Kronberg (pu) – Das 50-jährige Bestehen des Abwasserverbands Kronberg bot am Wochenende einen willkommenen Anlass für ein Fest für die ganze Familie auf der Kläranlage, Im Tries.
Bei der Aussage „Wasser ist Leben“ denken die meisten unwillkürlich an Trinkwasser. Dass diese wertvolle Ressource tagtäglich in großen Mengen auch als häusliche Durchgangsposten beim Händewaschen, Zähne putzen, Toilettengang, Duschen, Putzen und vielem mehr in die Kanalisation gespült wird, daran verschwendet kaum einer einen Gedanken. „Jahrhundertelang ließ man Abwasser in den Boden versickern oder leitete es ungereinigt in Gewässer ein“, erinnerte Dirk Bräutigam, stellvertretender Betriebsleiter der Kläranlage, die Teilnehmer einer Führung, die im Laufe des „Tages der offenen Tür“ mehrmals für Interessierte angeboten wurde.
Die Anfänge
Der Blick in die Historie macht deutlich, die Vorreiterrolle in Sachen „Optimierung der Abwasserentsorgung“ übernahmen die Engländer. Zum Ende des letzten Jahrhunderts reifte besonders in dortigen industriellen Ballungszentren die Erkenntnis, dass allein die Ableitung des Abwassers aus den Siedlungsgebieten nicht ausreicht. Die negativen Auswirkungen der Einleitungen und die damit verbundene Verschmutzung der Fließgewässer waren unübersehbar. Durch die Inbetriebnahme erster Kläranlagen sollten auf konzentriertem Raum, die zuvor für Bäche und Flüsse beschriebenen Vorgänge vorweggenommen werden. Mithilfe der gesammelten Erkenntnisse wurde das Verfahren schließlich Schritt für Schritt verfeinert.
Diese Entwicklung sprach sich auch im Taunus herum. Ein erster Meilenstein wurde mit der Gründung des Abwasserverbandes Kronberg am 23. März 1965 durch die Stadt Kronberg und die damals noch selbstständigen Gemeinden Schönberg, Mammolshain und Falkenstein gesetzt. Gemeinsam nahm man sich des hehren Ziels an, die Abwasserprobleme zu lösen. Als erster Schritt erfolgte der Neubau der Verbandssammler mit dem Zweck, das anfallende Abwasser der Verbandsmitglieder der geplanten Kläranlage Im Tries zuzuleiten. Deren Baubeginn datiert aus dem Jahr 1969. Zwei Jahre später ist die Inbetriebnahme der neuen Anlage mit Regenbecken, Sandfang und kombiniertem Belebungs- und Nachklärbecken, Betriebsgebäude und Wohnhaus für Bedienstete notiert. Höhere Anforderungen an die Ablaufqualität machten schon vier Jahre später eine Erweiterung um ein größeres Nachklärbecken, einen belüfteten Sandfang und eine Schlammbehandlung notwendig. 1992 rollten erneut die Bagger an. Dieses Mal stand die Vergrößerung des Wohnhauses durch einen Erweiterungsbau mit vier Wohneinheiten und einer Büroetage auf der Agenda. Wiederum strengere Anforderungen an die Wasserqualität erforderten 1994 die bisher größte Umbaumaßnahme in der Geschichte des Verbandes. Um die vom Gesetzgeber vorgeschriebene gezielte Entfernung von Phosphat und Stickstoff umsetzen zu können, mussten die bestehenden Betonbauwerke saniert, um weitere Becken ergänzt und die komplette Maschinen- und Elektrotechnik auf den neuesten Stand gebracht werden. Diese Maßnahmen waren 1998 abgeschlossen. Seither trägt die Kläranlage Kronberg mit einer hervorragenden Reinigungsleistung zu einer erheblichen Qualitätsverbesserung des Gewässers bei.
Viertägiger Klärvorgang
Das ankommende Abwasser von rund 20.000 Menschen aus dem Einzugsgebiet Königstein, Falkenstein, Mammolshain, Kronberg und Schönberg kommt zunächst in der mechanischen Stufe mit Rechen- und Sand-/Fettfang an. Oberhöchstädter Schmutzwasser ist übrigens nicht dabei. Es fließt über Eschborn und Steinbach in die Kläranlage Frankfurt. Zuständig ist der Abwasserverband Westerbach, ein Verband der Städte Kronberg und Eschborn.
