Buchtipp

„Das Eisschloss“, Roman von Tarjei Vesaas, Goggolz 2019, 22 Euro

Vor der Frankfurter Buchmesse steht traditionell das jeweilige Gastland im Mittelpunkt des literarischen Interesses. Dieses Jahr: Norwegen. Ein herausragender Autor, Tarjei Vesaas (1897 bis 1970), wurde aus diesem Anlass neu übersetzt. Er war der älteste Sohn eines Bauern in Vinje/Telemark, dessen Familie seit 300 Jahren im selben Haus lebte. Vesaas wusste früh, dass er Schriftsteller werden wollte und verweigerte die Hofübernahme. Er verfasste Gedichte, Dramen, Kurzprosa und Romane auf Nynorsk, der norwegischen Sprache, die – anders als Bokmål, das „Buchnorwegisch“ – auf westnorwegischen Dialekten basiert. In seinem Roman „Das Eisschloss“ erzählt Vessas die Geschichte von zwei elfjährigen Mädchen, Siss und Unn. Unn kommt als Waise zu ihrer Tante in ein Dorf auf dem norwegischen Land. Sie ist nach dem Verlust der Eltern verstummt und bringt so das Gefüge der kleinen Gemeinschaft kaum merklich aus dem Gleichgewicht. Siss fühlt sich zu ihr hingezogen und die Mädchen freunden sich an – bis Unn plötzlich verschwunden ist. Ein eisgefrorener Wasserfall im Fluss mit glitzernden Türmchen und durchsichtigen Kammern, den die Kinder „Eis-Schloss“ nennen, hat sie auf fatale Weise angezogen. „Das Eisschloss“ ist ein intensiver Roman, die Kälte und Schönheit des Eispalastes sind nahezu physisch spürbar. Er handelt von Einsamkeit, der Sehnsucht nach Nähe und dörflicher Gemeinschaft. Vor allem ist er ein kleines „Sprachkunstwerk“. Doris Lessing hat das Buch geliebt und ihre nur zu berechtigte Lobeshymne ist als Nachwort abgedruckt. Auch wenn es schwierig ist einen heiteren norwegischen Roman zu finden, haben wir allen Grund, uns auf das Gastland Norwegen zu freuen.

Erhältlich in allen Buchhandlungen.



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