Nahversorgung mit sozialem Aspekt in Schönberg am Ende – Konstruktive Vorschläge erwünscht

Eine der von der Schließung betroffenen Mitarbeiterinnen des tegut-Supermarkts:

Doris Kraus Fotos: Göllner

Schönberg (mg) – Ende des Jahres schließt in Schönberg die tegut-Filiale am Mainblick 65 unterhalb des „Weißen Bergs“, die in Kooperation mit der Perspektiven gGmbh, einer 100-prozentigen Tochter des gemeinnützigen Vereins Perspektiven e.V., die Bevölkerung mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs versorgt. Seit dem Jahr 2014 arbeiten auf den ungefähr 250 Quadratmetern Menschen mit psychischer oder körperlicher Einschränkung gemeinsam mit anderen Marktmitarbeiterinnen und Marktmitarbeitern. Ein gelungenes Konzept, das Chancen des Miteinanders und der Integration bietet und verwirklicht. Viele Mehrfamilienhäuser kennzeichnen das geografische Umfeld des Supermarkts mit sozialer und integrativer Komponente. Demografisch wohnt eine große Anzahl älterer und alter Menschen in der Nähe, die bislang fußläufig die Möglichkeit hatten, sich mit Lebensmitteln zu versorgen und vor Ort auch einmal ein „Schwätzchen“ zu halten, um so neben der Einkaufsmöglichkeit der im Alter häufiger existenten Einsamkeit entgegenzuwirken. Zum regulären Betrieb im Markt gibt es auch einen kostenfreien Bring-Dienst, der Menschen versorgt, denen physische Mobilität schwerfällt. Diese Optionen werden ab dem kommenden Jahr nun nicht mehr zur Verfügung stehen.

Neben der anwohnenden Bevölkerung kaufen auch die Basketball-Abteilung der TSG Schönberg, die Kirchen vor Ort, einige städtische Kindertagesstätten und Bewohnerinnen und Bewohner des nahegelegenen Altenwohnheims dort Lebensmittel ein und unterstützen somit das Projekt. Bevor es eine tegut-Filiale wurde, war es ein Schlecker Markt, davor ein HL-Supermarkt. Nun geht eine weitere Tradition an Einkaufsmöglichkeit in Schönberg zu Ende, das zuvor schon Metzgerei, Bäckerei, Apotheke, Schreibwaren- und Blumenladen und vieles mehr während der letzten Jahrzehnte verlor. Es handelt sich folglich um den Abschluss einer lange Zeit andauernden negativen Entwicklung, gleichzeitig ist Schönberg auf kommunaler Ebene im Vergleich gewiss nicht alleine mit dieser Problematik.

Seit Anfang des Jahres sucht nach der offiziellen Kündigung des privaten Eigentümers und Investors der Verein Perspektiven e.V. gemeinsam mit der Stadt Kronberg nach einer Alternative, das Geschäft an anderer Stelle im Stadtteil weiterzubetreiben. Die eine oder andere Immobilie war im Blick, letztlich scheiterten bislang jedoch sämtliche Versuche.

Seitens des Geschäftsführers des Vereins, Eberhard Emrich, wird bedauert, dass das Geschäftsmodell auf diese Art und Weise nie ertragreich genug war, um kostendeckend zu arbeiten, da die prozentualen Abgaben an die Betreiberfirma schlichtweg zu hoch seien. Ein Gewinn sei ohnehin nicht die Erwartung und der Plan für den Verein. In der nahen Vergangenheit schlugen auch bei diesem Projekt die deutlich gestiegenen Energiekosten zusätzlich negativ zu Buche.

Der Verein und seine Tochter-GmbH finanzierten ihr soziales und integrierendes Projekt im konkreten Fall in erster Linie über Zuwendungen durch zwei Kronberger Stiftungen. Die eine Stiftungs-Quelle versiegte bereits, da das Stiftungsvolumen aufgebraucht ist. Das Vermögen der zweiten Stiftung wird auch zusehends weniger. Einzelne Förderungen fanden bislang durch die Stadt Kronberg, den Verein Schönberg lebt e.V. und den Landeswohlfahrtsverband Hessen statt. Neue Geldquellen sind folglich notwendig, um auch andere Projekte weiterhin durchführen zu können – sei es durch andere private Stiftungszuwendungen, weitere Förderinstitutionen oder für den Verein ertragreichere Geschäftsmodelle mit Kooperationspartnern. Eine laufende Bezuschussung durch die Stadt Kronberg fand bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht statt und würde womöglich auch rechtliche Probleme aufwerfen.

Kronbergs Bürgermeister Christoph König formulierte bei einem vor-Ort-Termin: „Ich habe gelernt, dass es leichter ist, Quellen aufzutun, um Projekte dieser Art anzuschieben, als sie im Anschluss am Laufen zu halten“. Für die Menschen in der Umgebung bleibe nun bedauerlicherweise nur noch der Bus zum Berliner Platz oder nach Oberhöchstadt. Es stünde schlichtweg kein Platz in öffentlicher Hand in Schönberg zur Verfügung, stellte der Rathauschef ergänzend fest. Eberhard Emrich und Christoph König betonten zum Schluss gemeinsam, dass konstruktive Vorschläge sehr gerne gesehen und gehört würden. Es könne sein, dass aus privater Initiative heraus Optionen entstehen, die es bislang bei der Suche noch nicht gab. Das wäre mehr als wünschenswert, um auch zukünftig die Nahversorgung in Schönberg zu gewährleisten und gleichzeitig Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigungen zu ermöglichen.

Darüber würde sich exemplarisch auch Doris Kraus mehr als freuen, die im Jahr 2014 als Mitarbeiterin miteröffnete und nun auch bei der bevorstehenden Schließung dabei sein wird. Sie steht kurz vor ihrem Renteneintritt im Jahr 2026 und betrachtet das Ganze als „sehr traurige Angelegenheit“. In unmittelbarer Nähe des Marktes betonen gleichzeitig zwei Passantinnen auf Nachfrage ihr Bedauern über das Ende des Projekts. Michaela Staudt, die seit 18 Jahren im Viertel wohnt, beschreibt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als sehr angenehm. Sie beklagt zudem, dass Schönberg im Vergleich weniger beachtet werde als andere Stadtteile und dass dies schon länger der Fall sei.

Zur hintergründigen Information eine Anmerkung der Redaktion: „Der 1987 von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Waldkrankenhauses Köppern und der Klinik Bamberger Hof in Frankfurt gegründete Verein Perspektiven ist als freier gemeinnütziger Träger fester Bestandteil der psychosozialen Versorgung im Hochtaunuskreis und in Frankfurt am Main. Zehn Fachteams erbringen Leistungen an insgesamt sieben Standorten. Die Angebote richten sich an psychisch erkrankte, abhängigkeitserkrankte und körper- bzw. sinnesbehinderte Menschen sowie deren soziales Umfeld oder haben eine präventive Ausrichtung. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist dabei wichtigstes Ziel.“ Quelle: Homepage des Vereins Perspektiven e.V.

v.l.n.r. Bürgermeister Christoph König und Perspektiven-Geschäftsführer Eberhard Emrich

v.l.n.r. die Anwohnerinnen Michaela Staudt und Frau Faruhdornt-Roedmand

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