erklommen haben und viele Mai-Ausflügler sind zurückgekehrt zur Obsthalle – ist für Werner Plescher, den 1. Vorsitzenden des OGV, die Zeit gekommen, die Platzierungen und den neuen Apfelweinkönig zu verkünden: Jürgen Petry schafft es als einziges Jurymitglied als Neunter in die Top 10, in der sich auch drei Frankfurter Äpplerfreunde auf den Plätzen sechs bis vier einfinden – ja, man ist offen für Auswärtige in Mammolshain. Platz drei geht an die Kelterfreunde Auf der Heide aus Neuenhain mit 69,3 Punkten, die das wie einen Sieg bejubeln. Bei Platz zwei springt die Begeisterung auf das Publikum über: Der Mammolshainer Alex Kilb sichert sich mit 70,4 Punkten zum fünften Mal in Folge den Ehrenplatz. Und dann die Entscheidung: 71,3 Punkte hat der beste heimische Ebbelwoi des Jahrgangs 2014 erzielt, aber der kommt nicht von Titelverteidiger und Seriensieger Bernhard Bunte, sondern von der Keltergemeinschaft Peter Hildmann und Uwe Otto aus Mammolshain. Der nächste Heimsieg. Sichtlich gerührt nimmt Uwe Otto den gravierten Siegerbembel und den schweren Wanderpokal entgegen, überreicht von Königsteins Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko – die erstmals diese Kultveranstaltung besucht und vom OGV als Begrüßungsgeschenk einen Mini-Bembel mit zwei Gläsern erhält–, von Erstem Stadtrat und Falkensteins Apfelweinkönig Jörg Pöschl sowie Ortsvorsteher Hans-Dieter Hartwich. „Ich habe mindestens schon zehnmal mitgemacht, Dritter war bisher mein bestes Ergebnis. Vielleicht liegt es daran, dass ich eine andere Hefe genommen habe“, erzählt der neue Apfelweinkönig, der ebenfalls auf eine „gute Mischung aus Tafeläpfeln mit ein paar Trierern dabei“ gesetzt hat. Und auch seine Frau Sabine freut sich mit: „Ich habe beim Lesen geholfen und habe die Flaschen gespült, die niederen Arbeiten eben“, lacht sie.

Stolz ist auch der OGV, denn mit Uwe Otto hat es nach langen Jahren wieder ein Vorstandskollege an die Spitze geschafft. Der Freude nicht genug: Johannes Schießer konnte der Öffentlichkeit auch die erfolgreiche Verjüngung des Vorstandes präsentieren. Johannes v. Goosen und Georg Schlegel gehören seit März dem Gremium als Beisitzer an, letzterer ist erst 19 Jahre alt und hat in diesem Jahr 250 Vereinsbäume geschnitten. Dafür gab es vom Vize gleich noch eine neue Astschere als Anerkennung. Eines wird klar an diesem 1. Mai: Obstanbau ist schon lange nicht mehr eine reine Angelegenheit für ältere Herren.Was für ein Maifeiertag für den OGV. Da bleiben viele gerne noch länger im gemütlichen Tal, anstatt den Radfahrern hinterherzujagen. „Ich gehe heute nicht mehr hoch, ich habe das Rennen 30 Mal gesehen“, sagt Hartwich.

28 Helfer sind gefordert

Er hätte auch kaum einen Fuß auf den Boden gebracht. Denn der Verein der Freiwilligen Feuerwehr und der Verein Bienenkorb e.V., die den Getränke- und Grillstand am Kranichplatz mit insgesamt 28 Helfern betreuen, sind schon förmlich „überrollt“ worden, wie Bienenkorb-Chef Maik Albers sagt. „Der Ansturm war absolut überdurchschnittlich, es waren mehr Leute als im letzten Jahr.“ Vor allem nach 13 Uhr, als die Hobbyfahrer weitgehend durch waren, kam der große Ansturm. Um 15.30 Uhr sind die Würste und das Fassbier längst aus, es liegen nur noch einzelne Steaks auf den Grillrosten, Softdrinks und Ebbelwoi sind noch zu haben. „Wir hatten vorsorglich acht Kästen in einem Getränkewagen am Mönchswald auf Lager, die konnten wir noch holen“, sagt der Chef des Feuerwehrvereins Dieter Lezius zufrieden. Für den Verein ist der 1. Mai das mit Abstand wichtigste Ereignis, um Aktivitäten zu finanzieren und auch schon erste Rücklagen im Zusammenhang mit dem beschlossenen Neubau des Feuerwehrhauses bilden zu können. Und die Jugendfeuerwehr betreibt, wie üblich, den Pfandrückgabestand und bittet jeden um seine Pfandspende. Ein knapp vierstelliger Betrag kommt da üblicherweise zusammen, damit lässt sich in der Jugendarbeit einiges anfangen.

Ruhig bleibt es nur lange beim Radrennen: Bei den ersten beiden Überfahrten der Schlüsselstelle des Rennens bleiben die Profis ungewohnt verhalten, es sind bei der Hitze aber auch noch mehr als 100 Kilometer zu fahren. Für Stimmung sorgen derweil Radsport-Teufel Didi Senft und der verhinderte Lokalmatador John Degenkolb, der mit gebrochenem Arm und dicker Orthese die Passage seiner Kollegen kommentiert und so wenigstens ein wenig in die gigantische Atmosphäre am Mammolshainer Berg eintauchen kann. Erst bei der letzten Passage, 35 Kilometer vor dem Ziel, wird das Tempo angezogen, aber letztlich nicht stark genug, um den sprintstarken australischen Allrounder Michael Matthews in Verlegenheit zu bringen, der eine Dreiviertelstunde später vor der Alten Oper in Frankfurt einen Favoritensieg einfährt – 15 Jahre, nachdem er hinter Degenkolb Dritter werden konnte. Für beide soll es auch im gehobenen Rennfahreralter noch nicht die Abschiedsvorstellung gewesen sein, denn beide haben bekundet, sich im kommenden Jahr nur zu gerne wieder eine Startnummer aufs Trikot zu kleben – und sich von der Anfeuerung der Fans wieder über den „Mammolshainer“ tragen lassen zu wollen.

Ruhig bleibt es den ganzen Tag über bei der Freiwilligen Feuerwehr des Ortes, die an einem solchen Großkampftag natürlich einsatzbereit sein muss. Mit neun Mann ist man im Brandbereitschaftsdienst, erzählt Thilo Maier am Feuerwehrhaus in der Oberstraße – fast in der Mitte zwischen den beiden Hotspots des Tages. Nur einmal am Vormittag musste die Wehr ausrücken, weil ihr eine unklare Rauchentwicklung im Bereich der Schwalbacher Straße gemeldet wurde. Ein Feuer wurde nicht entdeckt, vermutlich war es nur ein Grill beim OGV an diesem – in Mammolshain – brandheißen Tag der Arbeit.

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