Die Heiligenfigur von Martin Biterich dokumentiert Schönberger Geschichte

Die Heiligenfigur von Martin Biterich Foto:

Kronberg. – Vor einigen Tagen stöberte ich in den Weiten des www. Eigentlich war ich auf der Suche nach einer geeigneten Fotografie der St. Josephs-Figur in der katholischen Kirche von Oberhöchstadt. Die wertvolle und seltene Figur stammt vom Mainzer Bildhauer Johann Kaspar Hiernle (1710-1755). Es fanden sich ein halbes dutzend Fotografien des Innenraums der Oberhöchstädter Kirche. Stets nur eine Fernaufnahme. Ich fange an mich zu ärgern. Es hilft ja alles nichts, ich muss mal wieder selbst hinfahren und eine Aufnahme machen, dachte ich mir. Warum interessiert man sich so wenig für Heiligenfiguren? Dabei sind sie doch so spannend, erzählen uralte Geschichten von heiligen Männern und Frauen. Und wenn man dann noch den Urheber des Bildwerks kennt, wie spannend und plastisch wird die Figur dann noch zusätzlich. So kreisten meine Gedanken. Schließlich dachte ich mir, nun gut, ich schaue weiter. Moment…wer ist denn das? Sie kenne ich nicht…Schönberg…ja bei Kronberg…Privatbesitz…Ich schaue mir die Figur an. Das ist eine Holzfigur von Martin Biterich (1691-1759) aus Mainz. Ich rief sofort Max Werner Kahl an, in dessen Besitz sich die Figur befindet und teilte die erfreuliche Nachricht mit. Er erzählte mir erfreut einiges zur Skulptur: Bis zirka 1968/70 befand sich die Heiligenfigur im Besitz von Anna Stock in Schönberg, in der St. Albanusstraße. Das Haus existiert heute nicht mehr. Dafür aber die Figur. Über ihren Vater, der nach eigenen Angaben gern „altes Zeugs“ sammelte, kam die Heiligenfigur in den Besitz von Anna Stock. Die Figur einer weiblichen Heiligen soll, so hatte sie es von ihrem Vater erfahren, aus dem alten Kloster stammen.

Mit dem alten Kloster sind die alte Klause und das dazugehörige Kirchlein auf dem Eichbühl gemeint. Die Gebäude wurden 1763 wegen Baufälligkeit abgebrochen und die Steine für die jetzige St. Albanskirche verwendet. Zu diesem Zeitpunkt muss die Heiligenfigur mit anderen Ausstattungsobjekten entweder in die neu errichtete St. Wendelinskapelle oder in die Pfarrkirche gekommen sein. Wahrscheinlicher ist, dass diese Heilige in der Wendelinskapelle stand, denn diese wurde erst wesentlich später als das Kloster abgebrochen und das Inventar kam dann womöglich in Privatbesitz. Als Geschenk für fleißiges Rasenmähen kam die Heiligenfigur in Besitz von Max Werner Kahl, denn dieser interessierte sich für die Figur. Die Heilige hat ihre Attribute verloren.

Allerdings soll sie in einer Hand eine „Blume“ gehalten haben. Mit einer Blume war ein Lilienstengel gemeint. Das bestätigte mir Herr Kahl. In der rechten Hand hielt sie vielleicht ein Kreuz. Die weibliche Heilige ist vermutlich die Heilige Thekla von Ikonium, die u.a. als Patronin der Viehzucht gilt. Vielleicht wurde sie zusammen mit dem Hl. Wendelin auf dem Schönberger Eichbühel verehrt. Sie hatte auch im Erzstift Mainz eine sehr große Bedeutung. In Mainz gab es eine Thekla-Bruderschaft.

Martin Biterich dürfte den Kennern des Mainzer Barock ein Begriff sein. Er ist 1691 in St. Jakob am Arlberg in Tirol geboren worden und starb 1759 in Mainz. Während seine Figuren im Rheingau und Rheinhessen recht häufig vorkommen, sind sie vor den Toren Frankfurts eher selten. In der Nähe von Kronberg sind mir nur Figuren von ihm in Seelenberg, Neuenhain, Sossenheim bekannt. In Oberursel sogar eine Kreuzigungsgruppe auf dem Hochaltar der St. Barbara-Kapelle. Die Industrialisierung im 19. Und 20. Jahrhundert hat seine Bildwerke im Mainbecken und am vorderen Rand des Taunus verschwinden lassen. Es ist daher kaum möglich die Freude auszudrücken, die man empfindet, wenn man solchen Heiligenfiguren in Privatbesitz begegnet. Es ist kaum zu glauben, dass sich ein derart wichtiges Stück Schönberger Geschichte versteckt erhalten hat.

Zur Person des „Heiligenjägers“

Ich heiße Alexander Wißmann, 31 Jahre alt, wohne zur Zeit in der Gemeinde Heidenrod des Rheingau-Taunus-Kreises. Meine Leidenschaft waren und sind bildliche Darstellungen von Heiligen. An der Goethe-Universität habe ich vor einigen Jahren meinen Abschluss in Kunstgeschichte und Skandinavistik gemacht. Seit zirka einem Jahr arbeite ich für die Pfarrgruppe Eltville im Rheingau (Diözese Limburg), wo ich basierend auf meinem eigenen entworfenen Projekt die sakralen Kunstgüter der dortigen Kirchen inventarisiere und erforsche. Als Redakteur beim Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität in Mainz bin ich ebenfalls seit Kurzem tätig.

Schon seit dem Ende meines Studiums arbeite ich am interdisziplinären Projekt Nordic Images and Perspectives (Wilhelm Merton Zentrum, Frankfurt) mit, das von Helena Lissa Wiessner, meiner ehemaligen Dozentin, gegründet worden ist und im letzten Jahr durch eine Ausstellung Via Finlandia die Ehrengastschaft Finnlands an der Frankfurter Buchmesse begleitet hat. Seit einiger Zeit arbeite ich an meinem Promotionsvorhaben im Fach Kunstgeschichte an der Mainzer Universität. In meiner Freizeit mache ich das, was ich während meiner Arbeitszeit größtenteils auch mache: Heiligenfiguren suchen.



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