Die Schule von Barbizon und ihre Einflüsse auf die Kronberger Maler

Genossen die Einblicke in die Künstlerschule von Barbizon, die zahlreichen Vernissage-Gäste im Museum Kronberger Malerkolonie. Rechts im Bild, Dr. Ingrid Ehrhardt, die von allen Seiten Lob für die gelungene Bilderschau erntete. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Wenn die Kronberger Museumsgesellschaft gemeinsam mit der Stiftung Kronberger Malerkolonie zu einer neuen Ausstellung in die Räume der Streitkirche einlädt, ist das Interesse erfahrungsgemäß groß: So auch am vergangenen Sonntag, zur Vernissage der neuen Ausstellung „Zurück zur Natur: Die Kronberger Künstlerkolonie und die Schule von Barbizon“. Die schrecklichen Anschläge in Paris machten es dem ersten Vorsitzenden der Museumsgesellschaft, Hans-Robert Philippi, allerdings unmöglich, unbefangen auf die unmittelbaren Natureindrücke der Barbizoner Künstler zu blicken, die damals zu einem Vorbild für die Kronberger Künstlerkolonie wurden. Deshalb lenkte er die Gedanken zunächst mit einer Schweigeminute zu den französischen Nachbarn. Nach seiner Begrüßung namen die Damen des „Quintetts Hausmusik“ des Neuen Orchesters die Museumsgäste mit ihrem schönen Musikbeitrag bereits auf den Weg zu den wahren Sinnesaugenblicken, den unverfälschten Bildern der Natur, bei denen es nicht um die Inszenierung von Ideallandschaften ging, sondern die schlichten Naturschönheiten fokussiert wurden, wie anschließend die Kuratorin der Ausstellung der Bilder aus Privatsammlungen, Dr. Ingrid Ehrhardt, so anschaulich wie umfassend schilderte. Der Malerei aus der Schule von Barbizon, die sich um 1830 in dem kleinen französischem Ort in der Nähe von Paris entwickelte wird heute in Frankreich noch ein hoher Stellenwert zugedacht – vor allem als Auftakt zu einer neuen modernen Landschaftsauffassung. In dieser Zeit wurde die Natur als Symbol für die künstlerische Freiheit. Tagelang begaben sich die Künstler mitten in die freie Natur, um knorrige Eichen, und Flüsse als Motive vor sich zu haben, Malen im Atelier war verpönt. Glücklichwerweise wurde zu dieser Zeit, 1841 durch den amerikanischen Maler John Rand die Farbtube erfunden. „Ohne diese Erfindung wäre die Verbreitung der Freilichtmalerei wohl kaum möglich gewesen“, so Ehrhardt, denn zuvor wurden die pulvrigen Farbpigmente noch aufwendig mit Bindemitteln gemischt und möglichst schnell aufgetragen. Als wichtigster Vertreter der Barbizoner Schule galt Jean Baptiste Camille Corot, der erstmals um 1822 seine Freilichtstudien im Wald von Fontainebleau anfertigte. Im blauen Raum des Museums Kronberger Malerkolonie konnten die Besucher einen Eindruck von seinen „teils mächtigen, teils filigranen Bäumen“ gewinnen. „Dies biegsame Gestalten, deren fragile Äste sich im zarten Blau des Himmels zu verlieren scheinen“, wie die Kuratorin beschrieb. Corot selbst beschreibt seine Empfindung beim Malen in der freien Natur mit den Worten: „Das Schöne in der Kunst ist die Wahrheit, eingetaucht in den Eindruck, den wir beim Anblick der Natur empfangen.“

Doch Corot sollte lange als Maler wenig geschätzt werden beim Publikum, zu skizzenhaft empfand man seine zarte Tonigkeit, nannte ihn den „Nebelmaler“. Zu sehen sind in der Ausstellung (übrigens noch bis Februar 2016) auch zwei Erntedarstellungen von Charles-Trancoirs Daubigny, mit dem Corot eng befreundet war. Beeindruckend sind auch die zwei Werke von Gustave Courbet, der vorübergehend auch der Barizon-Schule zuzuordnen ist: Eine Juralandschaft mit ausgeprägten Lichtreflexen, eine Flusslandschaft mit malerischen Apfelbäumen. „Das Revolutionäre an Courbets Malerei lag vor allem in seiner direkten ungeschönten Art der Umsetzung einfacher Szenen aus dem alltäglichen Leben und seinen realistischen Landschaften“, erklärte Ehrhardt zum großen Neuerer der Kunst des 19. Jahrhunderts. Courbet war auch wenige Monate in Frankreich zu Gast, um seine Ideen in Deutschland zu verbreiten und fortzusetzen. Doch es kam sogleich mit dem damaligen Städelprofessor Jakob Becker, dem Lehrer zahlreicher Kronberger Künstler zum Eklat. Er monierte bei Courbet die flüchtige Landschaft, die „sorgfältiger studiert“ hätte werden können, wie Ehrhardt erzählte. Courbet fackelte nicht lange und nannte Becker einen „con“, einen Dummkopf, wonach dieser ihm das Atelier noch am selben Abend kündigte.

Der Einfluss der Barbizoner Schule auf den in Basel und später in Kronberg beheimateten Maler Fritz Wucherer, dem jüngsten Künstler in der Ausstellung, ist ebenfalls gut zu erkennen. Er malte selbst in Barbizon und auch in Auvers-sur-Oise und hatte auf dem Montmartre sein Atelier. „Diese frühe Werkphase steht deutlich unter dem Einfluss seiner französischen Kollegen und zeigt Wucherers Auseinandersetzung mit dem französischen Impressionismus“, klärte Ehrhardt ihr gebannt lauschendes Publikum auf. Locker und lichtdurchflutet setzte er Wolkenbildungen, Kornfelder, idyllische Ufer oder auch pittoreske Häuser um. Breiten Raum nehmen auch die Arbeiten des Frankfurter Malers Peter Burnitz ein, der 1855 mit einigem Erfolg im Pariser Salon ausstellen konnte. Er selbst schreibt in seinen Briefen: „Wie sehne ich mich nach dem Augenblick, wo ich all das wüste Treiben hinter mir lassen und wieder in der reinen, freien Natur ganz Mensch, das heißt Ich sein kann.“

Nach Ehrhardts komplexen Querschnitt durch die Ausstellung machten sich die Vernissage-Gäste mit einem Gläschen Sekt selbst auf Entdeckungstour durch die vielfältigen Naturstudien. Natürlich hatte Ehrhardt nicht vergessen, all denen, die die Ausstellung möglich gemacht hatten zu danken, besonders, den ausnahmslos privaten Leihgebern „die sich nun für Monate von ihren ,Lieblingen‘ trennen“.

Geöffnet ist die Ausstellung mittwochs von 15 und 18 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 11 bis 18 Uhr. Weitere Infos zu Vorträgen, Kunst für Kinder und öffentlichen Führungen gibt es unter www.kronberger-malerkolonie.com im Internet.

Weitere Artikelbilder



X