Steinbewegungen auf der Burg

Das waren noch schöne Zeiten, als die Art Quilt Gruppe Glaskunst um Initiatorin Jutta Briehn textile Installationsobjekte im Außenraum der Burg präsentieren konnte. In der Öffnung des Fünfeckturms auf der Oberburg lauerte eine gigantische Spinne in ihrem Netz, nur wenige Meter weiter saßen riesige Ameisen auf einer Mauer (siehe oben), und am Freiturm zeugte eine Leiter von einer drohenden Eroberung. Foto: Puck/Archiv

Auch wenn die Sehnsucht wächst: Kultur bleibt im

Dornröschenschlaf

Kronberg (mw) – Nach gut einem Jahr in gefühltem Dauer-Lockdown ist das Leiden in der Gesellschaft in allen Altersstufen deutlich spürbar. Corona hat unser Leben fest im Griff, die Erleichterung darüber, dass die Sieben-Tage-Inzidenz endlich sank, währte nur kurz. Mit den wieder rasant steigenden Inzidenzzahlen, die schon Sonntag bundesweit bereits wieder über die kritischen 100 stiegen, wächst, verbunden mit der schneckenhaften Impfgeschwindigkeit der Deutschen, der Unmut an der Politik.

Inzwischen steht es fest: Es wird bis 18. April keine weiteren Lockerungen geben. Ganz im Gegenteil: Das hessische Corona-Kabinett bestätigte am Dienstag prinzipiell die tags zuvor von Bund und Ländern besprochene „Notbremse“, die jüngste Lockerungen teils wieder einkassiert. So muss beispielsweise der Einzelhandel von „Click & Meet“ zu „Click & Collect“ zurückkehren (siehe weiteren Bericht in dieser Ausgabe).

Was in den ersten Monaten des Lockdowns in der Gesellschaft noch locker weggesteckt wurde, das Fehlen jeglicher Kultur, hat längst neben allen anderen Faktoren an die Grenze der psychischen Belastbarkeit geführt. Die Jugendlichen träumen von ungezwungenen Kinobesuchen, Disco, Partys und Sport ohne Auflagen, während sich die Erwachsenen einen entspannten Restaurantbesuch und das Ausüben ihrer Hobbys herbeiwünschen. Der Opel-Zoo-Parkplatz war nach Öffnung von Museen und Freizeitparks sofort wieder gut gefüllt. Die Menschen suchen nach einer Alternative zu Waldwegen und ihren eigenen vier Wänden.

Kultur auf der Burg

Das hatte der Burgverein bereits vergangenes Jahr gespürt, als er sein Außengelände im Mai über die Sommermonate und bis in den Oktober hinein schließlich doch öffnen konnte. „Unser Burggelände war besonders an den Wochenenden sehr gut besucht“, blickt die Vorstandsprecherin von Burgverein und -stiftung, Martha Ried, zurück. „Die Burgführungen, die wir nur mit fünf Leuten machen durften, waren natürlich nicht so der Knüller.“ Doch im Großen und Ganzen, weiß auch Schatzmeister Uwe Wittstock, „sind wir an einem gravierenden blauen Auge vorbeigeschrubbt“. Da man im Frühling noch nicht absehen konnte, ob die Burg für Besucher überhaupt würde öffnen können, hatte Wittstock mit einem Jahresdefizit von 67.0000 Euro kalkuliert. „Schließlich haben wir Fixkosten von rund 70.0000 Euro“, so Wittstock. Am Ende des Tages konnten allein über die Eintrittsgelder auf das Burggelände doch 31.000 Euro generiert werden. Verbunden mit kleineren Vermietungen für Hochzeiten blieb am Ende ein Defizit von 25.000 Euro. „Da wir in den vergangenen Jahren Rücklagen bilden konnten, können wir die Krise meistern“, zeigt sich Wittstock zuversichtlich. Das bedeute allerdings nicht, dass die Burg nicht weiter auf jede Spende angewiesen sei.

