Kronberg. – Unter dem Arbeitstitel „Upcycling Arts“ wurde vor über einem Jahr jungen Menschen die Frage gestellt: „Was ist noch natürlich?“ Die Aktion ging vom Museum der Kronberger Malerkolonie aus und orientierte sich an den seinerzeit ausgestellten Bildern von „Carl Theodor Reiffenstein und Freunden“. Dem Aufruf, mit Ideen zum Zeitgeist einen künstlerischen Transfer zu gestalten, folgten fünfzehn Schülerinnen und Schüler. Darunter der Kunstkurs der Klasse 9Ra/b der Altkönigschule unter der Leitung der Kunstpädagogin Nina Borsch-Janßen sowie drei weiteren Schülern aus Frankfurt und Bad Homburg. „Nach dem Besuch mit Führung im Museum der Kronberger Malerkolonie waren alle sehr beeindruckt; davon, dass man alles so echt malen, dass eine Landschaft immer so anders aussehen kann, aber auch, dass man, wie beim Fotografieren, seinen Blick – den Blick des Betrachters – auf etwas lenken kann und genau dadurch einem Bild noch eine andere Bedeutung geben kann,“ so Nina Borsch-Janßen.
Das sei auch der Ausgangspunkt bei der Vorbereitung der praktischen Arbeit gewesen. „Wie blickten die Künstler des 19. Jahrhunderts auf die Natur, ihre Stadt und ihre unmittelbare Umgebung, wie nahmen sie ihre Umwelt wahr? Und wie tun wir es heute? Was möchten die Schülerinnen und Schüler mit einem Landschaftsbild heutzutage ausdrücken?“
Zunächst galt es jedoch zu klären, mit welchem Material gearbeitet werden sollte und was sich am besten eignet. „Worin kann man sich am besten ausdrücken und was ist einem vertraut?, so Nina-Borsch-Janßen. Hier nun kamen zum Einsatz Aquarellfarben, Acrylfarben, Linoldruck, Zeichnung, Collage und Mixed Media. Im Laufe der praktischen Arbeit fand dann jedoch die eigentliche Auseinandersetzung statt. „Wie zeige ich in einem Landschaftsbild Angst oder Hoffnung? Das waren interessante Fragestellungen, auf die die Schülerinnen und Schüler ganz unterschiedliche Antworten gefunden haben.“
Die Ergebnisse dieses Prozesses sind ab Samstag, 10. Juli in der Tonwerkstatt des Museums Kronberger Malerkolonie zu den üblich Öffnungszeiten zu sehen. Die beteiligten Schülerinnen und Schüler sind Yousra Boudahraye, Dania Ahmed, Vanessa Carl, Oscar Faith, Konstantin Gottschalk, Anna Maria Henrich, Won-Min Kim, Soojin Moon, Hamza Pulat, Henrik Strobel, Lana Pearl Wilson, Ferdinand von Bernuth sowie Fabian Kress, Julia und David Czech.
Die Frage nach dem „Natürlichen“ fand jeweils eine sehr individuelle und kreative Antwort. Die gestellte Aufgabe war durchaus eine Herausforderung. Immerhin musste der Bogen über zwei Jahrhunderte gespannt werden bis hin zur Gründung der Kronberger Malerkolonie im Jahr 1858 durch die Maler Anton Burger, Jakob Fürchtegott Dielmann und Philipp Rumpf. Im dörflichen Idyll der Taunusstadt fanden sie das „unverfälschte Landleben“. Die Sehnsucht nach der Natur und die Rückkehr zu ihr waren Mittelpunkt der in schönes Licht gesetzten Szenarien und der Landschaft. Der Fokus lag auf der Natur und bezog den Menschen sozialkritisch mit ein. Eine einheitliche Ausrichtung eines gemeinsamen Stils innerhalb der Kronberger Malerkolonie gab es nicht.
Die Gründungen der Künstlerkolonien waren eine Folge der sozialen und ökonomischen Umbrüche, die die Industrialisierung, Landflucht, das Bevölkerungswachstum und die Urbanisierung mit sich brachten. Die Vorstellung des Ländlichen und Abgeschiedenen als Gegenwelt zur Stadt und als Projektionsraum einer heilen Welt fand in den Bildern dieser Epoche ihren Ausdruck. Auch wenn damals noch der Glaube an die schier unbegrenzte Selbstreinigungskraft der Natur überwog, suchten die Menschen seit Beginn der Industrialisierung immer wieder Ruhe und Entspannung. Janßen dazu: „Natur und Natürliches haben in den letzten Jahren eine neue Wertigkeit erfahren, die an die individuelle Verantwortung appelliert. Auch hat die Forderung nach einer intakten Natur im aktuellen Zeitgeschehen eine neue Qualität erhalten, sie ist überlebenswichtig geworden. Junge Menschen sind inzwischen weltweit für die Folgen und Auswirkungen des globalen Klimawandels und der Umweltzerstörung sensibilisiert.“ Grund genug für die Initiatoren dieser Aktion, jungen Menschen die Frage nach dem „Was ist noch natürlich?“ zu stellen. Aufgrund der durch die Corona-Pandamie eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten sollte zusätzlich Raum für Kreativität geschaffen werden. „Und dieser wurde beeindruckend genutzt“, freut sich die Kunstpädagogin. Besucherinnen und Besucher können sich mittwochs von 15 bis 19 Uhr, samstags von 12 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr von dem Ideenreichtum überzeugen lassen. Sehr empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang die aktuelle Ausstellung mit Arbeiten von Kai Hackemann mit dem Titel „Von Kronberg nach Atlantis“, zu sehen noch bis zum 19.September.