Musikalischer Kreuzzug beeindruckt

Als Franz Liszt 1878 in Rom „Via Crucis“ komponierte, wünschte er sich, das Werk solle im Kolosseum aufgeführt werden. Zu dieser Aufführung kam es bislang nicht, was wenig verwundert, handelt es sich bei der Via Crucis doch um ein Stück für Orgel, Chor und Soli – und an Stelle der nicht vorhandenen Orgel müsste im Kolosseum ein Harmonium treten. Damit würde man dem Stück jedoch nicht gerecht, erst die Orgel bringt die gesamte Bandbreite von zarten Tönen bis wuchtigen Akkorden der Via Crucis zum Ausdruck. Gisèle Kremer, der aus Luxemburg stammenden und nun in Kronberg und Frankfurt tätigen Organistin, gelang es vorzüglich, die Raffinesse der Lisztschen Komposition in Töne umzusetzen. Unter der Leitung von Roswitha Bruggaier musizierte sie vergangenen Freitag gemeinsam mit dem Kirchenchor von St. Vitus in der gleichnamigen Kirche in Oberhöchstadt. Mit von der Partie waren auch der Kirchenchor von St. Josef, Frankfurt-Eschersheim, sowie der Bariton Johannes Wilhelmi. Mit Gesang und Orgelspiel zeichneten sie die vierzehn Stationen des Kreuzwegs Jesu Christi nach. Dazu trug Diez Eichler Auszüge aus „In Hora Mortis“ von Thomas Bernhard vor. Darin beschreibt der Autor eigene Erfahrungen von Schmerz, Verlassenheit und Todesangst. Die Texte waren eine kongeniale Ergänzung zur Musik, die ebenfalls auf ihre Art und Weise die von Bernhard dargestellten Gefühle ausdrückt. Roswitha Bruggaier und ihre Sängerinnen und Sänger interpretierten eindrucksvoll und musikalisch sauber den Kreuzweg. Johannes Wilhelmi brillierte in seinen Solopartien. Gisèle Kremer schließlich demonstrierte mit ihrem Spiel das eigene sowie das Potenzial der Orgel von St. Vitus. Eine zutiefst berührende Andacht.
Foto: privat



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