Laut trompetende Glücksvögel ziehen nach Südeuropa

Tagelang geht das schöne Himmelsschauspiel schon: Unzählige Kraniche ziehen tags wie nachts über Kronberg/Frankfurt gen Süden. Foto: Klaus Schlüter

Kronberg. – Aufmerksame Naturfreunde konnten bereits viele Schwärme des Kranichs, des laut trompetenden „Glücksvogels“ am Abendhimmel beobachten. „Gerade höre ich ihren Gesang wieder, allerdings ist es jetzt bereits dunkel“, schreibt uns unser Leser Dr. Klaus Schlüter, der im Nachmittagslicht ein schönes Foto (siehe oben) von dem beeindruckenden Vogelzug geschossen hat. „Wir beobachten den Zug jedes Jahr von unserem Balkon aus. So viele Zugvögel wie dieses Jahr haben wir bislang allerdings nicht gesehen.“ „In den letzten Tagen mit Hochdruckwetter waren tausende Kraniche nach Süden unterwegs“, erklärt Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen. Allein am Samstag und Sonntag seien über 10.000 Kraniche in Hessen gesichtet worden. Insgesamt sei in diesem Herbst mit bis zu 250.000 Vögeln zu rechnen. Der NABU Hessen ruft dazu auf, Kranichbeobachtungen unter www.Kranich-Hessen.de online zu melden. Da sich Kraniche bei ihrem Zug an Landmarken wie Flüssen und Berggipfeln orientieren, sind sie bei ungünstiger Witterung dazu gezwungen, eine außerplanmäßige Zwischenrast einzulegen. „In den nebelreichen Tagen der letzten Woche konnte man deshalb an vielen hessischen Rastgebieten Kraniche beobachten“, so Eppler. Bei Schwalmstadt war es dabei zur Störung von rastenden Kranichen gekommen, als ein Spaziergänger über 7.000 Tiere aufscheuchte. Der NABU bittet deshalb alle Naturbeobachter um Rücksichtnahme: „An den Rastplätzen sollte man einen Abstand von mindestens 300 Meter einhalten, um die Kraniche nicht unnötig zu beunruhigen.“ Jede Störung koste die Vögel Kraft, die sie für den langen Flug in die Überwinterungsquartiere benötigen.

Hintergrund Kranichzug in Hessen

Hessen liegt in einer Hauptzugroute der Kraniche auf ihrem Weg von der Ostsee in ihre Winterquartiere im Südwesten Europas. An ihren größten nördlichen Sammelplätzen – zum Beispiel bei Rügen und an der Mecklenburgischen Seenplatte – finden sich im Herbst jeweils 100.000 bis 120.000 Kraniche ein. Bei günstiger Witterung brechen einzelne Schwärme früh morgens auf und ziehen südlich und nördlich am Harz vorbei. Sie erreichen dann das Weserbergland und Thüringen und fliegen meist in den Nachmittags- und Abendstunden weiter durch Hessen. Schwerpunkte des hessischen Durchzuges sind die Flusstäler Ober- und Mittelhessens, wo einige Tiere bei schlechten Flugbedingungen auch Rastgebiete aufsuchen. „Im Oktober und November gibt es bei günstiger Witterung oft Massenflugtage, an denen in kurzer Zeit bis zu 50.000 Vögel über Hessen hinwegziehen, so die Information des NABU.

Beim Weiterflug mit 50 bis 70 km/h erreichen die über Hessen ziehenden Vögel die Auen von Main und Rhein und fliegen schließlich über Frankreich weiter nach Südwesten. „Für den Naturbeobachter sind die ziehenden Kraniche an ihrer keilförmigen Formation und den trompetenartigen Rufen zu erkennen“, erklärt Eppler. Die kräftigen und erfahrenen Tiere fliegen an der Spitze, dann folgen Familien mit durchschnittlich zwei Jungtieren. Bei günstigen Flugbedingungen können die bis 1,30 Meter großen Tiere ohne Halt bis nach Südeuropa fliegen. Manche legen bei Wetterumschwüngen aber auch eine Rast in Hessen ein. Sie landen dann beispielsweise im Amöneburger Becken, an der Werra, an der Schwalm, Ohm und der Lahn. Auch Feuchtgebiete in der Wetterau und die Rheinauen in Südhessen sind gern aufgesuchte Orte zum Ausruhen. Die Rücksichtnahme an den Rastplätzen ist notwendig, weil viele Kraniche bereits eine weite Flugstrecke hinter sich haben, wenn sie in Hessen eine Pause einlegen. „Sie brauchen Ruhe und die Gelegenheit, etwas zu fressen und wieder Kräfte zu sammeln“, erklärt der Biologe. (mw)



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