Altenheimseelsorger zur Situation im zweiten Corona-Lockdown

Pfarrer Christian Wiener

Foto: Dekanat Kronberg

Kronberg/Bad Soden. – Seit dem Beginn der coronabedingten Einschränkungen im März und nun im zweiten Lockdown seit November hat sich auch die Situation für die Seelsorge in Senioreneinrichtungen verändert. Im Gespräch berichtet Pfarrer Christian Wiener, der als Altenheimseelsorger für das Dekanat Kronberg tätig ist, wie er die Situation der Bewohnerinnen und Bewohner erlebt und wie er weiterhin für sie da sein kann. Er betreut die Seniorinnen und Senioren in der Augustinum Seniorenresidenz in Bad Soden und im Altkönig-Stift in Kronberg. Dort leben nahezu 1.000 Menschen in ihren eigenen Wohnungen und im Altkönig-Stift außerdem in sechs Pflegebereichen.

Wie erleben Sie die Situation der Patienten im zweiten Lockdown?

„Im Vergleich zum ersten Lockdown ist die Stimmung insgesamt entspannter, weil viele der Maßnahmen schon bekannt und Abläufe eingeübt sind. Die meisten versuchen, die Regeln einzuhalten und Kontakte zu reduzieren. Draußen ist es dunkel, man kann sich nicht mehr gut im Freien treffen. Aber es sind mehr Dinge möglich als im ersten Lockdown. Die Bewohnerinnen und Bewohner dürfen – wenn auch eingeschränkt – Besuch in ihren Appartements oder in einem gesonderten Besucherbereich empfangen. Es gibt jedoch auch manche, die sich wegen Corona abgekapselt haben. Schwierig ist es für an Demenz erkrankte Menschen, weil sie die coronabedingten Einschränkungen oft nicht verstehen oder einhalten können, wie zum Beispiel das Tragen einer Maske. Die Gruppe der Senioren in den Einrichtungen, die ich betreue, ist sehr disparat. Die Hochaltrigen ab 85 sind häufig nicht mehr so mobil und im Sehen oder Hören eingeschränkt. Viele von ihnen haben jedoch einen Resilienzfaktor durch die Kriegserfahrungen, da sie schon „Schlimmeres“ überlebt haben. Die Jüngeren sind oft noch mobil und können noch hinaus. Sie leiden natürlich auch darunter, keine Ausflüge oder Reisen mehr machen zu können und auf Kulturangebote verzichten zu müssen. Aber sie können noch eine Menge tun.

Diejenigen, die vorher schon keine Kontakte hatten, für die hat sich scheinbar wenig verändert. Grundlegend ist für die Seniorinnen und Senioren wichtig, dass – sofern sie einen engen Kontakt zur Familie haben – dieser weiter besteht. Ein Aspekt ist auch, dass in hohem Alter noch einmal deutlicher ist, dass die Lebenszeit nun mal begrenzt ist und ältere Menschen nicht mehr viel verschieben können. Da trifft es sie schon, wenn ein 90. Geburtstag oder eine diamantene Hochzeit nicht gefeiert werden können. Und es gibt auch ein leichtes Resignieren unter ihnen. Nach dem Motto: „Da müssen wir jetzt also auch noch durch“.

Um im Kontakt zu bleiben, besuche ich die Bewohnerinnen und Bewohner weiterhin – wenn auch etwas weniger und nicht mehr so spontan. Meine Präsenz dort ist besonders jetzt sehr wichtig. Da ergibt sich viel in Tür- und Angelgesprächen. Ich telefoniere auch oft mit den Menschen. Es sind auch weiter Gottesdienste mit Besuchern möglich. Außerdem halte ich Gottesdienste und Vorträge, die über Haus-TV / Haus-Telefon übertragen werden. Und ich schreibe im Wechsel mit den katholischen Kollegen Gedanken zum Tag, die in der Hauszeitung veröffentlicht werden.

Anders sehen die Möglichkeiten im Pflegebereich aus. Dort gibt es mehrere Dilemmata. Im ersten Lockdown gab es starke öffentliche Diskussionen, weil Besuche durch Angehörige nahezu unmöglich waren. Darauf hat man im zweiten Lockdown reagiert. Menschen von außen sind jedoch immer ein Risiko und stellen auch eine Gefahr für die Seniorinnen und Senioren und die Pflegekräfte dar. Viele Krankheitsfälle beim Personal würden bewirken, dass eine intensive Betreuung schlicht nicht möglich ist. Aber gerade bei den immobilen Bewohnerinnen und Bewohnern müssen Besucher kommen dürfen, weil sie sonst gar keine Kontakte hätten. Meine Besuche sind also weiterhin prinzipiell möglich und ich versuche auch dort, im Kontakt zu bleiben. Gottesdienste können wir im Pflegebereich aber leider derzeit nicht feiern. Aus meiner Begleitung eines ehrenamtlichen Besuchsdienstkreises weiß ich außerdem, dass in vielen Senioreneinrichtungen des Dekanates keine Ehrenamtlichen zu Besuchen gehen können. Hier ist wieder das Dilemma: Aus Gründen des Gesundheitsschutzes halte ich eine solche Entscheidung für absolut sinnvoll, aus Sicht der seelischen Gesundheit der Menschen sind Kontakte überaus wichtig. Aus meinen Kontakten mit anderen Kolleginnen und Kollegen in der Altenseelsorge habe ich aber den Eindruck, dass die meisten Einrichtungen mit viel Augenmaß mit der derzeitigen Situation umgehen.“

Was macht den Bewohnern Hoffnung?

„Hoffnung macht den Menschen, dass es vorbeigeht und die Dinge, die noch möglich sind. Es besteht überhaupt keine Untergangsstimmung. Eher eine „da müssen wir eben auch noch durch“-Stimmung und die Hoffnung, dass es wieder besser werden wird.“



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