Besonderer Opernabend – „Hochzeit des Figaro“ als Marionettentheater

Das Finale von Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“: Graf Almaviva bittet die Gräfin mit einem Kniefall um Verzeihung, während sich Susanna und Figaro (links) und die anderen Paare zum Schlussbild zusammen finden. Foto: Zürcher

Kronberg (pf) – Eine richtige Opernaufführung, dazu noch mit Weltklassesängern, einem stimmungsvollen Bühnenbild und bezaubernden Kostümen, das hat es in Kronberg bisher noch nicht gegeben. Am Samstagabend wurde dieses Ereignis Wirklichkeit. Im Festsaal des Altkönig-Stifts erklang Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“, in den Hauptrollen gesungen von Hermann Prey, Hilde Güden, Walter Berry und Anneliese Rothenberger. Die Akteure, denen diese längst verstorbenen berühmten Opernstars ihre Stimme liehen, waren allerdings gerade einmal 65 Zentimeter groß und hingen an Fäden. Es waren Marionetten, die von fünf unsichtbaren Puppenspielern geführt wurden. Das aber so virtuos, dass die Illusion perfekt war. Man konnte tatsächlich meinen, die auf der entsprechend kleinen Bühne agierenden Puppen würden tatsächlich singen.

Das bereits vor zwölf Jahren mit dem Rotary-Förderpreis für herausragendes kulturelles Engagement in Marburg ausgezeichnete Marionettentheater Schartenhof aus dem nordhessischen Biedenkopf-Eckelshausen, das mit seinen Operninszenierungen schon Gastspiele in Italien, Österreich und der Schweiz gab, war mit Mozarts komischer Oper zu Gast im Altkönig-Stift. Es ist eine verworrene Geschichte, die da erzählt wird. Der verheiratete Graf Almaviva stellt Susanna nach, der Dienerin seiner Frau nach, und das ausgerechnet an dem Tag, an dem sie seinen Kammerdiener Figaro heiraten will. Cherubino, der Page des Grafen, der in alle Frauen gleichermaßen verliebt ist, kommt ihm dabei immer wieder in die Quere und löst, als er bei der Gräfin „ertappt“ wird, beim Grafen einen heftigen Anfall von Eifersucht aus.

Und Marcellina, die Figaro Geld geliehen hatte, besteht darauf, dass dieser sein ihr als Sicherheit gegebenes Eheversprechen einlöst. Aber dann stellt sich heraus, dass Figaro ihr als Baby geraubter Sohn ist. Und so gibt es zum Schluss nicht nur eine Doppelhochzeit, sondern auch eine Versöhnung zwischen dem gräflichen Paar.

Loriot hat die Handlung in seinem „kleinen Opernführer“ so auf den Punkt gebracht: „In dem dreistündigen Eifersuchtsdrama wird zwar mehr gesungen, als es bei ehelichen Auseinandersetzungen sonst üblich ist, aber im Grunde hat sich in diesem Punkt bis heute kaum was geändert. Nur macht man eben nicht jedesmal eine Oper draus.“

Das allerdings wäre schade gewesen – nicht nur um die wunderschöne Musik, die Mozart dazu komponiert hat, sondern auch um die bezaubernden Marionetten, die die Puppenkünstlerin Annemarie Gottfried für diese Oper entworfen und angefertigt hat. Jeden Charakter hat sie treffend porträtiert und in Gewänder gekleidet, die durch kostbare Stoffe und viele liebevolle Details entzücken. Das mobile Marionettentheater, hergestellt aus federleichtem Metall, aus dem Flugzeugküchen gebaut werden, und die stimmungsvollen Bühnenbilder hat ihr Schwiegersohn Heinz Zürcher gestaltet, ein vielseitiger Künstler, dessen Aquarelle bereits im vergangenen Jahr im Altkönig-Stift ausgestellt waren.

Die wichtigsten Personen Samstagabend, die jedoch die meiste Zeit im Verborgenen wirkten, waren die fünf Puppenspielerinnen und -spieler, unter ihnen Annemarie Gottfrieds Enkeltochter Mareile Zürcher. Ihrer Kunst war es zu verdanken, dass die Opernaufführung zu einem lebendigen und unvergesslichen Erlebnis wurde. Als das Marionettentheater Schartenhof 1997 gegründet wurde, gingen sie alle noch zur Schule. Heute, längst erwachsen und im Berufsleben stehend, kommen sie zu den Aufführungen und Gastspielen immer wieder zusammen, nicht nur aus Oberhessen, sondern aus vielen Regionen Deutschlands, sogar vom Bodensee, aus der Nähe von Bregenz, wo einer von ihnen bei den Bregenzer Festspielen tätig ist.

Wie virtuos sie die Marionetten an ihren vielen Fäden über die Bühne wirbeln lassen und zum Leben erwecken, konnten die Opernbesucher Samstagabend hautnah erleben. Denn als sich nach dem letzten Akt und dem Schlussbild der Vorhang der kleinen Bühne geschlossen hatte, öffnete sich nach dem begeisterten Applaus der Vorhang auch zum „Obergeschoss“ noch einmal. Erneut erklang die Musik der letzten Szene und das Publikum konnte zusehen, wie geschickt sich die fünf Marionettenspieler auf den Stegen oberhalb der eigentlichen Bühne hin und her bewegten, damit Figaro und Susanna, Marcellina und Bartolo, die Gärtnerstochter Barbarina und Cherubino sich zusammen finden und der Graf vor seiner Gräfin auf die Knie fallen konnte, um für seinen versuchten Seitensprung um Verzeihung zu bitten. Und wie es bei einer Opernaufführung üblich ist, verbeugten sich hinterher die Marionetten vor dem geschlossenen Vorhang vor ihrem Publikum und applaudierten mit ihren Puppenhänden denen, die im Hintergrund dafür gesorgt hatten, dass alles klappte.

Denn das Ensemble war Freitagnachmittag schon angereist, hatte bis in die Nacht hinein die Marionettenbühne aufgebaut, die Lautsprecheranlage installiert und die Puppen aus ihren Transportkartons befreit, damit sie Samstagabend ihren großen Auftritt haben konnten. Und damit auch die Opernbesucherinnen und -besucher in den hinteren Reihen des Festsaals alles gut sehen und beobachten konnten, hatte das Altkönig-Stift eigens eine Leinwand seitlich der Bühne installieren lassen, auf die eine Kamera das Geschehen übertrug.

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