20 Jahre Wurzelkinder – Im Wald wird gefeiert, bis die Wolken wieder lila sind

Eltern, Erzieherinnen und die Wurzelkinder freuen sich auf kommenden Samstag, ab 14 Uhr, wenn der 20. Geburtstag des Waldkindergartens am Bürgerstollen gefeiert wird.

Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – „Ich liebte die Ruhe und die Geräusche des Waldes, das Sonnenlicht, das sich durch das Laub seinen Weg bahnt, bis es auf den Erdboden trifft, die Tauperlen auf den Spinnennetzen, die leckeren jungen Buchenblätter, die Ausflüge zu den kleinen Bächen, in denen wir Salamanderlarven und andere kleine Tiere fanden. Oft kletterte ich bis in das Blätterdach der Bäume, um die Natur zu genießen und alles von oben beobachten zu können.“

Diese Zeilen von Finn von Jussis, von 2011 bis 2014 Wurzelkind im Waldkindergarten (Kronberger Wurzelkinder e.V.) auf die Bitte des Vereins hin entstanden, von seiner Wurzelkinderzeit zu erzählen, machen eigentlich jeden weiteren Satz unnötig. In ihnen steckt alles, was den Waldkindergarten, der nächsten Samstag seinen 20-jährigen Geburtstag feiert, ausmacht, und noch so viel mehr... Jussis schreibt weiter, dass er hofft, es möge diesen Waldkindergarten noch sehr lange geben und sich die Kinder dort weiterhin so wohl fühlen, wie er sich damals gefühlt hat und es heute bei seinen Besuchen noch tut. „Ich werde wohl noch mein ganzes Leben mit dem Wald und seinen Bewohnern verbunden bleiben!“

Finn von Jussis ist nicht das einzige Wurzelkind, das die Zeit im Wald so stark geprägt hat. Auch andere Ehemalige haben zum 20-jährigen Bestehen des Waldkindergartens ihre Erinnerungen aufgeschrieben, Gründungsmitglieder, Erzieherinnen, ehemalige Vorstandsmitglieder, vor allem aber die Wurzelkinder selbst. Viele von ihnen hatten tolle Geschichten zu erzählen, die sie in der Waldgruppe inmitten in der Natur, ähnlich einer großen Familie, wohl behütet und doch so frei, erfahren haben.

Ann Katrin Junge, Pressebeauftragte des Vereins, ist ebenfalls baff über die schönen Geschichten, die nun in einer kleinen Festschrift zusammengetragen wurden. So viel hätten ihre ersten beiden Jungs, die in einem Regelkindergarten waren, nicht zu erzählen gehabt. Der ersten Vorsitzenden des Vereins, Patricia Kaufmann, ist aufgefallen, dass sich die Waldkinder bei anderen Veranstaltungen in der Stadt immer schnell wieder zusammenfinden, unabhängig vom Alter. Und die Großen kommen in den Ferien häufig zurück zu ihren „Wurzeln“. „Ja, stimmt, es gab eine richtig lange Warteliste für die Kinder, die in den Ferien hier wieder vorbeischauen wollten“, weiß die zweite Vorsitzende der Wurzelkinder, Julia Hild. Sie selbst mag sich gar nicht von dem Kindergarten trennen, auch wenn die Kindergartenzeit ihrer Kinder zu Ende ist. „Es ist eben wie in einer großen Familie hier, auch für die Großen.“ Und so haben die Eltern gemeinsam mit den Erziehern das Geburtstagsfest als Fest für alle Wurzelkinder, für Ehemalige, Freunde, Neugierige, für Großeltern und für Naturfreunde gestaltet und laden ab 14 Uhr an die Blockhütte und den Bauwagen am Bürgerstollenweg 3 ein. „Wir möchten feiern, bis die Wolken wieder lila sind“, steht auf dem Geburtstagsflyer. Zu Gast ist der Geologe und Spurensucher „Jan“ vom Senckenbergmuseum Frankfurt, der mit allen Interessierten auf Waldtour gehen wird. Außerdem hat der Vorstand eine Umweltpädagogin eingeladen, die mit den Kindern Stockgeister aus Ästen und Ton herstellen wird. Dazu gibt es Musik, Essen und Trinken und wer mag, darf auf dem Waldboden und Holzstümpfen sitzen, aber es werden auch Tische und Bänke gestellt sein.

Was die Kinder im Waldkindergarten lernen?

