Baufeld V: CDU, KfB und FDP setzen Richtungswechsel durch

Kronberg (pu) – Die Stimmungslage in den jüngsten Ausschuss-Sitzungen ließ es schon vermuten. Mit 17 Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und der Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“ (KfB) bei 12-Nein-Stimmen und einer Enthaltung folgte die Parlamentsmehrheit in Sachen Baufeld V/Klimaquartier der Magistrats-Empfehlung und entschied sich damit gegen eine vertiefende Betrachtung der drei prämierten Entwürfe im Vergabeverfahren.

Stattdessen beschloss die Stadtverordnetenversammlung auf CDU-, KfB- und FDP-Antrag, die Realisierung der Bebauung des Baufelds V nicht selbst umzusetzen. Der Magistrat wurde deshalb beauftragt, auf Basis des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 18. April 2024 (Eckpunktepapier Quartier am Bahnhof - Baufeld V) die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, das Grundstück gegen Einräumung von Belegungsrechten, beispielsweise in Erbpacht, an einen privaten Investor zu vergeben. Hierbei seien unter anderem Genossenschaften oder Wohnbaugesellschaften zu berücksichtigen sowie auf die zügige Umsetzung des Projekts zu achten mit Ziel auf Schaffung von sozial geförderten Wohnungen in den Segmenten niedrige und mittlere Einkommen sowie Wohnungen mit gedämpftem Mietpreis. In diesem Zusammenhang soll auch ein Konzept zur gezielten Förderung von Mietern im Rahmen einer sogenannten Subjektförderung erarbeitet werden. Unter Berücksichtigung der vielfältigen Aufgaben der Stadt Kronberg, die in nächster Zeit Personal und finanzielle Mittel binden werden, ist aus Sicht der Antragsteller eine Umsetzung durch einen privaten Investor zum möglichst baldigen Erreichen des Ziels geeigneter.

Absehbares Szenario

Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Andreas Becker ein „leider absehbares Szenario“, Er erinnerte an den Anfang 2024 gemeinsam von CDU und KFB gestellten, jedoch gescheiterten Antrag, die Gründung des „unsinnigen Eigenbetriebs Wohnbau nicht weiter zu verfolgen und stattdessen das Grundstück durch Profis, beispielsweise eine bestehende genossenschaftlich organisierte Wohnbaugesellschaft, bebauen zu lassen.“ Seitdem sei aus christdemokratischer Sicht „viel Zeit vergangen und viel Geld verschwendet worden.“ Nach CDU-Überzeugung macht im Ergebnis die sich auf 35-Millionen belaufende Kostenschätzung der Baulandoffensive „das Projekt für die Stadt unbezahlbar“, Das Geld werde weitaus dringender für andere Projekte, etwa für den Grundstückskauf und Bau der neuen Feuerwehr beziehungsweise die Sanierung der Kindergärten benötigt.

Ohne Alternative, ohne Impuls

Auf Seiten der Befürworter der bisherigen Vorgehensweise dagegen blankes Entsetzen und Fassungslosigkeit ob des Abbruchs. Nochmalig kritisierte Mechthild Schwetje, die Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, die Bereitschaft des Magistrats, das bisherige Projekt „sang-und klanglos zu beenden. Ohne Alternativen, ohne irgendeinen Impuls für unsere Stadt zu setzen!“

All das, nach mehrfachen Beschlussbekräftigungen in den vergangenen Jahren „für ein zukunftsweisendes und nachhaltiges Klimaquartier, das den Menschen, die unsere Stadt dringend braucht, Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stellt – dies in einem städtebaulich richtigen Maßstab und nach der Ablieferung hervorragender Wettbewerbsergebnisse durch 19 Architekturbüros.“ In der großen Hoffnung, diese „wunderbare Grundlage zur Einleitung des vorgesehenen Verhandlungsverfahrens für dieses Leuchtturmprojekt“ zu retten, hatten die Grünen Schwetje zufolge vor der Sommerpause in „langen, konstruktiven und zunächst – so schien es - erfolgreichen Gesprächen mit SPD, UBG und FDP um Kompromisse gerungen.“ Ein anschließend eingebrachter gemeinsamer Änderungsantrag berücksichtigte „wirtschaftliche Belange durch Drehen von Stellschrauben ebenso wie das Erreichen des gemeinsamen Ziels.“ Das hieß zum damaligen Zeitpunkt noch das Wettbewerbsverfahren regulär fortzuführen. Bis zur Kehrtwende der Fraktion des FDP-Ortsverbands.

