Kronberger Geschichtssplitter
Aktuell
Kronberg (war) – Bilder von Hans Thoma sind heute nur noch selten zu sehen. Ganz anders war das zum Ende des 19. Jahrhunderts. Da waren seine Motive, Gemälde und Graphiken weit verbreitet und als Druck überall präsent. Er zählte damals zu den beliebtesten deutschen Landschafts- und Porträtmalern.
Der Künstler stand einst in engem Kontakt zur hiesigen Malerkolonie und über diese Verbindung erwarb er sogar für wenige Jahre ein Domizil in der Burgstadt. Aktuell erinnert nur noch die Hans-Thoma-Straße an den einst hier wohnenden Maler, der vor 100 Jahren – am 7. November 1924 in Karlsruhe – verstarb. Thoma wurde 1839 in Bernau im Hochschwarzwald geboren. Zunächst versuchte sich der mittellose Thoma in mehreren Lehren als Uhrenschildmaler, Lithograph und Tüncher, ohne diese jedoch zu Ende zu führen. Autodidaktisch bildete er sich nebenher im Kunstmalen und -zeichnen weiter bis ihn 1859 die Großherzoglich Badische Kunstschule in Karlsruhe zum professionellen Kunststudium aufnahm.
„Schwarzwaldbübele“
Doch auch hier tat er sich in der recht mondänen Residenzstadt als so genanntes „Schwarzwaldbübele“ schwer. Heimweh und sogar Hunger waren hier seine ständigen Begleiter, wie dem Buch „Hans Thoma in Frankfurt und im Taunus“ zu entnehmen ist, das die Museumsgesellschaft Kronberg im Taunus im Jahr 1983 anlässlich einer Thoma-Ausstellung herausgegeben hatte. Oft reichte sein Geld kaum für Malutensilien und Leinwand. 1867 wechselte Thoma nach Düsseldorf, wo er den aus Frankfurt stammenden Otto Scholderer kennenlernte, einem zukünftigen Mitglied der Kronberger Malerkolonie. Mit diesem reiste er nach Paris, der damals tonangebenden Kunstmetropole in Europa. Besonders die realistischen Bilder von Gustave Courbet, der sich 1858 in Frankfurt aufgehalten hatte, beeindruckten Thoma hier ganz besonders.
Aber auch in Düsseldorf stießen die Motive des Schwarzwälders, insbesondere seine naturalistischen Landschaften und oft bäuerlichen Bildthemen durchweg auf Ablehnung. Standen diese doch allzu konträr zur damals herrschenden Kunstauffassung. Sein Spitzname zu dieser Zeit lautete „Hühnermaler“. In Düsseldorf waren sogar Karikaturen seiner Bilder im Umlauf.
Unbeirrt
Doch Thoma hielt unbeirrt an seinem Stil fest, weil er wohl nach wie vor der Überzeugung war, noch Anerkennung zu finden. „Ich will nirgends hinaus. Ich will bei mir selbst bleiben“, so sein Kommentar. Nächste Station war für ihn München von 1870 bis 1876. Doch zum Besseren wendete sich das Blatt für ihn erst, als er nach Frankfurt wechselte. Freunde hatten ihm geraten, sein Glück in der Mainmetropole zu versuchen, da in dieser stark bürgerlich geprägten Stadt eine recht offene und tolerante Kunstauffassung herrschen sollte. Nachdem er anfangs nur temporär bleiben wollte, siedelte er schließlich ganz nach Frankfurt über, da er hier erstmalig mehr und mehr Aufträge für Bilder von finanzstarken Käufern und damit genügend Geld für sein Auskommen erhielt.
Wiederum half ihm Scholderer beim Einleben. Bald war ein Atelier nebst Wohnung angemietet sowie Mutter und Schwester aus dem Schwarzwald nachgeholt. Als dritte Frau kam noch die 1877 geehelichte Bonicella Berteneder aus München hinzu, die er zuvor in der Malerei unterrichtet hatte. In Frankfurt, das seiner Aussage nach „in der Kunst jeden in seinem Wesen gelten läßt“, blieb er 22 Jahre von 1877 bis 1899 und integrierte sich rasch in die hiesige Stadtgesellschaft. Die Frankfurter Jahre gehören posthum gesehen zu seiner erfolgreichsten Schaffensperiode. Er bezeichnete sie selbst als die „glücklichsten seines Lebens“.
Hochgeachtet
Da er zügig malte, konnte er entsprechend viel „produzieren“. Die Preise für seine Bilder stiegen mit der Zeit enorm. Nahm Thoma anfangs so gut wie jeden Auftrag an, so suchte er sich jetzt diese gezielt aus. Trotz dieser Erfolge blieb Thoma in seinem Innern nach wie vor eher ein Landmensch, der sich zur freien Natur und Stille hingezogen fühlte. Daher mietete er sich die Sommermonate über in Oberursel ein, um am Taunusrand ein ruhigeres Leben als in Frankfurt führen zu können. So sind seine zahlreichen Taunusbilder zu erklären. Noch heute erinnert im Vordertaunus-Museum in Oberursel die Hans-Thoma-Gedächtnisstätte an den Künstler. 1898 erwarb er schließlich ein Haus in Kronberg in der Jaminstraße.
Über den Kauf hält er in einem Brief vom 16. Oktober 1898 fest. „Mit meinen Haus- und Atelierwünschen habe ich gestern einen großen Schritt vorwärts getan; ich habe nämlich ein Haus mit einem alten Kastanienbäumen bewachsenen Garten, der 34 Ar groß ist, gekauft, und zwar in Kronberg, in nächster Nähe des kaiserlichen Schlosses und zwar als Nachbar von Herrn Grunelius, der mir einen Wink gab, daß die Sache zu haben sei.
Das Ganze kostet 38000 M., ein Preis, der für Kronberg nicht zu hoch ist, und ich erhielt es auch nur so, weil der Besitzer scheint ziemlich plötzlich den Entschluß gefaßt zu haben nach Australien auszuwandern; so hat sich die Sache etwa innerhalb drei Tagen abgespielt. Allerdings muß ich nun ein Atelier anbauen.“ Jetzt intensivierte sich seine bislang lose Verbindung zu den Kollegen der hiesigen Malerkolonie. Zunächst wollte Thoma sein neues Domizil in Kronberg wohl nur als Sommersitz nutzen, um vielleicht später einmal ganz in die Burgstadt zu ziehen.
Professur
Doch es kam letztlich anders, denn bereits im Jahr 1899 nahm er eine Professur an der Großherzoglichen Badischen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe an und begleitete in Personalunion den Posten des Direktors der dortigen Großherzoglichen Gemäldegalerie, der heutigen Kunsthalle. War er einst frustriert und verkannt aus Karlsruhe quasi geflohen, so kehrte er jetzt hochgeachtet zurück.
Das Professorengehalt war weit niedriger als die Honorare, die er mit seinen Bildern inzwischen erzielen konnte. Dazu Thoma vor seinem Umzug: „Ich befand mich in den Verhältnissen, daß mir die 4000 Mark Gehalt ein Trinkgeld waren.“ Bis zu seinem Tod im Jahr 1924 verblieb er in der badischen Hauptstadt Sein Anwesen in Kronberg verkaufte er bald nach dem Tod seiner Frau, die 1901 unerwartet verstorben war. Scheinbar waren für ihn mit dem Haus zu viele schöne Erinnerungen an seine geliebte Gattin verhaftet, die ihn sehr schmerzten.