„Denn eigentlich sind unsere Rücklagen für Instandhaltungsmaßnahmen vorgesehen.“ Wichtig findet Wittstock in dieser anhaltenden Krisenzeit, daran zu arbeiten, keine Burgvereinsmitglieder, Freunde und Sponsoren zu verlieren. Deshalb habe man die ruhige Zeit beispielsweise dafür genutzt, einen Newsletter zu erstellen, um sich weiter austauschen und die Mitglieder bezüglich der Entwicklungen auf der Burg auf dem Laufenden halten zu können.

tasievoll, was das Aufrechterhalten des Austauschs untereinander beträfe. Längst würden Versammlungen online geführt und neue Formate geschaffen. Beispielsweise bietet der Arbeitskreis Museum online-Seminare für Burgführer an. „Wenn es etwas Positives an Corona zu berichten gibt, dann vielleicht, dass wir hier beim Burgverein jetzt auch den Weg der Digitalisierung eingeschlagen haben“, stellt er fest. Auch wenn das noch ein wenig Zeit erfordere, die neuen Auflagen nach einer online-Registrierung der Burgbesucher zu erfüllen, sei man auf einem guten Weg, eine Lösung zu finden und das technisch möglichst bald umzusetzen.

Doch selbst wenn das Außengelände geöffnet werden dürfte, sowohl der Burg als auch ihren Besuchern fehlt weiter die Chance, ihre ganze Bandbreite an kulturellen Möglichkeiten auszuspielen, war doch der Burgverein nach der aufwändigen Restaurierung der verschiedenen Burgsäle hier mitten in der Entwicklung neuer Formate. Nach den bereits länger erfolgreichen Märkten, Theater- und Operneinlagen und dem einen oder anderen Konzert hatte sich die Reihe „Texte und Töne zur Teezeit“ etabliert und eine weitere Reihe, „Kultur am Samstag“, war dabei, sich zu entwickeln.

Texte & Töne zur Teezeit

Texte & Töne zur Teezeit hatte sich seit 2014 mit den Jahren zu einem beliebten und gut besuchten Format entwickelt, das der Burg neben neuen Burgbesuchern zusätzlich positive Resonanz bescherte. Federführend von der Kulturfachfrau Brigitte Hermann aufgebaut und organisiert, gab es jedes Jahr zu einem bestimmten Motto fünf Kulturabende, in der Literatur und Musik meist zusammen spielten. Brigitta Hermann setzte dabei genauso auf bekannte Größen wie auf vielversprechende Nachwuchsmusiker, denen sie eine Plattform gab, sich zu präsentieren. Gerne erinnert sie sich an den Auftritt des zwischenzeitlich verstorbenen Romanautors Peter Härtling zurück, der auf der Burg aus seiner fiktiven Romanbiografie „Das Leben der Fanny Hensel-Mendelssohn in Etüden und Intermezzi“ las. Oder an Leon Schneider, einen viel versprechenden Nachwuchspianisten und -komponisten.

Mein Ehrenamt – mein Moment

Die Erinnerung an seinen Auftritt hatte Hermann für den von der Hessischen Staatskanzlei ausgelobten Wettbewerb „Mein Ehrenamt – mein Moment“ in 2020 zusammengefasst und gewann als Wochengewinnerin für die Burg vergangenen Herbst prompt 500 Euro. Sie schrieb: „Seit 2014 bin ich künstlerische Leiterin, Dramaturgin und Organisatorin der Veranstaltungsreihe ,Texte und Töne zur Teezeit‘ auf Burg Kronberg. Gemeinsam mit einem kleinen Team bieten wir von Mai bis September einmal im Monat hochkarätige Kulturveranstaltungen an, die sehr gut angenommen werden. Vor zwei Jahren hatte ich die Idee, eine ,Teezeit‘ von und mit jungen Leuten anzubieten. Unser Versuchsballon außerhalb der Reihe machte uns Mut, diese ,Junge Teezeit‘ auch ins normale Programm zu übernehmen. Schon 2018 geriet dabei ein junger Mann, damals 13 Jahre alt, aus Kronberg in den Fokus des Interesses, denn: Er spielt nicht ,nur‘ Klavier, er komponiert auch. Das fanden wir ganz wunderbar, und so schrieb er für uns eine Rhapsodie für Klarinette und Klavier. Unglücklicherweise sagte die junge Klarinettistin ihre Mitwirkung sehr kurzfristig ab. Was tun? Ich erinnerte mich meiner Kontakte zu Musikern, und tatsächlich: Die einstige Klarinettistin des Staatsorchesters Darmstadt verschaffte mir einen Kontakt zu einer anderen, auch noch recht jungen, hochprofessionellen Musikerin, die sich spontan bereit erklärte, nach Sichtung der Noten – die sie ob ihrer Professionalität sehr beeindruckten – den Klarinettenpart zu übernehmen. Am Klavier saß der junge Komponist selber. Nach einer einzigen intensiven Probe, während der sich die beiden Solisten ausgezeichnet verstanden, fand die Uraufführung vor unserem begeisterten Publikum statt. Das Schönste für mich war der Moment, als das Stück vorüber war, unser junger, stets sehr ernster Komponist sich erhob: sein überglückliches Lächeln in diesem Moment, nach der Uraufführung seines eigenen Werkes, werde ich nie vergessen.“

