„(S)Türmisches“

Eine Dystopie ist laut Wikipedia eine meist in der Zukunft spielende Erzählung, in der eine erschreckende oder nicht wünschenswerte Gesellschaftsordnung dargestellt wird. Für einen überzeugten Verfechter der britischen Monarchie wäre demnach die Abschaffung derselben eine Dystopie, wenn auch nicht augenblicklich die Gesellschaft, sondern lediglich sein Weltbild zusammenbräche. Nimmt man also mal an, eine der beiden großen Parteien schriebe es sich auf die Fahnen, den Tod von Queen Elizabeth zum Anlass zu nehmen, nicht nur die Königin, sondern mit ihr das Gesamtkunstwerk Monarchie zu begraben – was würde passieren? Also da wären einmal die zahlreichen Protagonisten, angefangen von Charles, dessen lebenslanges Warten nun endlich Früchte tragen könnte, über William, der vielleicht heilfroh ist, sein Leben nicht als ewiger Repräsentant des ewig gleichen Protokolls zu fristen, Harry und Meghan sind eh über alle Berge, und ja der Rest ist entweder unsäglich peinlich - Andrew - oder schlicht unwichtig. Viel zahlreicher sind dagegen die Immobilien der Krone, immerhin 22 an der Zahl. Angefangen bei Windsor Castle, dem größten Schloss der Welt, das durchgängig bewohnt wird, Sandringham House in der Grafschaft Norfolk, wo die Königsfamilie bis heute Weihnachten verbringt, Clarence House, wo Charles und Camilla noch wohnen, über den Londoner Sitz der Queen, den Buckingham Palace, über etliche andere bis hin zu Highgrove House, in dessen Mauern Charles mit Diana lebte. Eine Immobilie, Llwynywermod in Wales, kann man übrigens mieten, sofern sein Hausherr Charles nicht zugegen ist! Das wäre im Übrigen auch eine rentable Idee für sämtliche royalen Immobilien, wobei zugegebenermaßen Windsor Castle mit 775 Zimmern auf 77.000 Quadratmetern Wohnfläche selbst für eine denkbare Luxus-Senioren-Residenz für Diktatoren und Ölscheichs etwas überdimensioniert daherkäme. Für weitere Staffeln der wunderbaren Serie „The Crown“ wäre dies allerdings eine gute Nachricht, denn dann könnte endlich an den Originalorten gedreht werden ohne den kostspieligen Nachbau royaler Kulissen. Und die ganzen Klamotten wären auch untergebracht, man denke nur an die tausenden Kleider, Hüte und Mäntel der Queen. Wobei man sich da auch eine Versteigerung zugunsten karitativer Zwecke vorstellen könnte...es soll ja Leute geben, die sowas sammeln. In Wirklichkeit ist Charles aber jetzt endlich König mit seiner Camilla, und wenn er das ebenfalls bis zu seinem Tod durchzieht, haben William und Kate noch eine halbwegs entspannte Zeit vor sich. Doch noch ist nicht aller Tage Abend, und ob Charles das durch nichts zu erschütternde Durchhaltevermögen und die Contenance seiner Mutter geerbt hat, ist fraglich, wenn er schon angesichts eines auslaufendenden Füllers wie ein HB-Männchen an die Decke geht und fluchend den Raum verlässt. Der Arme hat‘s auch nicht leicht – überall lauern die böswilligen Paparazzi und warten auf den nächsten königlichen Fauxpas, um die weltweite youtube-Gemeinde zu erheitern. Natürlich konnte er sich jahrzehntelang auf diesen Job vorbereiten, aber gerade deshalb ist es vielleicht umso schwerer für ihn, sich mit seinen 73 Jahren von seinen bis dahin frei gewählten Lebens-Schwerpunkten zu verabschieden, um glaubwürdig die Institution Krone samt ihrem gestrig anmutenden Protokoll zu vertreten. Es bleibt jedenfalls spannend!



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