Kronberg (pf) – Frankfurt im Kriegsjahr 1917. Die Autorin Ulrike Ladnar hat in Archiven und alten Unterlagen genau recherchiert, wie es damals in Frankfurt aussah – am Theater, in der Kunst- und Literaturszene, in der jüdischen Gemeinde, bei den unter den Entbehrungen des Krieges leidenden Menschen. Am Dienstag vergangener Woche ließ sie im Festsaal des Altkönig-Stifts bei der Lesung aus ihrem vierten historischen Roman „Frankfurter Szenen“ diese Zeit für ihre Zuhörer wieder lebendig werden.
Zwar geht es auch in ihrem vierten Buch um einen Kriminalfall. In einer Frankfurter Pension, in der neben anderen Personen auch ein jüdischer kriegsversehrter Dichter und seine Frau, eine in Frankfurt sehr bekannte Schauspielerin wohnen, taucht in einem Sarg eine Puppe auf, die der Schauspielerin täuschend ähnlich sieht. Eine jüdische Ärztin, die ebenfalls in dem Haus wohnt und eine Morddrohung befürchtet, ruft ihre österreichische Freundin zu Hilfe, die schon in anderen Kriminalfällen ermittelt hat. Gemeinsam mit einem Frankfurter Kommissar, der von einem ähnlichen Fall mit einer Totenpuppe weiß, der aber gleichzeitig auch als Dichter in Frankfurt eine Fangemeinde hat, macht sie sich auf, das Rätsel zu lösen.
Der sicherlich spannende Kriminalfall aber war es nicht, auf den Ulrike Ladnar bei ihrer Lesung ihr Publikum neugierig machen wollte. Ihr kam es darauf an, die Atmosphäre im Frankfurt vor hundert Jahren zu schildern und die handelnden Personen vorzustellen. Zu ihnen gehörte auch die wohlhabende Mutter des kriegsversehrten Dichters, die alles andere als glücklich ist, dass sich ihr Sohn eine nicht jüdische Frau ausgesucht hat und mit allen Mittel zu verhindern versucht, dass diese ihre Schwiegertochter wird. Aber der Ausbruch des Ersten Weltkriegs veranlasst das Paar zu einer schnellen Trauung.
Ulrike Ladnar nutzte die Gelegenheit, sich auch gleich selbst vorzustellen. Geboren in Baden bei Wien verbrachte sie ihre Kindheit in Bad Mergentheim in Baden-Württemberg. Nach dem Abitur kam sie nach Frankfurt, studierte Germanistik, Slavistik und Geschichte, wurde Gymnasiallehrerin und blieb in der Stadt am Main. Sie bildete Lehrer aus und schrieb zahlreiche Lehrbücher und Unterrichtshilfen.
Inzwischen lebt sie seit 50 Jahren in Frankfurt, hat die Stadt aber, wie sie bekannte, eigentlich erst durch die Recherchen zu ihrem vierten historischen Roman richtig kennen gelernt. Ihre drei ersten Bücher, die sie ebenfalls mitgebracht hatte, spielen in Wien, der Stadt nahe ihrem Geburtsort, wo sie sich im Laufe ihres Lebens immer wieder für längere Zeit aufgehalten hat.
Nach ihrer Pensionierung kam sie auf die Idee, historische Romane zu schreiben, zunächst nur für sich. Ihr Erstlingswerk gab sie, wie sie erzählte, nur ihrem Mann zu lesen, der mit nach Kronberg ins Altkönig-Stift gekommen war und im Publikum saß. Danach verschwand das Manuskript wieder in einer Schublade. Erst als sie es nach einiger Zeit wieder hervorholte und noch einmal las, beschloss sie, es einem Verlag anzubieten. Und bereits nach wenigen Tagen bekam sie die Nachricht, dass er das Buch veröffentlichen würde.
In den Episoden aus ihren „Frankfurter Szenen“, die Ulrike Ladnar aus ihrem umfangreichen Buch zum Vorlesen ausgesucht hatte, gelang es der Autorin, die handelnden Menschen und ihre besonderen Lebenssituationen anschaulich und atmosphärisch dicht ihrem Publikum nahezubringen, das sich mit lang anhaltendem Applaus bedankte.
Nach der Lesung hatte es noch Gelegenheit, sich am Büchertisch im Foyer, den Dirk Sackis von der Kronberger Bücherstube mit allen Romanen von Ulrike Ladnar bestückt hatte, mit der Autorin zu unterhalten, die bereitwillig ihre Bücher signierte.