Entscheidung durch Sprint: Jasper Philipsen gewinnt das 60. Radrennen

Das Hauptfeld bei seiner ersten Durchfahrt durch Kronbergs Stadtmitte

Foto: Westenberger

Kronberg/Frankfurt. – Jasper Philipsen (Alpecin-Fenix) hat die 60. Austragung des Radklassikers Eschborn-Frankfurt gewonnen. Der 23-jährige Belgier verwies bei seinem Debüt in der Mainmetropole nach 187,4 Kilometern im Sprint Lokalmatador und Sieger von 2011, John Degenkolb (Lotto Soudal), sowie Rekordsieger Alexander Kristoff (UAE Team Emirates) auf die Plätze. Der Youngster sicherte sich seinen ersten Profisieg bei einem WorldTour-Klassiker und setzte das nächste Ausrufezeichen in seiner herausragenden Saison. Pascal Ackermann (Bora-hansgrohe), letzter Gewinner vor der Alten Oper, sprintete auf den 5. Rang. Jasper Philipsen nach seinem Sieg: „Es war ein wirklich hartes Rennen. Vor ein paar Wochen habe ich beschlossen, dieses Rennen zu fahren, weil es normalerweise ein Sprint-Finish ist. Dann habe ich mir das Profil angesehen und dachte, es könnte vielleicht doch schwieriger sein als erwartet. Jetzt bin ich richtig stolz auf diesen Sieg.“ Und er fügte hinzu: „Die Teamunterstützung war heute entscheidend, weil ich im Mittelteil wirklich zu kämpfen hatte. In den Anstiegen ist das Team einfach bei mir geblieben, und das war wichtig. Ich habe weiter gepusht, weil ich wusste, dass die letzten 40 km flach waren. Da konnte ich mich erholen und meinen Sprint fahren.“ Nachdem die Tränen getrocknet waren, sagte Lokalmatador John Degenkolb zu seinem zweiten Platz: „300 Meter vor dem Ziel habe ich gedacht: alles oder nichts! Ich habe alles in die Waagschale geworfen. Am Ende ist es ein verdienter Sieg für Jasper, denn er hatte einen krassen Speed. Ich bin froh, dass es für den zweiten Platz gereicht hat und kann mich jetzt auch darüber freuen. Ich bin stolz, dass ich dem Druck standgehalten habe und zeigen konnte, bei so einem großen Rennen um den Sieg mitzufahren. Jetzt steht noch Einiges vor der Tür!“

Attacken prägten den 60. Radklassiker

Bereits kurz nach dem scharfen Start in Eschborn hatten die Attacken begonnen und fünf Fahrer hatten sich zu einer Spitzengruppe zusammengeschlossen. Mit Mathias Jorgensen (Movistar Team) und Luke Durbridge (Team BikeExchange) waren zwei WorldTour-Fahrer dabei. Dazu kamen Simone Velasco (Gazprom-RusVelo), Erik Resell (Uno-X Pro Cycling Team) und Boris Vallee (Bingoal Pauwels Sauces WB). Bis zum ersten Anstieg des Tages am Feldberg ließ das Feld mehr als sechs Minuten an Vorsprung zu.

Nach 100 Kilometern blieben nur noch die beiden WorldTour-Fahrer und Velasco als Trio an der Spitze – aber der Vorsprung sank nah an die Minutenmarke. Auch wenn die Favoriten des Rennens dichter kamen, hat sich die Zeit an der Spitze für den Profi der Gazprom-RusVelo-Mannschaft gelohnt: Der Italiener gewann die ersten sieben Bergwertungen des Radklassikers und konnte nach dem Rennen auf dem Podium die Bergpreistrophäe entgegennehmen.

Und es war diese vorletzte Passage am Mammolshainer Stich, die sich als Vorentscheidung des Rennens erwies. Tempoverschärfungen durch das Team BikeExchange haben dazu geführt, dass die Ausreißer gestellt wurden und sich das Peloton teilte. 16 Fahrer gingen zusammen zur letzten Überfahrt des Mammolshainer Berges – 40 Sekunden vor dem Feld.

Auf den letzten Rennkilometern, die in die Frankfurter Innenstadt führten, übernahm vor allem das UAE Team Emirates im Feld für Kristoff die Nachführarbeit. Rund 30 Kilometer vor dem Ziel war es um die Gruppe geschehen. Nur Georg Zimmermann (Intermarche - Wanty Gobert Matériaux), Gewinner des Nachwuchs-Trikots bei der Deutschland Tour und Cristian Scaroni (Gazprom-RusVelo) wehrten sich noch gegen ihre Einholung. Nach der Einfahrt in die Stadt beteiligte sich auch der deutsche Rennstall Bora-hansgrohe um Titelverteidiger Ackermann an der Spitze des Feldes. Das Spitzenduo hielt sich hartnäckig und konnte bei der ersten Zieldurchfahrt an der Alten Oper den Jubel der Zuschauer genießen. Neun Kilometer vor dem Ende wurden sie vom Feld der Sprinter geschluckt. Es war Degenkolb, der sich auf dem letzten Kilometer als Erster ein Herz fasste und den Sprint eröffnete. Doch auf den letzten Metern hatte der Oberurseler dem Sieger Philipsen nichts entgegenzusetzen.

Kronberger Radrennfans

Einige Kronberger Radrennfans ließen sich trotz der unmissverständlichen Aufforderung der Veranstalter, zuhause zu bleiben und das Rennen am TV zu verfolgen, nicht davon abhalten, die Radsportprofis aus nächster Nähe anzufeuern. Zwar verfolgten die meisten das Rennen zunächst von zu Hause aus, wechselten jedoch spätestens nach der Durchfahrt der Amateure auf die Straße, um die Sportler – wenn auch nur für eine Sekunde – live zu sehen. Beim Warten auf den großen Moment wurde sich mit Nachbarn und Bekannten über die eindrucksvollen Aufnahmen aus der Vogelperspektive, vom eigenen Haus oder vom Mammolshainer Stich und vielen weiteren interessanten Bildern der live-Übertragung des hr vom Rennen ausgetauscht. Diejenigen, denen das Warten in Kronberg am Berliner Platz nach der ersten Runde von Dreien, die die Radprofis durch die Stadt nahmen, zu langweilig wurde, spazierten wieder nach Hause oder schwangen sich selbst aufs Rad (die PKWs waren westlich der Frankfurter Straße den ganzen Tag über eingesperrt). Denn wer sportlich genug war, hatte am Mammolshainer Stich noch zweimal das Vergnügen, die Radprofis in vollem Krafteinsatz die Steigung von in der Spitze 23 Prozent hinaufkeulen zu sehen und den Moment zu erleben, in dem die Ausreißer gestellt wurden. Da auch am Mammolshainer Berg die Live-Übertragung der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen war, konnte die Zieleinfahrt der Radprofis nur mittels Handy – oder nach dem Abtauchen der letzten Sonnenstrahlen hinter dem Taunusgebirge doch lieber nach einem weiteren schnellen sportlichen Wechsel auf das eigene Sofa – zu Ende verfolgt werden. (mw)



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