FDP hat alles dafür getan

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Stefan Griesser verteidigte diese Entscheidung durch ausführliche Darlegung der Entwicklung. Nach seinen Ausführungen sei es nach Bekanntwerden der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Wettbewerbsbeiträge durch die Gutachter der ProjektStadt (einer Marke der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt) „für ein Projektende zu früh gewesen.“ Immerhin habe der Magistrat selbst auf die empfohlenen erforderlichen, vertiefenden Betrachtungen der Entwürfe hingewiesen, um Optimierungspotenziale auszuschöpfen, ohne jedoch selbst Konsequenzen zu ziehen beziehungsweise Alternativen aufzuzeigen. Deshalb habe man sich im Juli zusammen mit den Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, SPD und UBG auf den Änderungsantrag geeinigt. Der habe neben der Bitte um Vorlage der wirtschaftlichsten Variante und Ansätzen zur Minimierung möglicher Kostenrisiken zwecks Priorisierung und Finanzierbarkeit des Projektes gerade im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen auch schon den „Plan B“ enthalten. Damit spielte er auf die Prüfung möglicher Optionen an, „das Projekt durch Dritte entwickeln zu lassen, unter der Maßgabe, dass die Stadt Kronberg beispielsweise in einem zu definierenden Umfang „Belegungsrechte“ erwirbt“. Um voran zu kommen, seien danach in den Reihen der FDP die Wirtschaftlichkeits-Modelle erstellt worden mit dem Ergebnis der zu hohen Risiken und dauerhaften Haushaltsbelastungen für 20 bis 30 Jahre selbst bei höheren Mietpreisen.

Fakt sei, dass die Kronberger Politik seit über 25 Jahren über den Bau von sozialem und bezahlbarem Wohnraum diskutiere, weil weder private noch öffentliche Bauträger bereit waren zu den gewünschten Konditionen zu bauen. Die Tragik dabei: eine eigene Realisierung wäre, so Griesser, möglicherweise zu Zeiten deutlich niedriger Zinsen und Baukosten stemmbar gewesen „doch leider wurde diese Gelegenheit nie genutzt.“

Der FDP nunmehr vorzuwerfen, sie habe nicht alles dafür gegeben, entbehre jeder Grundlage. Unter anderem erinnerte er an die von den Liberalen entworfene Satzung für den Eigenbetrieb sowie das Drängen auf Prüfung der rechtlichen Organisationsformen.

Griesser zufolge kam die FDP nach neuer Lage der Dinge wie unter anderem auch dem anstehenden Bau der Feuerwehr zu dem Schluss: „So wie es lange gewünscht war, geht es nicht!“ Ein externer Investor werde weiterhin nicht zu gedämpften Mieten bauen, könne aber teils zu marktüblichen Preisen vermieten, teils könne die Stadt Kronberg Mieten dämpfen. Mit dem „Plan B“ spare man sich das große Eingangsinvestment von 8 Millionen Euro, die Risiken und den Verwaltungsaufwand.

„Wir müssen Prioritäten setzen, das ist die Realität, so hart das auch ist“, so der stellvertretende FDP-Chef abschließend.

Urheberrechte

Der KfB-Stadtverordnete Dr. Jochen Eichhorn hob einen anderen Punkt besonders heraus. Nach seinen Worten entspricht es mitnichten der kolportierten Wahrheit, die Siegerentwürfe würden aus Urheberrechtsgründen nunmehr zwangsläufig in der Schublade verschwinden. Vielmehr müsse man sich mit den Urhebern einigen, dann stünde deren Verwendung nichts entgegen.

Wirtschaftliche Vernunft

Alexander Zock, stellvertretender Bündnis90/Die Grünen -Fraktionsvorsitzender stellte die unterschiedliche Betrachtungsweise beziehungsweise den Kontext der Zielsetzung der „wirtschaftlichen Vernunft“ in den Mittelpunkt. Nach seiner Wahrnehmung ließen offenkundig auch FDP, CDU und KfB bei manchen Zielen eine Wirtschaftlichkeit nicht als primäres Argument gelten. Anders könnte wohl nie mit großer Mehrheit der Bau einer neuen Feuerwehr samt Erwerb des Grundstücks in der Westerbachstraße beschlossen werden oder wie im Fall des CDU-Antrags die Erhöhung der Ausgaben der Stadt durch eine Unterstützung von privaten Tagesmüttern im Bereich der Kindertagespflege. Zock konstatierte: „Es geht also immer um die Gesamtschau von eingesetztem Geld und erhofftem Mehrwert für die Stadt und ihre Bürger.“

Aus Sicht der Kronberger Grünen stehe im Fall des Baufelds V ebenfalls „ein hohes Gut zur Disposition, nämlich die Schaffung von sozial-ökologischem Wohnraum für ein Einkommenssegment, welches in dieser Stadt sonst kaum zum Zuge kommt.“ Darüber hinaus habe die Burgstadt „für dieses Anliegen kaum noch weitere Optionen in unserem städtischen Köcher.“ Umso unbegreiflicher die Annullierung der Projektdurchführung durch den Eigenbetrieb auf der Basis der vorliegenden Wettbewerbsergebnisse. An Stelle dessen künftig ein „sowohl inhaltlich als auch prozessual vollkommen unklares Vorgehen“.