Ihre Sozialkompetenz ist wirklich hoch, wenn sie in die Schule kommen, was nicht heißt, dass hier nicht auch mal Steine und Stöcke fliegen, erzählt Julia Hild. Barbara Kramer, seit 2002 Erzieherin im Waldkindergarten, weiß, wozu die Stöcke und Steine auch eingesetzt werden: „Man kann mit ihnen ganze Sätze legen, auch ist es möglich, mit Stöcken geometrische Formen zu legen, Gewichte und Größen zu ordnen.“ Im Wald gibt es kein vorgefertigtes Spielzeug. Hier sind Fantasie und Kreativität gefragt. Auch die Kommunikation zwecks Verständigung über das gemeinsame Ziel sei wichtig, und die elementaren Sinneserfahrungen wirkten intensiv und heilsam. Ganz abgesehen von der Motorik, die durch die Bewegung durch unwegsames Gelände besonders geschult wird. Was der Wald – mit seinen Naturerlebnissen in den vier Jahreszeiten, mit seinen Tieren und Pflanzen, die die Kinder zu achten und zu schützen lernen bietet, ist von unschätzbarem Wert.

„Wer allerdings denkt, das Mittagessen würden die Kinder sich erjagen und das sei Wildschweinbraten“, so Hild augenzwinkernd, oder im Waldkindergarten herrsche Anarchie und gebastelt und gemalt wird nicht, der irrt. Mittagessen gibt es seit einigen Jahren in der Blockhütte, in der an kalten Wintertagen auch ein warmer Ofen auf die Kinder wartet. Es gibt das Vorschulprogramm genauso wie in anderen Kindergärten auch und im Morgenkreis im Bauwagen werden englische Lieder gesungen, Spiele gespielt und Bücher angeschaut. „Bei allen Einflüssen muss aber immer wieder darauf geachtet werden, dass das eigentliche waldpädagogische Konzept im Auge behalten wird, deshalb ist es auch wichtig, Fachkräfte zu beschäftigen, die das nicht außer Acht lassen, die die nötigen Kenntnisse mitbringen oder die Bereitschaft, sich waldpädagogisch weiterzubilden“, findet die Erzieherin Kramer. Ihr Mann, Johannes Kramer, selbst Pädagoge, war übrigens einer der Gründungsmitglieder des Kronberger Waldkindergartens. Auch diese Geschichte, genauso wie die des ersten Bauwagens der Waldkinder, der damals vom Verein von Hit Radio FFH für 1 DM ersteigert wurde, kann in der Festschrift mit netten Geschichten aus diesen Jahren nachgelesen werden. „Der Kindergarten war nämlich eine Idee, die von Anfang an unter einem glücklichen Stern stand“, stellt Johannes Kramer rückblickend fest.

Nicht vergessen haben die Wald-Aktiven auch alle ehemaligen Vorsitzenden, denn als Verein sei klar, dass jeder Einzelne die Entwicklung des Kindergartens mitgeprägt habe. Und sie danken Revierförster Martin Westenberger: „Sein Wohlwollen ermöglicht überhaupt erst, dass wir mit unserer Gruppe den Wald täglich nutzen können und dass wir den Bauwagen und auch die Hütte errichten durften“, betont Barbara Kramer, die aktuell mit drei weiteren Erzieherinnen täglich draußen im Wald mit der zwanzig „Mann“ großen Gruppe ist.

Gerade ist der Morgenkreis beendet und die Kinder versammeln sich vergnügt zum Gruppenfoto, erwartungsfroh, dass es gleich los geht, vielleicht zu einem ihrer Lieblingsplätze, dem Tannenplatz oder Sonnenplatz, zur Räuberhöhle (derzeit leider mit Wespennest), zum Hünerberg, zum alten Baum, zur Werkstatt oder Teppichplatz (wunderbar moosig).

Und wer es nicht glaubt, dass die Kinder sich morgens beim Blick in den regenverhangenen Himmel auf die vielen Pfützen freuen und auf das leise Wasserplätschern, genauso wie über die Eiskristalle bei Minus 17 Grad im Winterwald, der kommt am besten am Samstag selbst am Bürgelstollen vorbei und lässt sich die Waldgeschichten von damals und heute von den Waldkindern selbst erzählen, lauscht dabei den Blättern im Wind oder liest, was Johann Heitmann, der 2008 bis 2012 Wurzelkind war, noch erinnert:
„Mein bestes Erlebnis war das Schaukeln auf der Riesenschaukel am Drachenplatz, die an einem großen, hohen Ast befestigt war. Unser Kindergärtner Gerrit hatte die Seile zum Befestigen mit Pfeil und Bogen über den hohen Ast geschossen. Alle hatten sehr viel Spaß beim Schaukeln. Im Wald erlebt man die Natur in ihrer vollen Schönheit und lernt sie zu schätzen. Man möchte immer wieder zu ihr zurückkehren.“

Bauwagenidylle
Fotos: privat

Winter bei den Wurzelkindern

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