Die Rechen entfernen gröbste Verschmutzungen wie Faserstoffe, Hygieneartikel und andere Störstoffe. Organische Inhaltsstoffe fließen nach dem Durchlauf einer Waschpresse wieder in den Abwasserstrom zurück. Der Rest wird weitgehend entwässert, in einem Container gesammelt und der externen Verwertung zugeführt. Im nachfolgenden Sand- und Fettfang ist die Fließgeschwindigkeit reduziert, damit Stoffe, die schwerer als Wasser sind wie Sand, Splitt und Ähnliches, absinken. Eine Pumpe fördert das Sand-Wasser-Gemisch in einen Sandklassierer, zur Trennung. Der Sand wird in einen Container für externe Verwertung abgeworfen, das Trübwasser aus dem Klassierer dem Kläranlagenzulauf zugeleitet. Die oben schwimmenden Fette, Öle und andere Schwimmstoffe landen ebenfalls in der externen Verwertung.
Der mechanischen Vorreinigung folgt die Belebung im entsprechenden Becken. „Wir haben Millionen freie Mitarbeiter“, lenkte Dirk Bräutigam mit einem Augenzwinkern den Blick auf unzählige Mikroorganismen, die die Inhaltsstoffe des Abwassers für ihren eigenen Stoffwechsel verwerten. Dabei werden die gelösten und fein verteilten organischen Schmutzstoffe abgebaut. Dieser Vorgang entspricht dem Selbstreinigungsprozess in natürlichen Gewässern. Die Mehrzahl der Mikroorganismen benötigt dabei zusätzlich Sauerstoff, der mit Hilfe von Gebläsen durch eine Rohrleitung in das Belebungsbecken zugeführt wird. Beim Abbau der Schmutzstoffe bildet sich Belebtschlamm. Durch die guten Lebensbedingungen vermehren sich die Bakterien sehr stark und somit nimmt auch die Belebtschlammmenge zu. Die Belebung gehört zur „Biologischen Reinigungsstufe“.
Und weiter ging es zur nächsten Station, ins Nachklärbecken: zur Trennung von Belebtschlamm und gereinigtem Abwasser. Ein Teil des abgesetzten Belebtschlammes wird wiederum der Belebung zugeführt (Rücklaufschlamm), der andere Teil aus dem Reinigungsprozess entnommen und der Schlammbehandlung zugeleitet (Überschussschlamm), mit Flockungsmitteln versetzt, entwässert und weiter in den Container zur externen Verwertung geleitet. Das überstehende gereinigte Abwasser fließt nach abgeschlossener viertägiger Klärung über eine Überlaufrinne in den Vorfluter, den Sauerbornsbach. „Wir verbessern hier die Wassersituation in erheblichem Maße“, unterstrich der stellvertretende Betriebsleiter der Kläranlage.
Kontrolle und Ausblick
Der komplette Vorgang wird selbstredend strengstens kontrolliert. So werden im Venturikanal die Mengen des gereinigten Abwassers gemessen und Proben für Wasseruntersuchungen entnommen. Diese Analysen finden im eigenen Labor statt. In der Leitstelle hängt eine große Anzeigetafel für die Überwachung der technischen Abläufe. Insgesamt arbeiten auf dem Gelände der Kläranlage vier Fachkräfte für Abwassertechnik und ein Auszubildender.
„Die Tätigkeit ist abwechslungsreich und erfordert Wissen in Elektrotechnik, Mechanik und Labor und auch die Grünanlagen hier wollen gepflegt werden“, machte Bräutigam ein wenig Werbung in eigener Sache. Der „Tag der offenen Tür“ bot gleichzeitig Auffrischung darüber, was auf gar keinen Fall ins Abwasser sollte: Lacke, Farben, Lösungsmittel, Medikamente, Essensreste und andere Abfälle. Auch zu hoch dosierte Wasch- und Reinigungsmittel wirken sich negativ aus.
Die anfallenden Kosten für die Ableitung und Reinigung des Abwassers werden kostendeckend auf die Bürgerinnen und Bürger umgelegt. Weil nach dem derzeitigen Stand der Dinge die Kosten für den anfallenden Stromverbrauch in erheblichem Maße zu Buche schlagen, ist der Abwasserverband Kronberg auf fieberhafter Suche nach weiteren Optimierungsmöglichkeiten. Dies gilt auch für die effizientere Verwendung des Klärschlamms.
Wer am Wochenende keine Gelegenheit hatte, beim Familienfest mit Hüpfburg, Ponyreiten, den Miniaturbooten der Schiffs-Modell-Gemeinschaft Oberursel und Bewirtung der SG Oberhöchstadt mit Speis und Trank auf unterhaltsame Weise einen Blick in die Arbeit des Abwasserverbands und der Kläranlage zu werfen; die Abwasserexperten bieten Führungen für interessierte Bürger, Kindergärten und Schulen an, um über den sorgsamen und sparsamen Umgang mit dem Rohstoff Wasser zu informieren.
Weitere Informationen gibt es unter der Telefonnummer 927510 (Geschäftsstelle Abwasserverband) oder unter www.av-kronberg.de.