Kronberg (kb) – „Die Shoah begann nicht mit Auschwitz. Sie begann mit Worten. Sie begann mit dem Schweigen und dem Wegschauen der Gesellschaft.“ Es sind aufrüttelnde wie eindrückliche Sätze, die in dieser Woche einen Platz im goldenen Buch der Stadt Kronberg im Taunus gefunden haben – gleich über dem Namen und der Unterschrift von Eva Szepesi.
Die heute 92-jährige Auschwitz-Überlebende war es, die sich am 31. Januar 2024 mit diesen Worten an die Mitglieder des Deutschen Bundestages wandte. Szepesi verband damit den Ausdruck ihrer Sorge vor dem sich neuerlich zeigenden Rechtsextremismus und Antisemitismus, aber auch ihre Hoffnung auf ein Miteinander ohne Angst, in Sicherheit und in Frieden. Ein Anliegen, dem die Zeitzeugin seit 30 Jahren folgt, indem sie ihre Geschichte im Rahmen von Vorträgen oder Lesungen mit anderen Menschen teilt.
Eine Lesung Szepesis auf Einladung der Kronberger Bücherstube hatten Bürgermeister Christoph König und Stadtverordnetenvorsteher Andreas Knoche jetzt zum Anlass genommen, sie um deren Eintrag in das gebundene Gedächtnis der Burgstadt zu bitten. Eine besondere Bitte und Würdigung, der die Wahl-Frankfurterin am Dienstag, 8. April 2025, gerne entsprach.
Im Beisein von Familie, Freunden und Vertretern der Stadtgesellschaft trug sich Szepesi im Kronberger Rathaus in das goldene Buch ein und ergänzte ihren Namenszug um drei Worte, die für sie bis heute Anliegen und Antrieb sind: „Gegen das Vergessen“. Wie wichtig es nach wie vor ist, die Erinnerung an das millionenfache Leid wachzuhalten, das von deutschem Boden ausging, und als Mahnung an jüngere Generationen weiterzugeben – daran erinnerten Stadtverordnetenvorsteher Knoche und Rathauschef König unisono in ihrer Würdigung der Zeitzeugin.
König: „Gerade jetzt erleben wir in Europa und Nordamerika, wie schnell stabil geglaubte Demokratien ins Rutschen kommen, wie Autokraten nach der Macht greifen, wie Menschenrechte zur Disposition gestellt werden. Dem müssen wir uns – gerade als Deutsche – entgegenstellen.“ Hierzu müsse man immer wieder aufs Neue verstehen, wie Gewaltherrschaft entstehe und wie sie sich durchsetze. „Und dafür brauchen wir dringender denn je Zeitzeugen wie Sie“, richtete der Kronberger Bürgermeister das Wort an Eva Szepesi.
Bilder des Grauens
Die als Eva Diamant am 29. September 1932 in Budapest geborene ungarische Jüdin war 1944 im Alter von gerade einmal 12 Jahren in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verbracht worden. Die Bilder des Grauens, die sie dort als Kind bezeugen musste und dem sie selbst nur entkam, weil die Nazi-Schergen sie bereits für tot gehalten hatten, hielt Eva Szepesi über Jahrzehnte tief in sich verschlossen. Die Eltern und den Bruder für immer verloren, wuchs sie nach dem Krieg bei Onkel und Tante in Budapest auf. Sie schloss die Schule ab, machte eine Ausbildung zur Schneiderin, heiratete, übersiedelte 1954 mit ihrem Mann nach Frankfurt, bekam zwei Töchter. Über Auschwitz sprach sie nicht.
Erst 1995 teilte sie ihre Lebensgeschichte erstmals mit einer breiteren Öffentlichkeit. Zum 50. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz kehrte sie an den Ort des Schreckens zurück, um auf Einladung der Shoa-Foundation ihre Erinnerungen erstmals mit anderen, vor allem jungen Menschen, zu teilen. Für Eva Szepesi war es der Moment, in dem sie für sich erkannte, dass es wichtig ist, über das zu reden, was ihr und Millionen anderen Menschen zwischen 1933 und 1945 angetan wurde.
Nicht, um Schuld zuzuweisen oder weiterzureichen, sondern um an die Verantwortung zu appellieren, die die heutige und jede kommende Generation dafür trägt, dass das „Nie wieder“ jetzt ist.