Neubronners Brieftaubenfotografie wird im Stadthaus Ulm gezeigt

Dr. phil. Julius Neubronner hat durch sein vielfältiges Wirken Spuren in Kronberg hinterlassen. Fotos: Stadtarchiv Kronberg

Kronberg/Ulm. – Noch bis zum 11. Januar 2015 ist im Stadthaus Ulm, Münsterplatz 50, die Ausstellung „Als Brieftauben das Photographieren lernten“ zu sehen, die an den Kronberger Apotheker Dr. phil. Julius Neubronner (1852 bis 1932) erinnert. Der seit Knabenzeit leidenschaftliche Amateurfotograf erfand eine 1908 patentierte 40 Gramm leichte Brieftaubenkamera mit kompliziertem Selbstauslöser-Mechanismus und zwei Objektiven, je eines auf der Vorder- und auf der Rückseite des Apparats.

Die Ausstellung zeigt eine Auswahl der Fotografien, die Neubronners Tauben während ihrer Überflüge von den Landschaften rund um Kronberg knipsten. Das Stadthaus Ulm hat montags bis samstags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr sowie sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

Absonderliche Blickwinkel, schräg liegende Straßenzüge, ins Bild fliegende Schlösser, geschwungene Kanäle – wenn Brieftauben fotografieren, entfaltet sich eine Welt wie eine Traumsequenz. Dass die Ulmer auf die Brieftaubenfotografie als Thema aufmerksam wurden, hängt nach Angaben von Stadthaus-Leiterin Karla Nieraad damit zusammen, weil man zu den bekannteren Häusern Süddeutschlands zählt, die auf zeitgenössische Fotografie spezialisiert sind. Fotografie mal aus ganz anderen Blickwinkeln bot sich demzufolge an; nicht gerechnet habe man jedoch damit, bei den Recherchen bisher unentdeckte Verbindungen zwischen Ulm, Neubronner und Kronberg zu finden.

Vorfahren aus Ulm

Es war Anfang dieses Jahres, als Karla Nieraad im Zuge der Ausstellungsvorbereitung dem Stadtarchiv Kronberg im Taunus einen Besuch abstattete und sich einen Überblick über die Geschichte der Familie Neubronner und die Motive der Fotografien verschaffte. „Diese stehen hier gesammelt zur Verfügung – dank des Engagements von Hans-Jürgen Schultz, einem Neubronner-Nachkommen, waren Negative und Positive aus dem Besitz der Familienmitglieder Anfang der 2000er-Jahre dem Stadtarchiv übergeben worden“, berichtet Stadtarchiv-Leiterin Susanna Kauffels, die mit leuchtenden Augen hervorhebt, dass durch diese Zusammenarbeit mit „jemanden, der mit Außenblick und unverstelltem Interesse an diese Thematik heranging“ scheinbar Altbekanntes plötzlich in einem veränderten Licht erschien. „Was mich sehr verblüffte, ist, dass es eine besondere Verbindung zwischen Ulm und Kronberg gibt, die mir erst bei den Recherchen zur Ausstellung klar geworden ist“, erinnert sich Karla Nieraad zurück. Wie sich herausstellte, stammten Dr. Julius Neubronners Vorfahren aus Ulm. So war sein Urur-Großvater Tobias Neubronner (1694 bis 1762) Zunftmeister den Ulmer Kaufleuten.

Zusätzlich zur Fotoausstellung entwickelte Nieraad die Idee, Teile der 1920 verfassten und 1952 veröffentlichten Autobiografie Julius Neubronners in der von ihr herausgegebenen Schriftenreihe „edition stadthaus“ zu publizieren. Der Band 16 „Über Julius Neubronner und wie er die Brieftaubenfotografie erfand“ ist nun in kleiner Auflage und edler Gestaltung erschienen.

Im Alter von zwölf Jahren entschloss sich der Kronberger Apothekersohn Julius Neubronner anlässlich des bevorstehenden Geburtstages eine seiner Schwestern zu einem Besuch bei einem Frankfurter Fotografen, um „photographische Bilder meiner Persönlichkeit“ anfertigen zu lassen. Damit war die Leidenschaft zur Lichtbildkunst erwacht, sie sollte ihn nicht mehr loslassen. „Mein ganzes Sinnen und Trachten galt der Photographie. Schon das Wort bewegte mich“, heißt es in seiner humorvollen Autobiografie „Mein Leben als Liebhaberphotograph“. Im Jahr 1865 fand er in einer Rumpelkammer einen alten Fotoapparat seines Vaters, ein Fund, der sein Leben endgültig veränderte. Er „verschlang“ alles, was er an Literatur zu diesem Thema finden konnte und versuchte sich, zunächst mit mäßigem Erfolg, im Fotografieren. Doch Schritt für Schritt tastete er sich an die Materie und bessere Ausrüstung heran. Mit 34 Jahren (1886) übernahm er die Apotheke seines Vater sowie die von diesem zur schnelleren Beförderung von Rezepten angeschafften Brieftauben, deren Nutzung als „Boten“ er weiter ausbaute und schließlich auf die Idee kam, den Vögeln zur Aufzeichnung ihrer Wege eine Kamera umzuhängen. Neben der Erfindung der Brieftaubenfotografie ist dem Hofapotheker von Kaiserin Friedrich auch der fahrbare Taubenschlag mit einer bis zu sechs Meter hochschraubbaren Hebeplattform und einem Multi-Funktionsraum, der als Dunkelkammer oder Schlafraum dienen konnte, zu verdanken. Er ermöglichte den mobilen Einsatz der Brieftaube, bewährte sich bei der militärischen Aufklärung. Hingegen scheiterten Neubronners Bemühungen, das Militär außerdem vom Nutzen der Brieftaubenfotografie zu überzeugen. Gleichwohlhat der Kronberger durch sein vielfältiges Engagement in Politik, im Vereinsleben, als Geschäftsmann und Erfinder seine Spuren in der Burgstadt hinterlassen. Unter anderem hielt er besondere Ereignisse im Geschehen der Stadt filmerisch fest. Diese Filme aus den Jahren 1903 bis 1920 sind vom deutschen Filmmuseum restauriert, auf YouTube veröffentlicht und so für die Nachwelt erhalten worden.

Die in Ulm gezeigte Ausstellung erinnert an Dr. Phil. Julius Neubronner und sein geliebtes Hobby. Die neu entdeckte Verbindung zwischen den Städten Ulm und Kronberg gibt es dank Karla Nieraad und ihrem Team im Stadthaus Ulm als Sahnehäubchen obendrauf. Weitere Informationen zur Ausstellung auch unter www.stadthaus.ulm.de (pu)

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