Sie kennen sicher das schöne Spiel „Teekesselchen“. Zwei gleichlautende Begriffe mit zumeist völlig unterschiedlicher Bedeutung werden im Wechsel so lange umschrieben, bis die Mitspieler sie erraten haben. Der Klassiker, der meistens zitiert wird, um das Spiel zu erklären, ist der Begriff „Hahn“ – einmal der Hahn im Hühnerhof, das zweite Mal der Wasserhahn. Die Liste der doppeldeutigen Begriffe ist lang und reicht von Absatz und Akt über Bank und Bremse bis hin zu Wurf und Zelle. Es gibt sogar Begriffe, die drei verschiedene Bedeutungen haben. Apfel beispielsweise. Das kann die Frucht sein, der Augapfel oder als dritte Variante der Pferdeapfel. Auch das Wort „Bau“ kann auf drei ganz verschiedene Arten verwendet werden: Als unterirdische Höhle, in der Tiere leben, als im Entstehen befindliches Haus oder umgangssprachlich als Gefängnis. Oder Dame: Einmal die weibliche Person, dann das Brettspiel und drittens die Figur beim Schachspiel. Für Ausländer sind derartige „Teekessel-Begriffe“ sicherlich eine schwierige Hürde, die sie beim Lesen und Verstehen eines Textes zu überwinden haben. Journalisten sollten eigentlich um die Vieldeutigkeit mancher Worte wissen und sie entsprechend vorsichtig verwenden. Doch einer meiner Kollegen ist dieser Tage voll in eine Teekesselchen-Falle getappt. Er schrieb nämlich: „Die Kinder im Flüchtlingsheim üben schon fleißig die ersten Anschläge.“ Als ich das las, lief es mir im ersten Moment kalt den Rücken hinunter, hatte ich doch in den letzten Tagen gleich von mehreren Terroranschlägen gehört, die Kinder und minderjährige Jugendliche mit Migrationshintergrund, wie es so schön heißt, verübt hatten. Auf den zweiten Blick – der Satz war Bildunterschrift zu einem Artikel – erkannte ich dann, was der Verfasser der Zeilen meinte. Auf dem Foto ist nämlich ein kleines Mädchen zu sehen, das die ersten Töne auf einem Klavier spielt. Ein Musikprofessor hatte das Instrument einem Flüchtlingsheim und seinen Bewohnern geschenkt, unter ihnen viele Familien mit Kindern. Klar, dass es denen Spaß macht, die ersten Melodien auf dem Klavier einzuüben. Vielleicht wollte der Kollege mit seiner Bildunterschrift deutlich machen, dass er sich musikalisch auskennt. Denn um ein guter Pianist zu werden, muss man genau wissen, wie man die Töne auf dem Klavier anschlägt. Wenn man Klavierspiel und Terror beiseite lässt, kann ein Anschlag auch eine Nachricht oder ein Plakat sein, mit dem auf eine Veranstaltung oder etwas Ähnliches hingewiesen wird. Teekesselchen hin oder her – die deutsche Sprache kann schon ganz schön mehrdeutig sein, meint