Gemeinsam die Welt retten – Philipp Rösler bei Accenture

Kronberg (aks) – Frank Riemensperger, Senior Managing Director von Accenture, stellte am Mittwochabend Ex-Vizekanzler und Vorstand des World Economic Forum, Philipp Rösler, im Rahmen der Campus Kronberg Gespräche als „besonderen Gast mit großer Freude“ vor. Der 43-jährige ehemalige Bundesvorsistzender der FDP, deutete gleich auf seine schwarze Krawatte und erklärte diese gestenreich mit dem Staatsakt zum Abschied von Walter Scheel, von dem er gerade kommt.

Bernhard Mattes, AmCham-Chef und Vorstandsvorsitzender von Ford, stellt kurz die Mission des World Economic Forum vor, die über die jährlichen Treffen in Davos hinausgeht: „Committed to improving the state of the world.“ Hier treffen sich Weltverbesserer im besten Sinne, denen das World Economic Forum eine Plattform für Dialoge bietet. Vertrauen ist das A und O, damit ist der promovierte Mediziner gleich beim Thema als Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums (WEF), einer Stiftung mit Sitz in Cologny in der Schweiz, die globale Themen aufgreift und diese gemeinsam mit international führenden Wirtschaftsexperten, Politikern, Intellektuellen und Journalisten diskutiert.

Als Bundesminister für Gesundheit und für Wirtschaft und Technologie war er bis 2013 politisch in der FDP aktiv. Heute reist er zwar noch mehr als früher, zirka 100.000 Meilen im Jahr, dennoch gefällt ihm seine Aufgabe als Kämpfer für eine bessere Welt. Nicht nur in Davos, sondern in vielen regionalen Treffen weltweit bietet er unterschiedlichen Teilnehmern und Parteien Möglichkeiten für einen konstruktiven Dialog.

Er hat nicht nur mehr Zeit für die Familie, sondern ist auch nicht mehr so schonungslos den Medien ausgesetzt, wie er es als Politiker war. Immer hörte und las er, er sei „zu jung“, egal welche Entscheidungen er traf. Ab 2014, mit 40 Jahren, stellte er sich den globalen Themen und ermutigt heute die Diskussionen und Debatten zu schwierigen Themen, die die Welt bewegen. Weltweite Kriege, Krisen, Flüchtlinge und auch den Brexit sieht er als Chance, nach dem Motto: „Never miss a crisis!“. Seine freie Rede ist erfrischend und kommt gut an beim Publikum. Er wirkt authentisch, natürlich und setzt auch seine Mimik wirksam ein. Sein Thema sind die aktuellen globalen Veränderungen, die allgemein zu Verunsicherung führen. Immer schneller dreht sich die Wirtschaft, die digitale Welt macht der realen Welt Konkurrenz. Hat man vorher die Produktion in Billiglohnländer ausgelagert, denkt man in der Industrie 4.0 über Roboter nach – und bleibt vor Ort. Auch die politischen Herausforderungen wie der Brexit und die weltweiten Konfliktzonen schürten den „Orientierungswunsch“, dem weltweit mit schlichten, „allzu schlichten“, Antworten entsprochen werde. Damit erklärt er die Zunahme an Populismus und Polemik – nicht nur in Zeiten des Wahlkampfs. Immer wieder wird der Bürger mit Versprechungen geködert und „wenn es dann zum Schwur kommt“, würden immer neue Fantasien aus dem Hut gezaubert, „statt zu sagen, es geht nicht anders!“. „Das Bedürfnis nach Vertrauen und politischer Führung erklärt die aktuelle emotionale Lage“, so sieht es Rösler.

Mission

Das Weltwirtschaftsforum, World Economic Forum, fördert die öffentliche und private Zusammenarbeit mit den 1.000 größten Unternehmen, jedes mit einem Umsatzvolumen von mindestens 5 Milliarden Euro und finanziert sich über Mitgliedsbeiträge.

Es handele sich um eine starke Gemeinschaft, die allerdings nicht nur aus Freunden bestehe. In Davos haben sich schon Staatschefs die Hände gereicht, die sich jahrelang aus dem Weg gingen. Dass bei aktuellen Krisen auch Partner vom runden Tisch wieder ausgeladen werden, zeigt das Beispiel Südkorea und Nordkorea. Eine friedliche Diskussion schien nicht wahrscheinlich. 3.500 Teilnehmer werden für das Treffen in der Schweiz ausgewählt, dabei ist nicht jede Debatte öffentlich. Das gehört zur Vertrauensbildung, betont Rösler immer wieder. Anders als in der Politik könne jeder mit absoluter Diskretion rechnen. Eine gute Dialogkultur sei dafür Voraussetzung, nämlich „zuhören – verstehen – lernen – umsetzen“. Da er, wie er sagt, mit 650 Mitarbeitern weltweit nicht alles abdecken kann, ist die Plattform-Idee wichtig und die sich daraus ergebende Vernetzung.

