Kronberg (pf) – „Nachdem ich sechs Jahre kein Kornfeld mehr gesehen hatte, wusste ich, dass etwas in meinem Leben nicht in Ordnung war,“ sagt Klaus Fußmann. Der 1938 im Rheinländischen Velbert geborene Künstler, der von 1962 bis 1966 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin studierte und dort von 1974 bis 2005 als Professor lehrte, gehört zu den wichtigsten und bekanntesten Landschafts- und Blumenmalern unserer Zeit. Seine Arbeiten wurden mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht. Er erhielt die Preise der Villa Hammerschmidt in Bonn, der Villa Romana Florenz, den Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen und den Kunstpreis der Stadt Darmstadt. Seit Sonntag sind 40 seiner Werke aus über 40 Jahren seines Schaffens im Museum Kronberger Malerkolonie zu sehen.
1972 entdeckten Klaus Fußmann und seine Frau den kleinen Ort Gelting an der Ostsee unweit der Flensburger Förde für sich. Seitdem war für ihn die Welt wieder in Ordnung. Blumen, Gärten, die Landschaft Schleswig-Holsteins mit ihren blühenden Rapsfeldern, die Ostsee mit Segelbooten, die geduckten roten Backsteinhäuser hinter vom Wind zerzausten Bäumen, der weite Himmel Norddeutschlands und Lastkähne auf der Flensburger Förde, das sind Motive, die ihn zu immer neuen Bildern anregen.
Kuratorin Dr. Ingrid Erhardt bezeichnete sie in ihren einführenden Worten als gemalte Poesie. In den 70er-Jahren faszinierten den Künstler Leere und Stille. Er malte mit zarten Weiß-, Grau- und Brauntönen. Das Sensationelle an seinen Bildern ist die Sensationslosigkeit, urteilte damals ein Kritiker. Er setzte sich mit dem in den 40er-Jahren in Frankreich entstandenen Tachismus auseinander, malte einen Tisch, der nur scheinbar Halt zu geben verspricht. Er malte ein Fenster in seinem Berliner Atelier, durch das er die Außenwelt distanziert betrachtet.
Ein Wendepunkt seiner Arbeit war die Wiederentdeckung der Natur mit ihrer Farbenpracht. In einem wahren Farbenrausch – so auch der Titel der Ausstellung in der Streitkirche – brachte und bringt er seitdem immer wieder Blumen, Gärten und Landschaften auf die Leinwand. Dabei geht es ihm vor allem darum, einen Augenblick festzuhalten, Bewegungen und Veränderungen. Es geht ihm um Schönheit und Ästhetik, um Kunst und Empfindung. Und obwohl ihm bewusst ist, dass in den Archiven der Museen schon unendlich viele Landschafts- und Blumenbilder liegen, eigentlich alles schon gemalt ist, beginnt er immer wieder von vorn. Denn er weiß auch, so drückte es die Kuratorin aus, dass die Erwartung an die Malerei nicht erfüllt wurde.
Bei Bildern aus der jüngsten Zeit hat er die Farben in kräftigem Gestus aufgetragen, aus der Farbe üppige Farbreliefs modelliert, so Dr. Erhardt. Der Künstler selbst spricht von der Brockigkeit der Farben. Bei dieser Art des Malens erschließt sich das Motiv erst, wenn der Betrachter vom Bild zurücktritt. Erst dann verbinden sich wieder die Farben zum Sujet.
„Kunst ist dasselbe wie Geld: Man kann es nicht erklären“, meinte Klaus Fußmann schmunzelnd. Beides kann Schein sein. „Es kommt darauf an, was drauf ist. Und man muss daran glauben, an die Kunst ebenso wie an das Geld.“ Trotz seiner über 70 Jahre sei er ebenso ratlos wie vorher, wenn es darum geht, die Welt zu erklären, gestand er. Dennoch hat er seine Überzeugung gefunden. „Sie müssen an etwas glauben, an die Sinnhaftigkeit der Welt.“
Die Ausstellung im Rahmen der Reihe „Begegnungen“ schlägt wiederum eine Brücke zwischen heutigen Künstlern und den Künstlern der Kronberger Malerkolonie. „Kunst ist etwas Lebendiges, das sich nicht erschöpft in Bildern, die man kennt“, meinte Hans Robert Philippi, Vorsitzender der Museumsgesellschaft in seinen Begrüßungsworten. Wie damals die Kronberger Maler, zieht es auch Klaus Fußmann immer wieder in die Natur, um dort zu malen. Dabei habe er auch zum Aquarell zurück gefunden, sagte der Künstler, obwohl diese Malerei als zu weich verpönt war. In der Streitkirche sind ausschließlich Bilder von Klaus Fußmann aus Privatbesitz zu sehen. Die Ausstellung „Farbenrausch“ ist noch bis zum 3. August geöffnet, jeweils mittwochs von 15 bis 18 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 11 bis 18 Uhr.
Am kommenden Sonntag, 8. Juni (Pfingstsonntag), wird eine öffentliche Führung um 11.15 Uhr mit Veronika Grundei angeboten. Das Museum Kronberger Malerkolonie hat auch Pfingstmontag von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Das Sujet der Lastkähne auf der Flensburger Förde erschließt sich in diesem kleinformatigen Gemälde dem Betrachter erst, wenn er mehrere Schritte zurück tritt.