Die Stolberger Jahre – Ein Höhepunkt in der Geschichte Königsteins

Kronberg (war) – „Die Zeit, als die Stolberger in Königstein regierten, kann durchaus als ein Höhepunkt in der wechselvollen Geschichte Königsteins angesehen werden.“ So lautete die Kernaussage der Königsteiner Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann, die kürzlich auf Einladung des Kronberger Geschichtsvereins in der Stadthalle einen spannenden und sehr kenntnisreichen Vortrag über dieses eigentlich im Vorderharz beheimateten Adelsgeschlecht hielt. Schließlich hatten die Stolberger im 16. Jahrhundert für 46 Jahre in Kronbergs Nachbarstadt das Sagen. Wie war es zu der Verbindung zwischen diesen beiden, mehrere hundert Kilometer entfernten Adelshöfen gekommen? Wie so oft in früheren Zeiten waren dafür verwandtschaftliche Bande verantwortlich, die zeigen, dass auch schon vor 500 Jahren eine recht hohe Mobilität in manchen Bevölkerungskreisen herrschte. Seit 1490 regierte Eberhard IV. von Eppstein-Königstein als letzter aus dem Eppsteiner Geschlecht über das Reichslehen Königstein. Da er zeitlebens kinderlos blieb, konnte er 1521 auf dem berühmten Reichstag zu Worms, bei dem Luther vor Kaiser Karl V. erschien, die kaiserliche Zustimmung erwirken, dass nach seinem Tod einmal einer seiner zahlreichen Neffen aus dem Hause der Stolberger die Herrschaft über die Königsteiner Besitztümer fortführen durfte („Königsteiner Indult“). Schließlich hatte seine Schwester Anna, die 1499 den Grafen Botho von Stolberg – genannt der Glückselige – geheiratet hatte, 13 Kindern das Leben geschenkt. Großmann-Hofmann dazu: „Durch diese vom Kaiser abgesegnete Abmachung war die Erbfolge zwischen den Adelsgeschlechtern aus dem Vorderharz und Vordertaunus besiegelt.“ Im Mai 1535 war es dann soweit als Eberhard verstarb. Jetzt übernahm der 1505 geborene Ludwig von Stolberg – von Eberhard zum direkten Erben bestimmt – endgültig die Regentschaft im Taunus, nachdem er und sein Bruder Wolfgang bereits ab 1514 zur Erziehung an den Hof ihres Königsteiner Onkels gekommen waren und Eberhard seit 1527 sogar zum Mitregenten von Eberhard ernannt worden war. Ludwig, der als Student die Universität zu Wittenberg besucht und dort sehr unter dem Einfluss Luthers gestanden hatte, galt als sehr gebildet. Als Nachfolger Eberhards reiste er sogleich nach Wien, um dort zum Kaiserlichen Rat sowie Reichserbkämmerer und Verwalter der Reichsfinanzen ernannt zu werden. Diese hohen Ämter hatte bereits sein Onkel Eberhard bekleidet. Obwohl Ludwig ein Anhänger der Lehre Luthers war, hielt er zeitlebens dem katholischen Kaiserhaus die Treue. Im konfessionell bedingten Schmalkaldischen Krieg blieb er neutral. In Königstein führte er andererseits die Reformation ein. 1552 bekam er schließlich für seine Verdienste den Titel eines Reichsrats verliehen. Im Auftrag des Kaiserhauses verhandelte er als sehr sprachenbegabter und redegewandter Diplomat für das Reich mit dem französischen König Heinrich II. und 1567 mit der englischen Königin Elisabeth I. Diese sollte Erzherzog Karl, den jüngsten Bruder des Kaisers, heiraten. Elisabeth lehnte dieses Angebot jedoch ab. „Auf Grund seines exzellenten Drahtes zum Kaiserhaus gelang es Ludwig im Jahr 1544 die Grafschaft Rochefort in den Ardennen und zwei Jahre später die Grafschaft Wertheim am Main auf Basis verwandtschaftlicher Beziehungen zu gewinnen“, so die Referentin. Seine Königsteiner Burg, auf welcher der belesene Stolberger eine große Bibliothek einrichtete, ließ er derweil zeitgemäß zu einer Festung ausbauen. Dafür nahm er hohe Schulden in Kauf. 1574 verstarb Ludwig als Graf zu Stolberg-Königstein, Rochefort, Wertheim und Wernigerode, Herr zu Eppstein, Münzenberg und Breuberg in seinem Schloss in Wertheim, das inzwischen seine bevorzugte Residenz war. Dem Verstorbenen folgte sein kinderloser Bruder Christoph. „Dieser war als Domprobst zu Halberstadt das Gegenteil seines Bruders Ludwig: bescheiden, still, fromm, und katholisch“, wie Großmann-Hofmann betonte. Mit dem Tod von Christoph im Jahr 1581 fiel Königstein an das Kurfürstentum Mainz, das die Übernahme nach dem Tod dieses ebenfalls kinderlosen Stolbergers zuvor mit dem Kaiser vereinbart hatte. „Mit der Übernahme durch Mainz verlor die Grafschaft Königstein jetzt für immer ihre reichsunmittelbare Selbstständigkeit“, bemerkte die Referentin. Der Mainzer Kurfürst führte in Königstein wieder den katholischen Glauben ein, was später in Kronberg, das von 1704 bis 1802 ebenfalls zu Kurmainz gehörte, hingegen auf Grund des heftigen Widerstands der dortigen evangelischen Einwohnerschaft nicht gelingen sollte.

Im Dreißigjährigen Krieg kam es noch einmal zu einem kurzen Stolbergischen Intermezzo, als Kurmainz durch protestantische schwedische Truppen erobert wurde. An Heiligabend 1631 kapitulierten die Mainzer Soldaten auf der Festung Königstein. Der schwedische König Gustav Adolf übergab daraufhin Königstein dem damaligen Grafen Vollhard zu Stolberg. Weil der Schwedenkönig jedoch im September 1634 in der Schlacht von Nördlingen dem kaiserlichen Heer unterlegen war, musste der Stolberger jetzt Königstein schon wieder unfreiwillig verlassen. Ein Jahr später setzte Kaiser Ferdinand II. wieder den Mainzer Kurfürsten mit allen Rechten in Königstein ein. Ludwig von Stolbergs einst stolze Residenz diente den Mainzern bis 1802 hauptsächlich als Staatsgefängnis. In Erinnerung an die einst glanzvollen Stolberger Jahre übernimmt derzeit Alexander Fürst zu Stolberg-Roßla die Schirmherrschaft über das alljährlich im Sommer groß gefeierte Burgfest in Königstein.



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