Die Reihe „Texte und Töne zur Teezeit“ wurde von ehrenamtlichen Kräften „ausgesprochen liebevoll gestaltet“, erinnert sie sich gerne zurück, mit Tee und selbst produziertem Gebäck zur Pause. Zu diesem Zeitpunkt hoffte Brigitta Hermann noch darauf, die für 2020 vorgesehene Planung 2021 umsetzen zu können. Doch Corona machte diese Hoffnung zunichte, und inzwischen hat die Kulturfachfrau dem Burgverein leider den Rücken gekehrt. Über ihre Gründe sagt sie: „Ich habe mich sieben Jahre mit dem Vorstand immer wieder herumgeärgert.“ An Spannung und Intrigen sei es nun einfach genug gewesen. „Ich bin seit meinem Austritt beim Burgverein Ende Oktober letzten Jahres sogar ein bisschen erleichtert“, stellt sie fest. Bei allen Versuchen, für die Burg professioneller im Ehrenamt zu arbeiten, sei sie immer wieder ausgebremst worden. Konstruktive Kritik sei in den eigenen Reihen unerwünscht, was ihrer Überzeugung nach einer positiven Weiterentwicklung des Burgvereins massiv im Wege steht und seinerzeit auch schon zum Rückzug der Öffentlichkeitsfachfrau Dorothea Peukert von ihrem Posten beim Burgverein geführt habe. Am Ende war es die Aufstellung einer vom Kronberger Künstler Karl Barth gestifteten Büste der Kaiserin Friedrich, die bei ihr das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Sie empfand es als misslungene Öffentlichkeitsarbeit, die Büste der Kaiserin in der Gesindekammer zu platzieren. „Vor allem aber die Tatsache, dass man darüber nicht offen diskutieren konnte, sondern sich nur aufgeregt hat“, hatte sie ernüchtert. Als Stiftungsratsmitglied habe sie es als Aufgabe gesehen, ihrer Überzeugung Ausdruck zu verleihen.

Differenzen sind nicht neu

Vorstandssprecherin Martha Ried will den Grund ihres Austritts aus dem Burgverein nicht kennen. „Dass es schon länger Differenzen gab, ist aber kein Geheimnis“, sagt sie. Jedoch sei glücklicherweise jeder/e ersetzbar. Uwe Wittstock zollt Brigitta Hermann und ihrer Reihe „großen Respekt“. „Es war eine sehr etablierte Reihe und Hermann hat das ganz toll gemacht“, sagt er. Es sei schon schade, dass sie nicht mehr zur Verfügung stehe. Wittstock weiß, die Burg lebt nicht allein von der Öffnung ihrer Museen und des Burggeländes, sondern von vielfältigen Kulturangeboten. Deshalb haben sie natürlich geplant, so lassen Martha Ried und Uwe Wittstock beide verlauten, die Kultur wieder aufzubauen. Leider könne man allerdings aktuell „gar nicht bis bedingt planen“.

Wie Martha Ried ankündigt, werde zumindest das „Herbstfrüchtefest“ vorbereitet, und noch habe man die leise Hoffnung, vielleicht zwei bis drei kulturelle Veranstaltungen für den Herbst vorbereiten zu können. Weitere Planungen machten dieses Jahr allerdings keinen Sinn mehr.

