Beschleunigtes Verfahren hinfällig – Verfahrensänderung zur Gemeinschaftsunterkunft notwendig

Nach aktuellem Stand der Dinge kann der im Grünen Weg vorgesehene Bau der Gemeinschaftsunterkunft frühestens nach Satzungsbeschluss im Sommer 2024 beginnen.

Foto: Puck

Kronberg (pu) – Am 18. Juli stellte das Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig fest, dass § 13b des Baugesetzbuchs (BauGB) mit Unionsrecht unvereinbar ist (Aktenzeichen: BVerwG 4 CN 3.22).

Diese Entscheidung hat nach Information von Erstem Stadtrat Heiko Wolf (parteilos) in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) abermalig Auswirkungen auf den Kronberger Bebauungsplan Nr. 156 „Gemeinschaftsunterkunft Grüner Weg“. Dessen Ausweisung eines Allgemeinen Wohngebietes (WA) muss, dem jüngsten Urteil Rechnung tragend, in ein Regelverfahren gemäß § 2 Absatz 1 BauGB rücküberführt werden.

Normenkontrollantrag

Hintergrund: Das Bundesverwaltungsgerichtsurteil erging im Ergebnis der Revision eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu einem Bebauungsplan eines neuen Wohngebiets für Einfamilienhäuser im Außenbereich der Gemeinde Gaiberg. Obwohl die Planung die Rodung und Überbauung einer ökologisch wertvollen Streuobstwiese vorsah, wurde gemäß der im Jahr 2017 in das BauGB eingeführten Regelung des § 13b weder eine „Umweltprüfung“ durchgeführt noch ein hinreichender Ausgleich für den Eingriff in die Natur vorgesehen.

Das rief den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Baden-Württemberg auf den Plan, dessen im Verfahren der Bebauungsplanung formulierter Hinweis auf mangelnde Vereinbarkeit eines Verzichts auf die Umweltprüfung mit den Vorgaben der sogenannten „SUP-Richtlinie“ (Richtlinie über die strategische Umweltprüfung) kein Gehör gefunden hatte.

Im nächsten Schritt reichte die Frankfurter Kanzlei Philipp-Gerlach und Teßmer für den BUND einen Normenkontrollantrag als Rechtsmittel beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ein.

Dieser wies den Einspruch zwar im April 2020 im Eilverfahren und nachfolgend im Mai 2022 mit Urteil im Normenkontrollverfahren ab, ließ dennoch aufgrund von Zweifeln hinsichtlich der Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts die Revision gegen sein Urteil zu.

Infolge der im Juli getroffenen finalen Entscheidung sind etliche im so genannten „beschleunigten Verfahren“ ohne Umweltbericht, Umweltprüfung und Ausgleichsplanung zugelassene Bebauungspläne rechtswidrig. Freiflächen außerhalb der Siedlungsbereiche einer Gemeinde dürfen demnach nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB ohne die Durchführung einer Umweltprüfung mit Umweltbericht überplant werden. Nach Ansicht des Gerichts verstößt § 13b Satz 1 BauGB gegen bestehendes EU-Recht.

Kommando zurück

Daraus resultierend ist nunmehr die Abänderung des nach § 13b BauGB angeführten Bauleitplanverfahrens Nr. 156 „Gemeinschaftsunterkunft Grüner Weg“ der Stadt Kronberg im Taunus in ein Regelverfahren zwingend erforderlich. Das heißt im Klartext, im Prinzip wurden zwei Jahren verloren.

Denn mit der durch den Bundesgesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt neu eingeführten Möglichkeit zur Durchführung eines verkürzten Verfahrens nach § 13b BauGB war mit Parlamentsbeschluss vom 15. Dezember 2021 die Verfahrensart von einem Regelverfahren in ein Verfahren gemäß § 13b BauGB geändert worden. Dahinter stand die Intention, die Einsparung von monetären Mitteln im mittleren vierstelligen Bereich, eines Umweltberichtes, möglicher weiterer Ausgleichsmaßnahmen sowie Personalkapazitäten und Zeit zu erreichen.

Aktueller Stand der Dinge

Nach Aussage von Erstem Stadtrat Wolf bleibt der am 18. Februar 2021 durch die Stadtverordnetenversammlung (DS Nr. 5352/2021) der Stadt Kronberg gefasste Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan mit dem Ziel, die Gemeinschaftsunterkunft auch zu allgemeinen Wohnzwecken nutzen zu können, bestehen. Die auf Grundlage nach § 246 Absatz 9 BauGB bestehende Baugenehmigung bleibe ebenfalls hiervon unberührt. „Die Privilegierung des Vorhabens ist gemäß § 246 Absatz 9 BauGB in seiner Nutzungsart auf Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende beschränkt“, ruft der Baudezernent in Erinnerung.

Nach Wolfs Worten war bis zum Bundesverwaltungsgerichtsurteil vorgesehen, den im Juli schon in der Satzungsfassung vorliegenden Bebauungsplanentwurf im verkürzten Verfahren nach § 13b BauGB in der am 2. November anstehenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung beschließen zu lassen.

Mit der neuerlichen Änderung in ein Regelverfahren gelte es nunmehr, so der Baudezernent, die beiden Beteiligungsschritte gemäß § 3 Absatz 1 BauGB und § 4 Absatz 1 BauGB sowie gemäß § 3 Absatz 2 BauGB und § 4 Absatz 2 BauGB aufgrund der Erweiterung der Unterlagen um einen Umweltbericht, erneut durchzuführen.

„Das mit dem Bebauungsplanverfahren beauftragte Planungsbüro FIRU aus Koblenz erarbeitet derzeit die Anpassung der Planunterlagen mit der Erstellung eines Umweltberichtes. Aufgrund des im Rahmen des Baugenehmigungsverfahren nach § 246 BauGB bereits erfolgten naturschutzrechtlichen funktionalen Ausgleichs als auch eines Ausgleichs mit Ökowertpunkten sowie der im Sommer 2022 erfolgten Aktualisierung der artenschutzrechtlichen Untersuchungen, sei im Ergebnis des Umweltberichtes mit keinen erheblichen Umweltauswirkungen des Plans zu rechnen. Die neu zu erstellende Eingriffs-/ Ausgleichsbilanzierung zum Bebauungsplan werde zeigen, ob weiterer Ausgleichsbedarf besteht.

Nächste Schritte

Seit dem 18. September wird bereits die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange durchgeführt.

Im weiteren Verfahrensverlauf ist geplant, mit einem Stadtverordnetenbeschluss am 14. Dezember die Anpassung der Verfahrensart in ein Regelverfahren sowie die Beteiligung beschließen zu lassen und im Januar 2024 die Beteiligung durchzuführen, so dass ein Satzungsbeschluss im zweiten Quartal 2024 denkbar ist.



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