Beschwingtes Neujahrskonzert mit nachdenklichen Tönen

Die Sopranistin Christiane Linke war in diesem Jahr Solistin beim Neujahrskonzert des Johann Strauß Orchesters Frankfurt unter der Leitung seines Dirigenten Stefan Ottersbach.

Foto: Wittkopf

Oberhöchstadt (pf) – „Ohne Neujahrskonzert würde uns allen etwas fehlen. Es gibt uns Hoffnung und Zuversicht – es ist ein Geschenk von Ihnen für uns“, meinte Matthias Schuhenn, Vorstandsmitglied des Altkönig-Stifts, an die Musiker des Johann Strauß Orchesters Frankfurt gewandt. Sonntagabend war es wieder zu Gast im vollbesetzten Festsaal des Stifts und brachte den Zuhörern „Operettenträume – Highlights der goldenen und silbernen Operettenära“ mit. So lautete das Motto des Konzerts, zu dem auch in diesem Jahr wieder viele Besucher aus Oberhöchstadt und anderen Stadtteilen erschienen waren, die nicht oder noch nicht im Stift wohnen. Denn das Neujahrskonzert gehört für viele Kronberger traditionell zu den Höhepunkten am Beginn eines neuen Jahres.

Aber es gab nicht nur wunderschöne und beschwingte Melodien als Ohrenschmaus, sondern auch einen Augenschmaus: Die farbenfrohen eleganten Abendkleider der Musikerinnen und der Sängerin. In diesem Jahr war es die Sopranistin Christiane Linke, die das Publikum mit ihrer strahlenden Stimme und Arien aus den Operetten „Der Vogelhändler“, „Die Dubarry“, „Im weißen Rössl“, „Die ungarische Hochzeit“, „Giudetta“ und „Paganini“ bezauberte. Die charmante Solistin, die ihr Konzertexamen an der Musikhochschule Köln „mit Auszeichnung“ bestand, nach ihrem Auftritt als „Cheshire Cat“ in der Oper „Alice in Wonderland“ der südkoreanischen Komponistin Unsuk Chin von der Fachzeitschrift „Theater Pur“ zur besten Nachwuchssängerin nominiert worden war und die seit September 2011 festes Ensemblemitglied am Theater Bielefeld ist, präsentierte sich als Vollblutmusikerin, die den bekannten Operettenarien mit ihrem klaren Sopran mitreißenden Schwung verlieh.

Im vergangenen Jahr hatte das Johann Strauß Orchester Frankfurt sein Neujahrskonzert mit der schnellen Polka „Perpetuum mobile“ von Johann Strauß beendet – dieses Mal fing es mit diesem Werk an. „Die Musiker haben es seitdem das ganze Jahr geübt – jetzt können sie es“, schmunzelte Dirigent Stefan Ottersbach, als er die Bühne betrat. Da hatten die Musiker bereits mit dem sich immer wiederholenden Thema, das der Polka seinen Namen „Perpetuum mobile“ gab, begonnen – ein ungewöhnlicher Auftakt für ein Konzert.

Stefan Ottersbach führte wie jedes Jahr auch wieder als Moderator durch den beschwingten Abend, erzählte Interessantes über die einzelnen Stücke und ihre Komponisten, denn nicht nur Werke vom Namensgeber des Orchesters Johann Strauß Vater, Johann Strauß Sohn und Eduard Strauß standen auf dem Programm, sondern auch Arien, Walzer und Ouvertüren von Franz von Suppé, Carl Millöcker, Ralph Benatzky, Nico Dostal und Hermann Dostal, Robert Stolz und Franz Lehár.

Aber Stefan Ottersbach fand auch nachdenkliche Worte. Als er vor einem Jahr ein gutes 2016 wünschte, habe er nicht für möglich gehalten, was es mit dem Brexit und dem Wahlergebnis in den USA brachte, mit Terror, der auch Deutschland erreichte, mit Hassmails und dem Erschießen eines Polizisten durch einen sogenannten Reichsbürger, sagte er. Wenn weitere europäische Länder dem Beispiel der Briten folgen, fürchtete er um die Zukunft Europas. Wenn der Nationalismus weiter erstarke, sah er unsere Demokratie in Gefahr. „Die Demokratie, die sie mit ihrer Generation aufgebaut haben, ist ein Geschenk“, wandte er sich an das Publikum im Saal.

Als Universitätsmusikdirektor an der Justus-Liebig-Universität in Gießen, sagte er, habe er viel mit jungen Menschen zu tun. Es sei erschreckend, dass höchstens 20 Prozent von ihnen zur Wahl gehen. Daher appellierte er an die ältere Generation: „Treiben Sie Ihre Freunde, ihre Kinder und Enkel zur Wahl. Wir müssen unsere Demokratie wehrhaft halten.“ Wenn er im kommenden Januar wieder mit dem Johann Strauß Orchester Frankfurt ins Altkönig-Stift komme, hoffe er, dass das Jahr 2017 besser gewesen sei als das vergangene.

Den Musikerinnen und Musikern, die bereits um 11 Uhr am Sonntagvormittag ihr erstes Neujahrskonzert absolviert hatten, merkte man den anstrengenden Tag nicht an. Sie spielten mit Frische, Schwung und sichtlicher Freude und wurden vom Publikum mit langanhaltendem Applaus belohnt. „Das war Spitze“, riefen sie gemeinsam mit Matthias Schuhenn und ließen das Orchester erst nach drei Zugaben von der Bühne.



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