Planungen beim Kulturkreis

Ähnlich sieht es beim Kronberger Kulturkreis aus; auch wenn die Menschen ihre Kultur vor Ort und im Umland herbeisehnen, liegt diese weiter auf Eis. Geschäftsführerin Dorothée Arden informiert zu ihren Planungen: „Ursprünglich hätte der Hessische Kabarettpreis 2021 im April in den Kronberger Lichtspielen ausgetragen werden sollen. Da die Wahrscheinlichkeit, dass dies möglich sein wird, sehr gering ist, haben wir uns entschlossen, die beiden Abende auf den 27. und 28. Oktober zu verlegen.“ Die diesjährige 5. Auflage des Hessischen Kabartettpreises richtet der ,Fresche Keller‘ gemeinsam mit dem Kronberger Kulturkreis aus. Weitere beteiligte Bühnen sind aktuell die Bürgerhäuser Dreieich. Am Wettbewerbsabend treten vier Kabarettisten auf und präsentieren einen halbstündigen Ausschnitt aus ihrem aktuellen Programm. Zwei Preisträger für den Preisverleihungsabend stehen bereits fest: Die „Ahle Worscht“, den Ehrenpreis zum Hessischen Kabarettpreis 2021, erhält Christoph Sieber, der Förderpreis „Grie Soß“ geht an Eva Karl Faltermeier. Beide werden Ausschnitte aus ihren Programmen zeigen, gemeinsam mit den Gewinnern des Vorabends.

Da Capo fällt aus

Auch das diesjährige Da Capo in der Altstadt muss abermals ausfallen. „Wie auch im letzten Jahr werden wir wieder ein coronakonformes Miniformat des Internationalen Straßentheaters im Victoriapark planen, in der Hoffnung, dies wird dann auch stattfinden dürfen. Angedacht ist das Wochenende vom 28. bis 30. Mai“, berichtet Arden. Das Nachwuchsspezial „Junge Da Capo“ vor der Villa Winter musste im letzten Jahr ebenfalls ausfallen, soll aber in diesem Sommer jeweils an den Donnerstagen im Juli stattfinden. „Nicht jedoch wie ursprünglich vorgesehen vor der Villa Winter, sondern ebenfalls im Victoriapark. Das genaue Programm hierzu wird im Laufe des Aprils veröffentlicht“, kündigt Arden an. „Konnte doch kurz vor dem Lockdown im November noch das Boardwalktheater vor der Villa Winter seine Show zeigen, möchten wir dies dennoch vor größerem Publikum und bei hoffentlich besserem Wetter dieses Jahr nachholen. Angedacht war ursprünglich Mitte April, nun schauen wir, wann wir im Laufe des Sommers einen Ersatztermin finden“, berichtet sie weiter. Noch in Planung ist „Pinocchio“ der Kleinen Oper Bad Homburg, die die Abenteuer des berühmten Hampelmanns als modernes Familienmusical präsentiert, und zwar am Sonntag, 2. Mai um 15 Uhr in der Kronberger Stadthalle. Für alle Menschen ab 5 Jahren. Karten hierfür gibt es online unter www.kronberger-kulturkreis.de oder bei der Kronberger Bücherstube. „Wir hoffen, diese Veranstaltung nicht abermals verlegen zu müssen.“ Noch geplant ist auch, Donnerstag, 6. Mai, die Lesung von Jo van Nelsen im Rahmen von Frankfurt liest ein Buch 2021: „Warum also sterben, wenn das Kleid noch schön und brauchbar ist?“ Jo van Nelsen liest aus Eva Demskis Roman ”Scheintod”. Beginn ist um 19.30 Uhr, Einlass ab 19 Uhr.

Kabarett startet im Oktober

„Der Vorverkauf hierfür startet, sobald absehbar ist, dass die Veranstaltung tatsächlich wird stattfinden können“, so Arden, die die Hoffnung nicht aufgibt, dass wenigstens zum Herbst die Kultur wieder wird aufleben können. Alle ausgefallenen Kabarettabende in der Reihe „Kabarett im Kino“ konnten verlegt werden. „Till Reiners kommt im Oktober ins Kino, Konrad Beikircher mit seinem Weihnachtsprogramm im Dezember sowie Philipp Weber im November“, kündigt sie an und verweist auch auf die Konzerte in der Reihe „Salonkultur in der Villa Winter“. „Café del Mundo“ soll, wenn alles gut läuft, seinen Winterabend im November spielen, und Mulo Francel mit Chris Gall werden im Frühjahr 2022 nach Kronberg kommen. Der Vorverkauf startet erst im Laufe der Sommermonate, um sicher zu gehen, dass der Kultkurkreis die Veranstaltungen nicht am Ende doch wieder erstatten muss. Neuigkeiten finden Kulturfreunde auch online unter www.kronberger-kultukreis.de; dort können sie sich auch im Newsletter eintragen, um problemlos alle jeweils aktuellen Informationen zu erhalten.

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