Kronberg (war) – Er war neben Emil Rumpf der letzte Vertreter der hiesigen Künstlerkolonie – Fritz Wucherer. Vor 150 Jahren, am 8. März 1873, erblickte er in Basel das Licht der Welt, um in seinem vierten Lebensjahr mit seinen Eltern nach Frankfurt umzuziehen. 75 Jahre später starb er am 22. März 1948 in Kronberg nach einem mehr als ein halbes Jahrhundert dauernden schaffensreichen Leben. Alleine zwei von dem Künstler selbst geführte, so genannte Malhauptbücher bezeugen über 600 Werke aus seiner Hand. Vielfach ist in den Listen sogar der Verkaufspreis festgehalten. Die beiden Bücher sind aber keineswegs als Gesamtverzeichnis anzusehen, da sie nur einen Teil seiner Bilder dokumentieren.
Quartier auf der Burg
Anton Burger – Mitbegründer der Kronberger Malerkolonie und über viele Jahrzehnte deren Kopf – war sein Lehrer von 1892 bis 1895. Ersten Zeichenunterricht hatte er da bereits nach eigener Aussage als Konfirmand bei Eduard Josef Müller, der als Zeichenlehrer, Landschaftsmaler in Frankfurt tätig war, erhalten. In seiner 1937 angefertigten Autobiographie „Mein Lebenslauf“, die der Lokalhistoriker Helmut Bote anlässlich des 100. Geburtstages des Malers 1973 neu editierte, beschreibt Wucherer seine Lehrjahre in der Burgstadt näher: „Als ich 1892 nach Kronberg kam, war die Malerkolonie nicht mehr vollzählig. Anton Burger, damals ein hoher Sechziger, hatte seit Jahren einen größeren Schülerkreis um sich versammelt aus dem manch tüchtiger Künstler hervorgegangen ist. Burger war durch seine geniale und kraftstrotzende Persönlichkeit, sein hinreißendes Temperament, vor allem aber durch seine hohe Kunstauffassung und sein großes Können wohl geeignet, auf empfängliche Gemüter zu wirken. Diesem starken Einfluß gegenüber seine Eigenart durchzusetzen, war freilich für manchen Schüler nicht leicht.“
Gerade die Reifeprüfung am Realgymnasium im April 1892 absolviert, zog Wucherer in seine erste „Künstlerbude“ in Kronberg. „Im ersten Sommer hatte ich eine hochromantische, herrlich gelegene Wohnung gefunden, nämlich ein Zimmer in der alten, damals recht baufälligen Kronberger Burg. Als ich einmal den Erker des großen Rittersaals malte, worin ein Schreiner seine Werkstatt aufgeschlagen hatte, tobten seine Kaninchen unter dem vermorschten Bretterfußboden in der Sandfüllung munter wie im Freien umher“, erinnert er sich.
Da es aber ab dem Herbst in der Burg zum Wohnen zu kalt geworden war, nahm er Quartier im Haus seines Lehrers. Bei diesem, der eine private Malschule unterhielt, standen zwei Tage die Woche das Malen und Zeichnen im Atelier und in der freien Natur neben Akt- und Bildkomposition auf dem Lehrplan. Laut Wucherer war Burger der Ansicht, dass man „im Umkreis von zehn Minuten genug Motive finden könne, um ein großer Maler zu werden.“ Außerdem war dieser der festen Überzeugung, dass es sich für einen echten Künstler gehöre, zu rauchen.
