Georgischer Botschafter zu Gast im Altkönig-Stift

V.l.n.r.: Vorstandsmitglied Matthias Schuhenn mit dem Georgischen Botschafter Prof. Dr. Dr. h.c. Lado Chanturia, Professor Dr. Dr. h.c. Johannes Semler und dem Georgischen Generalkonsul in Frankfurt Dr. Josseb Chkhikvishvili.

Foto: Wittkopf

Oberhöchstadt (pf) – „Georgien und Europa“ lautete das Thema des Vortrags, zu dem das Altkönig-Stift am Freitagnachmittag in den Festsaal eingeladen hatte. Kein geringerer als der amtierende Botschafter Georgiens, Professor Dr. Dr. h.c. Lado Chanturia, erst seit Februar im Amt, war der Referent. Dass ein so renommierter Gastredner für das aktuelle Thema gewonnen werden konnte, ist Professor Dr. Dr. h.c. Johannes Semler zu verdanken. Der Kronberger Rechtsanwalt und seit 2001 Ehrenbürger der Republik Georgien, der inzwischen 91-jährig im Altkönig-Stift lebt, ist seit zwanzig Jahren mit dem 40 Jahre jüngeren georgischen Rechtswissenschaftler Lado Chanturia befreundet. „Er ist einer der führenden Juristen seines Landes und einer der besten Juristen, die ich kenne“, begrüßte er seinen langjährigen Freund und Kollegen.

Der 1963 in Dschwari in Georgien geborene Jurist hat eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Er studierte Rechtswissenschaften an der Staatlichen Universität Tiflis, promovierte 1989 am Institut für Gesetzgebung und Rechtsvergleichung in Moskau und habilitierte sich 1994. Von 1998 bis 1999 war er Justizminister Georgiens, danach bis 2004 Präsident des Obersten Gerichts von Georgien und seit Februar 2014 außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter seines Landes in Berlin.

Seit vielen Jahren hat er enge Verbindungen nach Deutschland. Anfang der 90er-Jahre arbeitete er zur Vorbereitung seiner Habilitationsschrift als Forschungsstipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an der Universität Göttingen. Von 2004 bis 2006, nachdem er bereits Mitglied des höchsten Justizrates von Georgien, Justizminister und Präsident des Obersten Gerichts seiner Heimat war, ging er noch einmal als Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung ans Max-Plack-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht nach Hamburg. Anschließend war er drei Jahre lang Leiter des Forschungsprojekts „Zivil- und Wirtschaftsrecht in den Staaten des Kaukasus und Zentralasiens“ an der Universität Bremen, danach bis 2011 Senior Advisor der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) für Fragen der Rechtsreform in den Staaten des Kaukasus und Zentralasiens und von 2011 bis 2013 Gastdozent im Institut für Osteuropäisches Recht an der Universität Kiel.

Kein Wunder, dass er fließend Deutsch spricht. „Ich bin Botschafter in einem Land, das ich sehr liebe“, bekannte er gleich zu Beginn seines Vortrags. Und er betonte, er sei maßgeblich daran beteiligt gewesen, dass nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Wiedererlangung seiner Selbständigkeit 1991 Georgien das deutsche Recht übernommen und sein eigenes Rechtssystem nach deutschem Vorbild gestaltet hat.

In seinem Vortrag stellte er zunächst sein Land vor, das östlich des Schwarzen Meeres und südlich des Großen Kaukasus liegt. „Das Land der ersten Europäer“, wie er sagte, denn hier wurden die ältesten Knochen von Hominiden gefunden, deren Alter auf 1,85 Millionen Jahre geschätzt wird. Das Land des Goldenen Vlies, denn hierher reiste nach der griechischen Mythologie Jason mit seinen Argonauten, um es zu rauben. Das Land, in dem die Wiege des Weins stand, denn von hier aus verbreitete sich Weinanbau und Weinerzeugung in die ganze Welt. Die älteste Form der Weingewinnung, die „Kvevri Methode“, wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Bereits um 6.000 vor Christus hatten die Völker im Kaukasus die geheimnisvolle Verwandlung des Saftes wilder Trauben entdeckt. Im Kvevri, Tongefäßen, die im Boden vergraben wurden, wurde er zu Wein. Und vom georgischen Wort Ghvino leitet sich das lateinische Wort Vinum ab.

Georgien, berichtete der Botschafter, ist ein altes christliches Land, das schon im Jahr 329 das Christentum zur offiziellen Staatsreligion erklärte. Ein Land mit eigener Sprache, eigener Schrift und Kultur. „Wir betrachten uns als Europäer“, betonte er und erzählte, Georgien werde oft „Balkon Europas“ genannt – und ein Balkon sei schließlich Teil eines Hauses.

In Georgien, das nur ungefähr so groß ist wie Bayern, gibt es sieben Klimazonen, von subtropisch bis zum Hochgebirgsklima, denn der höchste Berg ist über 5.000 Meter hoch. Ushguli, die höchste Siedlung Europas, liegt in 2.200 Metern Höhe und ist ebenfalls UNESCO Weltkulturerbe. Im Land gibt es 238 Ökoregionen, 4.100 Pflanzenarbeiten, von denen 1.000 endemisch und 1000 typisch für den Kaukasus sind, rund 1.000 Wirbeltiere und die als Weihnachtsbaum beliebte Nordmanntanne stammt ebenfalls aus Georgien. Georgien ist also auch ein Reiseland, das Touristen sehr viel zu bieten hat.

Eng sind schon seit Generationen die Verbindungen zwischen Georgien und Deutschland, erzählte der Botschafter. Schon im 19. Jahrhundert gründete Siemens eine seiner drei Auslands-Niederlassungen in Tiflis. Die anderen beiden befanden sich in London und in St. Petersburg. Die erste Apotheke in Tiflis wurde ebenfalls von einem Deutschen gegründet und zu den ersten Staaten, die 1918 die erste Republik Georgien anerkannten, gehörte Deutschland. 1918 wurde auch mit deutscher Unterstützung die Georgische Armee aufgebaut, berichtete er. Und als Georgien am 9. April 1991 seine Unabhängigkeit wieder erlangte, war wiederum Deutschland der erste Staat, der sie anerkannte und im Mai 1992 als erster Stadt der europäischen Gemeinschaft dort seine Botschaft eröffnete.

Geschichtlich, wirtschaftlich, touristisch, aber auch strategisch ist Georgien ein interessantes Land, mit drei wichtigen Pipelines, zwei für Öl und eine für Gas, ein wichtiges Bindeglied zwischen Asien und Europa. Und erst vor wenigen Tagen, am 27. Juni 2014, unterzeichnete Georgien in Brüssel das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union.

Wie war die Reaktion Russlands, wollte ein Besucher vom Georgischen Botschafter wissen. Wie viele Russen leben in Georgien, fragte ein anderer. Bisher, sagte Chanturia, habe es nur positive Reaktionen auf die Unterzeichnung gegeben. Und mit seinen ethnischen Minderheiten habe Georgien nie Probleme gehabt. Bei den anstehenden Beratungen mit Russland wolle sein Land in keiner Weise provozieren, betonte er, obwohl es viele Probleme gäbe. Er sieht jedenfalls positiv in die Zukunft.

Und ehe er sich von seinem Publikum verabschiedete, das ihm mit großem Interesse zugehört hatte, erklärte er auf seine unnachahmlich charmante Art: „Wenn sie mich wieder einmal einladen wollen – ich komme jederzeit gerne!“



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