Goethe-Uni-Professoren referieren über Medizin und deren Fortschritte

Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz

Foto: S. Puck

Kronberg (pu) – Dieser Tage weilte die Frankfurter Goethe-Universität nach 2014 erneut zu einem Vortragsabend in der Stadthalle, dieses Mal unter die Überschrift „Welche Krankheiten sind in Zukunft heilbar?“

Unbestritten und durch Studien belegt wird die Menschheit immer älter. Zu den diese Entwicklung vorantreibenden Faktoren zählen unter anderem bemerkenswerte medizinische Fortschritte. Hatten einst in der Regel schon banale Infektionskrankheiten den frühzeitigen Tod zur Folge, muss das heutzutage dank innovativer Arzneimittel mitnichten sein. „Das Ziel, mithilfe von innovativen Arzneimitteln das Leben zu verlängern und die Qualität nachhaltig zu erhalten, ist nach wie vor einer der stärksten Motoren für Forschung und Entwicklung in den pharmazeutischen Wissenschaften und der Pharmaindustrie“, führte Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident der Goethe-Universität und Professor am Institut für Pharmazeutische Chemie, dem interessierten Kronberger Publikum vor Augen.

In diesem Zusammenhang erinnerte er an eine der namhaftesten Koryphäen und Vorbilder vergangener Jahre, den 1915 in Bad Homburg verstorbenen deutschen Nobelpreisträger Paul Ehrlich, der als „Vater der modernen Chemotherapie“ Therapien und Theorien entwickelte, die nicht nur zahllosen Menschen das Leben retteten, sondern an denen bis heute intensiv weitergeforscht wird. Und dieser Prozess hat rasant an Fahrt aufgenommen. Allein in den letzten 20 Jahren wurden in Deutschland laut Schubert-Zsilavecz mehrere Hundert neue Arzneistoffe in die Therapie eingeführt. Nach den Kriterien der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft für die Beurteilung von Arzneimittelinnovationen gelten solche Arzneistoffe als Sprunginnovationen, die ohne Orientierung an bereits bekannten Wirkstoffen völlig neu entwickelt wurden und als erste Vertreter einer neuen Stoffklasse einen bedeutenden therapeutischen Fortschritt markieren.

Mittlerweile kommen verstärkt biogene Arzneistoffe (arzneilich verwendete Wirkstoffe aus Pflanzen, Pilzen, Bakterien oder aus tierischen und menschlichen Bestandteilen), zum Einsatz wie Schlangengiftkomponenten zur Blutgerinnung, Bekämpfung von Bluthochdruck, in der Neurobiologie, Krebsforschung oder der Homöopathie (Rheuma). „Wer heute noch an Bluthochdruck leidet, geht nicht zum Arzt oder wird nicht richtig behandelt“, erklärte der Vizepräsident der Goethe-Universität mit Nachdruck. Ähnliches gelte beispielsweise für Osteoporose, die mithilfe moderner Arzneimittel (Bisphosphonate) im Griff sei oder der Behandlung von Hepatitis C-Virusinfektionen, dem lange Zeit häufigsten Grund für Lebertransplantationen, bis 2011 ein Durchbruch gelang. „Gab es damals lediglich zwei Mittel, mit deren Hilfe lediglich vier von zehn Patienten erfolgreich behandelt werden konnten, kann man nunmehr die Krankheit an der Wurzel packen, sodass zehn von zehn Patienten innerhalb weniger Wochen beschwerdefrei sind.“

Ein Licht am Horizont überdies bei der Behandlung von schwarzem Hautkrebs, einem der laut Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz bis vor einigen Jahren „schwierigsten Feldern mit nur wenigen Zauberformeln für realistische Überlebenschancen“. Hier setzt man inzwischen unter anderem auf die Stärkung des körpereigenen Immunsystems, kann damit „die Lebenserwartung immerhin schon um mehrere Monate verlängern, was als ein erster erfolgreicher Schritt in die richtige Richtung anzusehen ist“, so der Wissenschaftler. Apropos Schritt in die richtige Richtung: Nach den Worten des Seniorprofessors am Institut für Pharmazeutische Biologie, Prof. Dr. Theo Dingermann, der ebenfalls an diesem Abend referierte, ist „Impfen die beste Vorsorgemaßnahme, jeder Einzelne trägt Verantwortung Krankheiten zu verhindern – auch im Alter!“ So empfehle die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut ab dem 60. Lebensjahr die jährliche Impfung gegen Influenza (Grippe) und Pneumokokken (häufigster Erreger von Lungenentzündungen). Generell sollten für jeden ab Geburt, so der Professor, mindestens Impfungen gegen Tetanus/Diphterie, Keuchhusten und Hepatitis-B-Viren zum Standardprogramm gehören. „Die gute Nachricht dabei ist, nach vorliegenden Erkenntnissen scheinen etwa 25 Prozent aller Tumore durch Viren verursacht zu werden, damit könnten diese Tumore in Zukunft durch Impfen präventabel werden!“

Zunehmend an Bedeutung gewinne ferner die „Personalisierte Medizin“, ein auf moderner Diagnostik einschließlich Gendiagnostik basierendes Behandlungskonzept, das Patienten zum einen schneller zu einer für sie geeigneten Therapie verhelfen soll und zum anderen das Gesundheitswesen effizienter machen kann. Nach aktuellem Stand der Dinge stehen bisher etwas mehr als 30 derartige Medikamente in Deutschland zur Verfügung.

Der Vortragsabend der Goethe-Universität machte eines deutlich: Die Weiterentwicklung der schon seit vielen Jahren zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen eingesetzten Stammzell-Therapie oder jüngste Forschungsergebnisse wie die Gen-Schere nähren einerseits die Zuversicht, dass Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Rheumatische Arthritis, um nur einige zu nennen, in Zukunft möglicherweise ihre Schrecken verlieren könnten. Andererseits sehen viele Wissenschaftler durch diese Quantensprünge kolossale Risiken, vor allem bezüglich ethischer Grenzen. Nicht nur die Vision eines im Labor gezüchteten Menschen scheint näher denn je, auch die Zukunft etwa der als „größter Killer der Menschheit“, der Malaria übertragenden Stechmücke, ist ungewiss. Mittels „Gene Drive“, in diesem Fall genetisch präparierter Mücken, existiert die Chance Malaria auszurotten. Allerdings wirft das wiederum die große Frage auf, ob man eine Spezies gänzlich ausrotten kann, wenn sie als „größter Killer der Menschheit“ gilt. Die Gesellschaft wird sich mit diesen Themen auseinandersetzen müssen.

Zu Beginn des Vortragsabends hatte Bürgermeister Klaus Temmen seiner Freude über den erneuten Besuch der Goethe-Universität in der Burgstadt ebenso Ausdruck verliehen wie der Hoffnung, dass „diese guten Beziehungen vertieft werden und aus dieser Kooperation eine Tradition wird“.

Unter den Gästen weilte auch Prof. Dr. Wilhelm Bender, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern, der um finanzielle Unterstützung für die forschungsstarke Hochschule warb, die nach dem Ersten Weltkrieg am 18. Oktober 1918 wiedereröffnet wurde. Dieser Tag wird im nächsten Jahr gebührend gefeiert werden. Der Vortragsabend wurde durch eine Fragerunde und der Möglichkeit bei Getränken und Gebäck ins Gespräch zu kommen, abgerundet.



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