Folglich bekam Wucherer von Burger einen Pfeifenkopf aus Meerschaum, mit dem schon der zweite Mitbegründer der Malerkolonie, Jakob F. Dielmann, geraucht haben soll, samt Tabak geschenkt und blieb so sein Leben lang dem Nikotin treu. Wucherer weiter: „Im Frühjahr 1895 waren meine drei Kronberger Lehrjahre um, die zu den sorglosesten und glücklichsten meines Lebens zählen“. Kronberg war ihm inzwischen zur zweiten Heimat geworden. Sein Meister meinte zum Abschied trocken: „Zu einem Handkäs und einem Glas Äppelwein reicht, was du gelernt hast, allemal!“
In Paris und Umgebung
Vom teils noch recht dörflichen Kronberg zog es Wucherer sodann in die Weltstadt Paris, um hier bis Ende 1897 zu bleiben. Dort fand er rasch eine Bleibe samt Atelier auf dem Montmartre, dem Künstlerviertel par excellence in Frankreichs Kapitale. „Die Sprache machte mir nicht viel Schwierigkeiten, da ich überhaupt nicht viel sprach“ Zwar standen jetzt intensive Studien der berühmten Meister im Louvre an, inklusive der Mona Lisa von Leonardo da Vinci, jedoch gemalt habe er, so betont Wucherer, in erster Linie „nach der Natur“ bevorzugt an den Ufern der Seine und der „noch ganz ursprünglichen Marne.“ Genauso stand ein Besuch des Dorfes Barbizon bei Fontainebleau an. Dort hatte sich die erste Malerkolonie von Freilicht- und Landschaftsmalern in Europa, welche das akademische Zeichnen kritisch sahen, bereits um 1830 gebildet. Deren Malweise hatte auch viele Künstler aus Kronberg später beeinflusst. Einen Sommer lang zog es den jungen Eleven auch nach Auvers sur Oise, einem damals ebenfalls angesagten Künstlerdorf bei Paris, in dem sich Vincent van Gogh 1890 suizidiert hatte.
1899 nahm Wucherer dann zunächst Quartier in dem bis 1972 eigenständigen Schönberg bei Kronberg, um bald darauf die einstige Wohnung samt Künstleratelier von Wilhelm Süs in Kronberg anzumieten. Süs war damals auf Vermittlung des renommierten Malers Hans Thoma, der selbst in Kronberg für kurze Zeit gelebt hatte bis er 1899 als Professor an die Großherzogliche Kunstschule im badischen Karlsruhe berufen worden war, dorthin gefolgt. 1911 ließ sich der junge Künstler schließlich ein eigenes Haus in der Burgerstraße in Kronberg erbauen. Inzwischen war er verheiratet und Vater eines Sohnes. Seine Frau Marie Cleophea Zwerger hatte wie er die Malschule bei Burger besucht. Wucherer dazu: „Meine drei Wünsche hatten sich erfüllt wie im Märchen: Ich war Maler, Ehemann und Kronberger“. So konnte Wucherer nunmehr als Mitglied der hiesigen Künstlerkolonie deren Schlussphase noch miterleben und aktiv mitgestalten.
„Harter Kern“
Nach Auskunft von Hans Robert Philippi, Vorstandsvorsitzender der Museumsgesellschaft Kronberg, gehörten einst zum „harten Kern“ der Künstlergruppe rund 40 Künstler, denen durchaus noch 20 bis 60 weitere als eher lose Mitglieder sowie Freunde ohne feste Bindung zugerechnet werden können.
Dankbar und lobend blickt Wucherer in seiner Autobiographie auf den intensiven Austausch mit seinen Kollegen in Kronberg zurück. So war es Hans Thoma, der Wucherer an die Lithographie heranführte: „Seitdem habe ich mich immer wieder gern und viel damit beschäftigt.“ Heraus kamen dabei unter anderem mehrere größere „Lithos“ mit Motiven aus Frankfurt.
Die Königsberger Allgemeine Zeitung vom 8. März 1913 beschreibt anlässlich einer Ausstellung Wucherers Bilder folgendermaßen: „Seine Landschaften der lieblichen Umgebung des Taunus und dem Bezirk süddeutscher Flußläufe haben etwas Stilles, Behagliches.(…) Dazu sind diese fast immer von einem kultivierten Farbgeschmack zusammengehalten.“