Kronberg vor 75 Jahren: Der Krieg geht dem Ende zu

Kronberg (war) – Der 29. März 1945 – Gründonnerstag – war ein Tag, den sicherlich die meisten Kronberger herbeigesehnt hatten. Der Grund: Das Ende des Zweiten Weltkriegs. Wie das Kriegsfinale in der Burgstadt ablief, darüber berichtet der 2006 verstorbene Kronberger Hans Jürgen Schultz, Enkel von Hofapotheker Dr. Julius Neubronner, in den Jahrbüchern des Hochtaunuskreises 2004 und 2005. So beschreibt der Autor das Eintreffen der Amerikaner folgendermaßen: „In der Nacht zum Gründonnerstag, zum 29. März, war wieder starker Artilleriebeschuss. Man hörte das helle Surren der Geschosse, die meistens über Kronberg hinweg in der Falkensteiner Gemarkung einschlugen. Aber es gab auch Treffer in Kronberg und Schönberg. Mittlerweile hatten die amerikanischen Panzerbataillone Frankfurt eingenommen und drangen weiter nach Norden vor. Ohne jeden Widerstand zog eine amerikanische Infanterieeinheit mit vielen kleineren und gepanzerten größeren Fahrzeugen in den frühen Morgenstunden über die Frankfurter Straße in Kronberg ein. Auf der Hainstraße, etwa in der Höhe des Kaiserin-Friedrich-Parks, machte die Spitze der Kolonne gegen 7.00 Uhr Halt und befahl den Besatzungen der aufgefahrenen Fahrzeuge eine halbstündige Frühstückspause. Danach rückte die Kolonne ab. (…). Am Nachmittag fuhr ein ‚Jeep‘, ein kleines amerikanisches Truppentransportfahrzeug, mit vier bewaffneten Soldaten und einem Maschinengewehr über die Königsteiner Straße nach Kronberg. Es hielt beim Eingang zur Villa von Meister an und ihm entstieg ein amerikanischer Offizier, Leutnant Bentley. Er erbat von den Hausbewohnern, der Familie Kiep, Auskunft über den Weg zur Kronberger Bürgermeisterei.(…). So geschah es, dass der 18 Jahre alte Walther Leisler Kiep die amerikanischen Truppen nach Kronberg, in die Stadt und ins Rathaus führte.“ Der Krieg war damit zumindest in Kronberg zu Ende!

Die letzten Wochen davor hatten sich recht unruhig gestaltet. So hält Schultz fest, dass am 13. März erneut Brandbomben auf Kronberg niedergingen. Eine Person kam dabei auf dem Doppes ums Leben. Brände im Frankfurter Hof und im Gasthaus zur Post sowie eine abgebrannte Scheune in der Heinrich-Winterberg-Straße waren die Folge. Ein Tag später wurde das Munitionslager bei Oberhöchstadt von amerikanischen Bombern beschossen. Dabei fanden 24 Senioren im nahegelegenen Altersheim Hohenwald den Tod. Dieses Munitionsdepot wollten die Nazis eigentlich noch kurzfristig sprengen, um es nicht in Feindeshand fallen zu lassen. Eine Sprengung hätte durch die enorme Druckwelle sicherlich zu großen Hausschäden in Oberhöchstadt geführt. Der amerikanische Fliegerangriff vereitelte jedoch diesen Plan. Auf deutscher Seite wurden verstärkt mobile Panzersperren an den Ausfallsstraßen vorbereitet und die örtliche Hitlerjugend in Richtung Westen zur Verteidigung des Westwalls abkommandiert. Doch die teilweise erst 13. Jährigen kamen am 25. März bereits wieder zurück, da bei Darmstadt die Fahrt schon zu Ende war. An diesem Tag verkehrten die letzten Züge zwischen Frankfurt und Kronberg. Wenig später versagte auch die Stromversorgung. Der Telefonverkehr blieb hingegen zunächst intakt. Drei Tage später sollte der gesamte Obertaunuskreis, der Vorläufer des heutigen Hochtaunuskreises, evakuiert werden. Dazu wurden am 27. März eilig Aushänge in der Stadt mit folgendem Wortlaut angebracht: „Amtliche Bekanntmachung der Stadt Kronberg/Ts. – Auf Befehl des Reichsverteidigungskommissars ist die totale Räumung des Obertaunuskreis befohlen. Alle Einwohner Kronbergs sammeln sich am 28. März 45, 7 Uhr vormittags auf der Hindenburgstraße (die heutige Hainstraße) und der Straße Königstein-Oberursel. Marschverpflegung ist mitzunehmen.“ Diesem Aufruf folgten jedoch nur Wenige, was zeigt, dass die bislang strikten Befehlsstrukturen mehr und mehr versagten. Vor allem linientreue Parteimitglieder verließen jetzt samt dem bisherigen Bürgermeister und Nationalsozialisten Wilhelm Schaub die Stadt. Doch auch diese wurden noch vor Friedberg von den Amerikanern am Weiterkommen gehindert, so dass das Gros der Gruppe wieder nach Kronberg umkehrte. Die im Hotel Schützenhof einquartierte Gestapo hatte zu dieser Zeit ebenfalls längst das Weite gesucht. Indes hielt das Artilleriefeuer über Kronberg weiter an. Deutsche Flak-Einheiten erwiderten den Beschuss von ihren Stellungen bei Falkenstein und Oberhöchstadt. Das Reservelazarett in der Volksschule wurde aufgelöst und weiterhin bettlägerige Patienten in die Villa Mumm, die damals eine „Gauschule“ beherbergte, umgebettet. Die Sanitätseinheit verließ Kronberg. Ein von ihr in einer Altstadt-Scheune deponierter Sanitätswagen wurde daraufhin innerhalb kurzer Zeit von der Nachbarschaft geplündert. Dasselbe Schicksal ereilte das vom NS-Arbeitsdienst bis dato verwaltete Kleiderlager in der städtischen Turnhalle. Die zu Beginn geordnete Verteilung der Textilien und Schuhe endete laut Schultz schon bald im Chaos. Manch ein Kronberger konnte seine umfangreiche „Beute“ kaum nach Haus schleppen. Wie in Kronberg rückten die Amerikaner in Oberhöchstadt am 29. März gegen 15 Uhr ein. Der damalige katholische Pfarrer Richard Keuyk kam den fremden Soldaten im Priestergewand entgegen, um diesen wohl zu zeigen, dass nicht auf sie geschossen werde. In Schönberg erschienen die neuen Besatzer hingegen erst vier Tage später, am 2. April. Bis dato war der Ort regelrecht übersehen worden.



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