Kronberg (hmz) – Nach den Sommerferien beginnt wieder der Schulalltag und das Bild wird sich der Erfahrung nach wiederholen: Grundschulkinder haben Probleme mit dem Lesen und sie kommen mit großen sprachlichen Lücken in die Schule. Viele können dem Unterricht daher nicht folgen, weil ihnen buchstäblich die Worte fehlen. Aus diesem Grund können sie auch die Texte nicht verstehen. Betroffen sind deutsche Kinder genauso wie Kinder mit Migrationshintergrund. Was tun? Die Antwort heißt, so banal sie auch klingen mag, regelmäßig lesen und vorlesen. Das ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Sprachentwicklung. Kein Wunder also, dass die Leseförderung in den Grundschulen ein zentrales Thema ist, um das herum nach Möglichkeiten gesucht wird, wie kleine Lesemuffel Spaß am Lesen gewinnen könnten. Dabei sind Eltern, Lehrerinnen und Lehrer aber auch diejenigen gefragt, die den Kindern in ihrer Freizeit ein zusätzliches Betreuungsangebot ermöglichen.
Stefanie Schmidt-Isenthal ist Lehrerin an der Kronthal-Schule und zugleich die Koordinatorin der Schulbesuche in der Kronberger Stadtbücherei. Regelmäßig finden dort Lesungen mit Autorinnen und Autoren statt, die ihre aktuellen Kinderbücher vorstellen. „Diese Kooperation ist eine willkommene Ergänzung zu unserem Unterricht“, darin ist sich Stefanie Schmidt-Isenthal zusammen mit dem Kollegium und den Eltern einig. Einige Empfehlungen landen dann in den Regalen der Schulbibliothek, einem gemütlich eingerichteten Raum mit kleinen Leseecken. In den Regalen stehen die „Bestseller“ für Kinder vom ersten bis zum vierten Schuljahr. Die Idee dahinter: Kindern unabhängig von ihrem Elternhaus, kulturellen Hintergrund und sozialen Status mit Literatur, Sachwissen und dem kreativen Potential digitaler Medien in Kontakt zu bringen.
Lesetandems
Wer Interesse hat, kann hier zusätzlich zur regulären Leseförderung im Unterricht in seinen Lieblingsbüchern schmökern und sie anschließend auch ausleihen. An der Kron-thal-Schule haben die Mütter das „Sagen“ in der Schulbibliothek. Sie haben das Ausleihsystem organisiert, aktualisieren den Buchbestand und einige von ihnen stellen sich als „Büchereimütter“ zur Verfügung. Sie sind immer in der ersten Pause da und beaufsichtigen die Kinder in der Bücherei. Neuanschaffungen werden vom Förderverein finanziert und damit ist die Auswahl immer auf dem neusten Stand. „Diese Initiativen unterstützen unser schulisches Angebot wie etwa auch die Lesetandems. Sie sind eine Möglichkeit, im Unterricht an der Erhöhung der Leseflüssigkeit zu arbeiten. Die Kinder lesen die Texte immer viermal gemeinsam. Danach folgt ein neuer Text. „Dieses Training führen die Kolleginnen und ich dann ein- bis zweimal die Woche für etwa 15 bis 20 Minuten durch.“ Sie selbst habe in ihrer Klasse immer ab dem zweiten Halbjahr des ersten Schuljahres bis zum Ende des zweiten Schuljahres Lesemütter, die für eine Stunde in der Woche kommen und dann mit einzelnen Kindern lesen, sprich, die Kinder lesen diesen „Lesemamas“ vor.
„Lesen ist ein schrittweiser Prozess, bei dem Kinder lernen, Buchstaben zu erkennen, Wörter zu verstehen und schließlich den Sinn von Texten zu erfassen. Unsere Aufgabe ist es, Schülerinnen und Schüler auf dieser Reise zu begleiten und ihre Lesefähigkeiten nach und nach aufzubauen. Dies ist auch der Schlüssel zur Lesekompetenz und die beginnt in der Grundschule. Aus diesem Grund ist die Leseförderung in Grundschulen so wichtig.“ Lesen und Vorlesen sei richtungsweisend für das gesamte Leben und im Idealfall sei das auch den Eltern bewusst. „Mein dringender Appell ist, sich täglich zehn Minuten Zeit für das Vorlesen zu nehmen, dieser Zeitrahmen sollte für jeden machbar sein.“
Anreize schaffen
Gemeinsam müssten entsprechende Anreize geschaffen werden, „denn nach 30 Jahren Schuldienst ist es nach meiner Wahrnehmung schon so, dass es bei der Flut digitaler Einflüsse schwieriger geworden ist, Kinder für Bücher zu begeistern.“ Aber es gibt sie wohl immer noch, die „absoluten Bücherfans“, die mit ihrem guten Lese- und Sprachverständnis dann auch in den anderen Fächern klar im Vorteil sind. Ihnen, aber auch denjenigen, die mit dem Lesen so gar nichts „am Hut haben“, werden kleine Brücken gebaut. In der Schule wurde daher beispielsweise „Antolin“, ein web-basiertes Programm zur Leseförderung eingeführt.
Die Nutzung ist für Schülerinnen und Schüler denkbar einfach. Sie erhalten individuelle Zugangsdaten, mit denen sie sich auch von zu Hause anmelden können. Sie lesen ein Buch nach ihrer Wahl und melden sich anschließend mit ihren Daten, die ihre Lehrkraft zur Verfügung gestellt hat, bei Antolin an. Zu einem Buch beantworten sie zehn bis 16 Quizfragen nach dem Multiple-Choice-Verfahren, die meist nur beantwortet werden können, wenn das Buch aufmerksam gelesen wurde. Wird eine Frage richtig beantwortet, wird dies sofort angezeigt, und wenn eine Antwort falsch war, wird dem Schüler die richtige Antwort erklärt. Für jede richtig beantwortete Frage gibt es dann Pluspunkte. Die Punkte, die eine Schülerin oder ein Schüler bei der Beantwortung gesammelt oder verloren hat, werden zu einem Gesamtpunktestand zusammengerechnet. „Wer im Verlauf des Schuljahres die meisten Punkte gesammelt hat, bekommt am Ende des Jahres ein kleines Geschenk als Motivation.“ Der Schnitt kann sich sehen lassen: von 25 Kindern haben zehn über 1000, fünf über 2000 und eins über 3000 Punkte geschafft.
Meilenstein
Was gleich zu Beginn in der Schulbibliothek aufgefallen ist: hier stehen auch die Klassiker zum Beispiel von Astrid Lindgren und Ottfried Preußler. In der dritten Klasse steht „Die kleine Hexe“ auf dem Leseplan von Stefanie Schmidt-Isenthal und in der vierten Grimms Märchen. Mit der Unterrichtsvorbereitung fängt sie in der zweiten Hälfte der Schulferien an. Wenn sie einen Wunsch frei hätte, dann den: Einfach nur zu unterrichten und die Kinder auf ihren weiteren Lebensweg vorzubereiten. „Die Grundschule ist dafür einer der wichtigsten, aber häufig unterschätzten Meilensteine. Hier wird das Fundament für die weitere Entwicklung gelegt. Nach vier Jahren entlassen wir die Kinder im günstigsten Fall selbstbewusst, selbstbestimmt und selbstorganisiert. Dahinter stehen wir mit einem sehr großen persönlichen Engagement.“