Dabei völlig außer Acht lassend, dass neben den grundsätzlichen Eckpunkten der erwarteten Wirtschaftlichkeit des Projektes, die bereits vor Wettbewerbsbeginn bekannt und welche nie durch eine ausgeprägte Wirtschaftlichkeit geprägt gewesen seien, ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeitsberechnung vorliege, dass nach eigener resultierender Aussage „nicht geeignet ist“, um zum jetzigen Zeitpunkt eine verantwortungsvolle und umsichtige Investitionsentscheidung zu treffen, „Sie nutzen diese Ergebnisse aber trotzdem, um jetzt genau die Entscheidung treffen zu wollen, welcher nach Aussage des Gutachtens nicht getroffen werden sollte.“ Vom Ignorieren des Hinweises auf „viele mögliche Stellhebel, welche die Wirtschaftlichkeit des Projektes positiv beeinflussen könnten“ ganz zu schweigen.

Blick über den Tellerrand

Rückenwind erhielt Zock durch SPD-Fraktionschef Helmut Ebner, der den Blick über Kronberg hinaus nach Bad Homburg beziehungsweise Königstein lenkte. Er zitierte den aktuellen Bad Homburger Bürgermeister Alexander Hetjes (CDU), der sich für die Schaffung von sozialem Wohnraum in der Stadt mit der Champagner-Luft einsetzt: „Wohnraum ist für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt eine zentrale Frage. Bad Homburg muss für Familien, Fachkräfte und engagierte Bürger attraktiv bleiben.“ Das Ganze in Eigenregie und mit Eigenbetrieb bei gleich zwei Projekten unter der Prämisse, bei der Zuteilung der Wohnungen die Hand drauf zu haben.

Im Kontrast dazu Kronbergs Mehrheitswille, den Eigenbetrieb einzustampfen. Ebner: „Eine Katastrophe für uns!“

Aus Sicht der Kronberger SPD ist die Behauptung, mit einem Investor werde alles gut, lediglich ein Märchen. „Fakt ist, überall gibt es zu wenig Wohnraum!“ Aus unternehmerischer Sicht auch ganz logisch, dass beim Tragen des Risikos das Erzielen des sichersten und besten Resultat oberste Priorität habe. Mit Blick auf die Haushaltssituation monierte Ebner, die Feuerwehr als Ausrede zu nehmen, sei viel zu kurz gedacht. „Die haben wir schließlich seit Jahren auf dem Schirm!“ Im Übrigen habe die SPD-Fraktion am Tag der Abschaffung der Straßengebühren, einer der soliden Einnahmen der Stadt, davor gewarnt in der Besorgnis künftig fehlender Gelder für soziale Projekte und stattdessen für wiederkehrende Straßengebühren plädiert.

„Eine Idee, die momentan die Königsteiner CDU ganz hervorragend findet, weil ihre vor Jahren beschlossene Abstufung der Beiträge ihnen gerade um die Ohren fliegt und die Bürger noch mehr Geld bezahlen!“

„Die spielen nur mit den Architekten“

Der Vorsitzende der Unabhängigen Bürgergemeinschaft (UBG), Markus Lind, lenkte abschließend nochmalig den Blick auf die abweichende Stellungnahme von Bürgermeister Christoph König (SPD) und dessen inständiger Warnung vor Imageschaden für die Stadt. Lind : „Die Architekten sagen bei künftigen Projekten doch nur noch, die Kronberger spielen nur mit den Architekten!“

Gemeinsam nach Lösungen schauen

Im Nachgang zu den Beschlüssen bedauerte Rathauschef Christoph König die getroffene „schlechte Entscheidung“: Ich glaube, wir hätten eine ganze Menge Stellschrauben zur Optimierung des Projekts gehabt.“ Nichtsdestotrotz akzeptiere die Verwaltung die neue Lage der Dinge, es gelte nunmehr gemeinsam nach den besten Lösungen für bezahlbares Wohnen auf dem Baufeld V zu schauen.



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