Aktuell
Unsere Leserin Henriette Tomasi, Schirnstraße, Kronberg, hat ihre Gedanken zu einem gefällten Baum im Park und Naturschutz generell in Worte gefasst: Ich kaufe krumme Früchte – dazu bekenne ich mich. Ich esse kleine, knorpelige Äpfel, mache aus schorfigen Birnen Marmelade, schäle die winzigen Quitten und mache Saft daraus.
In meinem Garten wachsen alte Bäume, einer ist sogar umgefallen: ich lasse ihn liegen, denn die Insekten hausen in ihm. Dort ragt ein bemooster, knorriger Ast: ich weiß, unterm Moos wimmeln Käfer, Raupen, Schnecken und ein paar Schmetterlinge überwintern darin. Unten, zwischen den in Brombeerranken und hohen Gräsern eingewachsenen Wurzeln, verkriecht sich der Igel, huscht vielleicht der Fuchs umher. Was spricht gegen die krummen Verwachsungen der Bäume? Warum fällen, warum begradigen, warum nicht mal die geheimnisvollen Triebe belassen?
Bei Obstbäumen kann ich es ja verstehen – aber in einem verwilderten Gebiet, einer Gehölzinsel, die dem Unterschlupf der Tiere dient? Warum bewahrt man nicht die Biotope? Überall werden die letzten Reservate zerstört: riesige Baugebiete löschen Fauna und Flora aus. Tiere werden ihrer Heimat beraubt, wertvolle Pflanzen ausgerottet – auch in unserem kleinen Ort – vor unserer Haustür. Ich wandere immer durch die Natur, beobachte und fotografiere besondere Orte, Stimmungen, geheimnisumwitterte Landschaften, die sich im Morgennebel aus dem Licht herausschälen.
Die Bäume laden leider zum Klettern ein: gerade die krummen, die verwunschenen, die die wie eine Höhle umschließen. Aber war das nicht schon immer so? Kletterte nicht auch ich in die Höhen manch eines Baums in Garten, Park und Wald? Kann man das verhindern? Kann nicht überall etwas passieren? Muss deswegen ein Biotop zerstört werden? Oder sollte heutzutage nicht aus Naturschutzgründen ein rechtlich anderer Weg begangen werden? Muss ich einen Sumpf trockenlegen, weil jemand darin versinken könnte? Muss ich einen verwachsenen Baum fällen, der weit über 100 Jahre wuchs, weil ein Kind hinunterfallen könnte? Hat nur der Mensch das Recht, zu leben? Muss er um jeden Preis – vor seiner eigenen Dummheit – geschützt werden? Warum nicht auch die Natur auf eine höhere Stufe des Schutzes stellen? Warum nicht Schilder stellen, die eine Gehölzinsel als Naturschutzgebiet ausweist und Kindern verbietet, auf dem Baum zu klettern und Eltern darauf hinweist, dass sie für ihre Kinder haften? Ich finde, man kann es sich heute nicht mehr leisten, Vögeln, Insekten und Tieren ihre Biotope zu nehmen und in Besonderem nicht die, die ihnen als solche eigentlich dienen sollten: die winzigen, oft von Naturschützern erkämpften Ausgleichsflächen für die offenen Wunden der begangenen
Bausünden! Tot und traurig liegen nun die Reste dieses wilden, bemoosten Baumes auf der großen Wildwiese im Park. Wieder mal zerstörte der Mensch schnell und laut mit Motorsägen den Unterschlupf für Insekten, Spinnen und Vögel. Gerade noch fotografiert und nun fragt man sich, warum der Mensch nicht behutsamer mit seiner zerstörerischen Macht gegenüber Fauna und Flora umgehen kann und warum er nicht ein Leben führen kann, dass das Schützen der Natur – als wichtigen Wert – bewahrt.