Odysseus einmal anders – Griechische Kriminalgeschichten mit Humor

Petros Markaris Foto: privat

Kronberg (gw) – Zurückhaltend, mit verschmitztem Blick, steht Petros Markaris am Büchertisch und wartet gelassen darauf, bis alle Gäste in der Galerie Kerstner Platz gefunden haben. Gastgeber Dirk Sackis von der Kronberger Bücherstube nebenan begrüßt sein Publikum und seinen Gast, den bekannten Krimiautor Petros Markaris. Ein Autor, der durch seinen feinsinnigen Humor – besonders über seine Landsleute – bekannt sei. Sein neues Buch „Der Tod des Odysseus“, kein reiner Krimi, wie der Schriftsteller betont, es seien vielmehr bunte Erzählungen, sieben an der Zahl. Darin geht es um Griechen, Türken und die „Helladites“, die in Griechenland geborenen Griechen geht. Diese feine Unterscheidung ist ihm wichtig, da er selbst Sohn eines amerikanischen Kaufmannes und einer griechischen Mutter jahrelang türkischer Staatsbürger war und über 20 Jahre in seiner Geburtsstadt Istanbul lebte und schließlich heute seinen Lebensmittelpunkt in Athen hat. Sein Studium brachte ihn nach Wien und Stuttgart, daher spricht er fließend Deutsch, allerdings mit einem leicht wienerischen Anklang in seinem griechischen Akzent, wie Markaris selbst verrät. Er sucht kurz nach seinem Vorlesebuch, das ihm eilends gereicht wird und nimmt seine Zuhörer sogleich mit in seine lebendige Erzählwelt.

„Wir haben einen Mord, Herr Kommissar“ beginnt er zu lesen. Mit dem Kommissar ist Kostas Charitos gemeint, dessen Arbeitstage üblicherweise mit einem Kaffee und viel Unsinn reden beginnen, wenn nichts dazwischen kommt. Die Anekdote „Mord an einem Unsterblichen“ schildert in erfrischender Sprache zwischenmenschliche Befindlichkeiten wie auch Einzelheiten über das Leben im Viertel seiner Stadt und so erhält der Leser ein authentisches Bild vom Alltag jener Hauptfigur. Markaris ist immer interessiert, wie es den kleinen Leuten ergeht und schildert minutiös in süffisanten Dialogen Einzelheiten aus dem Leben seiner Darsteller. In dieser Geschichte ist es der alte Bettwarenhändler Odysseus, der außer seinen Katzen niemanden mehr hat. Als eine von ihnen stirbt, beschließt er, die übrigen ins Tierheim zu geben, Athen den Rücken zu kehren und seine letzten Lebensjahre in seiner geliebten Heimatstadt Istanbul zu verbringen. Doch als er dort ankommt, ist er nicht erwünscht. Petros Markaris versetzt den Mythos von der Irrfahrt des Odysseus in unsere Zeit. Mit Spürsinn und feinem Instinkt verfolgt Kommissar Charitos seine Spur und lässt sich weder von der blutüberströmten Leiche mit dem eingeschlagenen Kopf noch von anderen Dingen stören. Der Leser taucht ein in die griechische Seele und erfährt dabei, dass Griechen Chrysanthemen lieben, dass man jeden Griechen fragt, woher sein Geld komme, aber von jedem Einwanderer nach Griechenland wissen wolle, woher er komme, aber auch türkische Weisheiten wie „Das Kommende lässt dich dem Vergangenen nachtrauern“.

Das Publikum erfreut sich an der humoristischen Erzählung und als Markaris den Titel der nächsten Geschichte ankündigt: „Die Leiche im Brunnen“ erschallt Gelächter im Publikum. Darauf der Autor trocken: „Sie fangen zu früh an zu lachen“, um dann sehr nachdrücklich die Szenen aus einer weiteren Episode vorzutragen. Sein griechisch-wienerischer Akzent verleiht dem Ganzen noch eine besondere Authentizität. „Vermutlich geschehen Verbrechen aus Leidenschaft“ sinniert der Kommissar und detailliert werden vielschichtige Hintergründe aufgedeckt, dabei macht der Autor sich gern auch über die typisch griechischen Zustände lustig. Da lässt ein scheinbar makabrer Dialog des Kommissars mit der Leiche den Leser in Unwissenheit, bis sich herausstellt, dass es sich bei der Leiche im Brunnen „lediglich“ um eine Verfilmung handelt und um die Dialoge des Filmteams während des Drehs. Der Krimi spielt an einem Drehort mit 50-jähriger Atmosphäre und dem Flair der 50-er Jahre.

Das Buch erzählt herrliche Geschichten mit heiterem Schluss! Die Lektüre vermittelt dem Leser auf äußerst gelungene, unterhaltsame Art und Weise tiefe Einblicke in das Leben und über den Alltag im wahren Griechenland – viel mehr als man vermutlich bei einer Urlaubsreise in das Land erleben könnte.

Woher die Inspiration zu seinen Geschichten kommt, wird am Ende der Vorlesung gefragt. „Das sind meistens persönliche Themen und dann ergibt sich alles andere, das ergänze ich dazu“, antwortet der Autor. Was die Situation in Griechenland angeht, hält der politisch interessierte Markaris in seinen Erzählungen gern den Spiegel vor. Er greift momentane Ereignisse auf und zeigt, dass finstere Zeiten nur mit Humor und Zusammenhalt zu überstehen sind – das wäre eine gelungene Anregung nicht nur für Griechenland.

Passend zum Thema wies Frau Bernadakis aus Oberhöchstadt auf ihre vierte Sammlung für die Insel Lesbos hin. In Zusammenarbeit mit einer Apothekerin, der griechischen Kirche und anderen hilfsbereiten Menschen werden Medikamente gesammelt, zum Teil aber die dort ankommenden Geflüchteten aber auch für die hilfsbedürftige Bevölkerung, da Pharmahersteller bedauerlicherweise nicht mehr liefern können. Die Medikamente sollten noch mindestens sechs Monate haltbar sein, es können auch gerne nicht mehr benötigte Krücken, Rollatoren oder Rollstühle gespendet werden. Auch die St. Vitus Gemeinde Oberhöchstadt beteiligt sich an der Sammelaktion. Wer etwas abzugeben hat, kann dies noch den ganzen November auch in der Kronberger Bücherstube bei Dirk Sackis tun.



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