Lernen, verstehen, entscheiden

„Was haben die klassische Industrie und Start-ups voneinander gelernt?“ Diese Frage sollte in Berlin geklärt werden. Obwohl Rösler als Politiker noch eingebläut wurde, niemals zuzugeben, wenn man keine Ahnung hat, überraschte ihn die Kanzlerin mit ihrer freimütigen und ehrlichen Aussage zum Thema: „Das ist für mich Neuland!“

Die „share economy“ mit Unternehmen wie Uber und Airbnb müsse auch verstehen, dass es der Politik immer um das Gemeinwohl geht. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch erlaubt. Rösler gelingt es, in seiner geistreichen, unverblümten Art, der es nicht an Humor mangelt, Bilder in die Köpfe der Accenture Gäste zu zaubern, die nicht nur spannend, sondern auch emotional sind. Man kann ihn gut verstehen. Das WEF arbeite im Übrigen mit allen Glaubensrichtungen zusammen, das sei wichtig für geopolitische Entscheidungen, auch den Papst habe er schon besucht.

Umsetzung

Im besten Fall führen erfolgreiche Dialoge während der internationalen Treffen zum Verständnis der Gegenseite. So könnten die Teilnehmer neue Ideen und Lösungen in die Welt tragen. Zur Flüchtlingskrise beispielsweise hatte das WEF Königin Rania von Jordanien, internationale Unternehmer und die Stellvertretenden Ministerpräsidenten von Belgien und der Türkei an einen Tisch gebracht. Ein Freihandelsabkommen wurde unterzeichnet. Dazu trug maßgeblich ein türkischer Kurde bei, der in kürzester Zeit in den USA mit griechischem Joghurt zum Milliardär wurde und die Hälfte seines Vermögens als Unterstützung spendete.

Rösler fasst zusammen: Drei Dinge sind wichtig: Der Mut, Entscheidungen zu treffen, die Kompetenz, die richtige Entscheidung zu treffen und die Motivation der Menschen, diese umzusetzen.

Nun ist Manfred Köhler, Leiter der Wirtschaftsredaktion der FAZ am Zug: „Feuer frei!“

Er selbst kreist um die Frage nach den Eliten: Sind die noch zeitgemäß? Rösler spricht von Veränderungen in der Gesellschaft, von „open forum“ und Transparenz. Auch NPOs wie Oxfam und Amnesty International würden beim WEF gehört, vor allem, wenn ähnliche Ziele verfolgt werden. So hätten bereits 10 Millionen Kleinbauern in Afrika wirtschaftliche Unterstützung erhalten.

Auf die Frage, ob er rückblickend als Politiker nicht auch viel versprochen hätte, antwortet Rösler entwaffnend ehrlich: „Das ist nicht so einfach, manchmal sind Notlügen erlaubt.“ Damit wolle er nichts entschuldigen, aber erklären.

Zum Thema TTIP Freihandelsabkommen, das Rösler als Politiker selbst befürwortete, zitiert er den US-Handelsbeauftragten Mike Froman, der Desinformation und Mythenbildung in Europa kritisiert: „Der Anfang der Verhandlungen war super und am Ende geht es nur noch um Chlor-Hühnchen!“ Die rationale Ebene mit guten Argumenten hat gegen Emotionen keine Chance, wenn sie von Populisten und Demagogen zu Parolen verkürzt werden, so Röslers Kommentar. Er zitiert Walter Scheel, früherer FDP-Chef, der im August dieses Jahres verstarb: „Nicht machen, was populär ist, sondern was richtig ist, damit es populär wird.“

Kurz und knapp die Antwort auf die Frage: „Können Sie sich vorstellen in die Politik zurückzukehren?“ „Nee!“. Und ist die FDP im nächsten Bundestag wieder dabei: „Sowas von!“. Nach dem hoffnungsvollen Vortrag erfreuten sich viele Teilnehmer auf der Terrasse des Campus Kronberg an der atemberaubenden Aussicht auf das hell erleuchtete Frankfurt, feine Häppchen inklusive – und obwohl Accenture einen Vertrag mit der Zukunft hat, kamen die auch diesmal nicht aus dem 3D-Drucker.

Vereinte Weltretter, v.l.n.r. Frank Riemensperger, Accenture, Philipp Rösler, World Economic Forum und Manfred Köhler, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Foto: Sura



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